FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner auf der Regierungsbank im Bundestag Foto: dpa/Kay Nietfeld

500 Unterschriften reichen aus, um in der FDP eine Mitgliederbefragung in Gang zu bringen. Das Votum ist nicht bindend. Dennoch könnte es FDP-Chef Christian Lindner schwer in die Bredouille bringen.

Jetzt soll es schnell gehen. Matthias Nölke, einer der Initiatoren der FDP-Mitgliederbefragung über einen Ausstieg aus der Ampelkoalition, sitzt am Freitagnachmittag im Auto nach Berlin. Dort soll er, wie er sagt, ein Video aufnehmen. Denn die Argumente von Befürwortern und Gegnern der Ampel sollen den Mitgliedern zugänglich gemacht werden. Damit wird es ernst. „Die Mitgliederbefragung wird zügig starten“, sagte eine FDP-Sprecherin unserer Redaktion – auch wenn der Beginn noch nicht final festgelegt worden sei. Der „Spiegel“ hatte zuvor berichtet, das digitale Votum solle am 18. Dezember starten. Nach einem Beschluss des FDP-Vorstands ist für die Befragung ein Zeitraum von zwei Wochen vorgesehen. Raus aus der Ampel? Gibt es dafür realistische Chancen? Die FDP-Satzung ermöglicht es, mit 500 Unterschriften von Parteimitgliedern eine solche Befragung zu erzwingen – eine Hürde, die so niedrig ist, dass es in anderen Parteien Verwunderung auslöst. Bindend ist das Ergebnis für die Parteiführung nicht.

Mitinitiator Nölke aus Kassel sieht es so: „Je stärker das Votum gegen die Ampel ausfällt, desto größer wird der Druck auf den Parteivorstand sein, die Ampel zu verlassen.“ Und er fordert: „Wenn es eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen für einen Ausstieg aus der Ampel gibt, darf die Parteispitze das nicht einfach ignorieren.“ Der 43-Jährige war mal kurzzeitig für seine Partei im Bundestag, von April 2020 bis Oktober 2021, als Nachrücker. Er habe von Anfang an gegen die Ampel gestimmt – und er habe mit vielen Bedenken recht behalten. Nölke glaubt, die Haushaltseinigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner könne den Gegnern der Ampel in der FDP noch einmal Auftrieb geben. „Der Haushaltskompromiss der Ampel ist ein Desaster“, sagt Nölke. Das Versprechen, die Schuldenbremse einzuhalten, sei „vage formuliert“. Und er schimpft: „Der Abbau sogenannter klimaschädlicher Subventionen ist mal wieder Grünen-Politik, die von der FDP mitvertreten werden soll.“ Am Ende zahlten die Bürger drauf, so Nölke. „Damit muss Schluss sein.“

Bruch des Bündnisses wäre brandgefährlich

Die FDP-Führung geht dagegen offenbar davon aus, dass der Zeitpunkt für eine Befragung – wenn sie schon sein muss –günstig ist. Lindner hat sich nach der letzten Verhandlungsnacht zum Haushalt mit Scholz und Habeck als Sieger präsentiert. Während die anderen beiden bei ihren Statements eher knapp blieben, gliederte der Finanzminister seine Stellungnahme gleich in sieben Punkte. Seine Botschaft: Die FDP steht für Sparen, finanzpolitische Solidität und das Einhalten der Schuldenbremse.

In Umfragen liegt die FDP bei vier bis sechs Prozent. Dass ein Bruch des Bündnisses brandgefährlich für die Partei wäre, darüber gibt es einen breiten Konsens in der Fraktion. Das gilt auch für diejenigen, die sonst oft die Auseinandersetzung mit den Grünen suchen. „Ich rechne damit, dass es keine Mehrheit für einen Ausstieg aus der Regierung geben wird“, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki unserer Redaktion. „Denn allen sollte klar sein, dass wir in einen kommenden Wahlkampf kaum mit der Parole gehen können: Wir sind gescheitert, wählen Sie uns trotzdem.“ Auch wenn das Alltagsgeschäft in der Ampel bisweilen mühselig sei, wäre ein Rücktritt aus der Regierung ein Ausweis von politischer Schwäche. Er lobt die Befragung aber als „Ausdruck unserer lebendigen Diskussionskultur“ in der Partei.

Blick in den Sandkasten

Auch Ulrich von Alemann, emeritierter Politikprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, meint: „Kein Wähler würde es verstehen, wenn die FDP jetzt sagen würde: ‚Bevor wir weiter Verantwortung übernehmen, setzen wir uns lieber in den Sandkasten und schmollen.‘“ Eine Chance liege aber in der Befragung: Wenn die Mitglieder jetzt gegen den Ausstieg aus der Ampel votierten, werde es hoffentlich einfacher, dass die Koalition ordentlich bis zum Ende der Legislaturperiode regiere.