Massen an Geröll und zerstörte Häuser: Braunsbach nach der Sturzflut Foto: 7aktuell/Adomat

Die massiven Sturzfluten im Ahrtal, aber auch in Schwäbisch Gmünd oder im hohenlohischen Braunsbach, lassen die Kommunen im Remstal jetzt nach einem gemeinsamen Handlungskonzept suchen. Was wird gegen das Hochwasser getan?

Fast zwei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal wollen sich auch die Städte und Gemeinden an der Rems mit einem Risikomanagement für starken Regen wappnen. Denn dass es massiver Starkregen auch in Baden-Württemberg in sich haben kann, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit.

Gerade mal sieben Jahre ist es her, dass in Schwäbisch Gmünd zwei Menschen wegen einer von einem heftigen Gewitter erzeugten Überschwemmung ums Leben gekommen sind. Und ebenfalls 2016 wurde nicht allzu weit entfernt im Landkreis Schwäbisch Hall der 2500-Seelen-Ort Braunsbach von einer Sturzflut praktisch weggespült.

In Braunsbach schossen bis zu 150 Kubikmeter pro Sekunde durch den Ort

Weil der Himmel seine Schleusen geöffnet hatte, verwandelte sich das durch das Dorf fließende Bächlein im Tiefdruckgebiet Elvira in einen reißenden Strom, bis zu 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde schossen durch den Ort und schoben gewaltige Geröllmassen vor sich her. Nach der Sturzflut wurden an mehr als 100 Gebäuden massive Schäden entdeckt. Die Gemeinde musste gut 90 000 Tonnen Geröll abtragen lassen, zehn Wohnhäuser waren so lädiert, dass sie abgerissen werden mussten.

In der Schrottpresse landeten auch 128 Fahrzeuge, die von der Flut wie Spielzeugautos zerdrückt worden waren. Der in dem Ort entstandene Schaden wurde mit gut 100 Millionen Euro beziffert. Ums Leben kam in Braunsbach wie durch ein Wunder niemand. Im Gegensatz zum Ahrtal, wo fünf Jahre später mehr als 130 Menschen durch die Flut in den Tod gerissen wurden.

Die Regenrückhaltebecken wären bei einem Wolkenbruch schnell voll

Dass die Folgen eines Starkregens im Remstal ähnlich drastisch ausfallen würden, darf durch die unterschiedliche Topografie bezweifelt werden. Der Taleinschnitt zwischen Urbach und Waiblingen ist wesentlich sanfter. Doch gefeit vor Flutschäden ist auch eine weitläufigere Landschaft nicht. Die entlang der Rems angelegten Rückhaltebecken jedenfalls wären bei einem massiven Wolkenbruch schneller voll, als es den Verantwortlichen in den Rathäusern lieb sein kann. In Braunsbach kam laut Berechnungen von Doktoranden der Uni Potsdam etwa 800 mal so viel Wasser an wie im Normalfall.

„Im Zweifelsfall laufen bei Starkregen auch die bestehenden Schutzanlagen bereits nach wenigen Minuten über“, sagt Markus Moser, beim Regierungspräsidium in Stuttgart für das Hochwasser-Thema zuständig. Denn ausgelegt ist die Kapazität der Anlagen auf ein rechnerisch alle 100 Jahre auftretendes Überschwemmungsereignis der Fließgewässer. Was der Klimawandel zusätzlich an Wassermassen bringen kann, ist in der theoretischen Kalkulation nicht unbedingt enthalten. Und wenn eine Gewitterwolke über einem Ort steht und Kubikmeter um Kubikmeter ablädt, sind nicht mehr nur die Uferbereiche von Bächen und Flüssen von Überschwemmungen betroffen.

In Schwäbisch Gmünd wurden zwei Männer in einen Kanalschacht gesogen

Bei Starkregen in Mitleidenschaft gezogen werden auch Hanggrundstücke, Mulden oder Unterführungen. Auch das lehrt ein Blick in die Vergangenheit: In Schwäbisch Gmünd versuchte vor sieben Jahren ein Feuerwehrmann einen Mann aus einer gefluteten Unterführung zu retten, wurde aber mitsamt Opfer in einen Kanalschacht gesogen. In Weißbach im Hohenlohekreis starb ein Mann in einer von Wasser überschwemmten Tiefgarage – die Flut ließ keinen Ausweg. Und auch dass eine Schülerin in Schorndorf 2016 von einem Zug erfasst wurde, weil sie auf der Suche nach Schutz vor dem Regen unter eine Bahnbrücke geflüchtet war, zählt zu den tragischen Beispielen aus der Region.

Weil Starkregen mit Überschwemmungen immer häufiger werden, steigt der Wasserverband Rems jetzt in eine groß angelegte Untersuchung der Hochwassergefahren ein. In den kommenden zwei Jahren soll eine Risikoanalyse erarbeitet werden, die in ein für elf Orte an der Rems gültiges Handlungskonzept mündet. Erklärtes Ziel der 730 000 Euro teuren Studie ist es, die technischen, bauliche und informativen Schutzmaßnahmen zu kombinieren, um die Schäden durch Starkregen künftig möglichst gering zu halten. Es nehmen elf Kommunen teil: Böbingen, Essingen, Lorch, Mögglingen, Plüderhausen, Remseck, Remshalden, Schorndorf, Urbach, Waiblingen und Winterbach. Heubach, ebenfalls im Einzugsgebiet der Rems, hat ein eigenes Starkregenprojekt gestartet, das in enger Zusammenarbeit mit dem Wasserverband umgesetzt wird.

Das Wasser hält sich nicht an Markungsgrenzen

Im November 2022 gab es Auftaktgespräche. Jetzt hat die Lenkungsgruppe um Schorndorfs Ersten Bürgermeister Thorsten Englert, Bürgermeister Sven Müller aus Winterbach und Reinhold Molt aus Remshalden das Starkregenprojekt vorgestellt. „Wasser hält sich nun mal nicht an die Markungsgrenzen“, begründet Remshaldens Rathauschef den Schulterschluss. In der bereits begonnenen Gefahrenanalyse soll die Frage geklärt werden, wohin das aus dem Himmel stürzende Wasser im Extremfall fließt. Eine bis Mitte 2024 geplante Risikobetrachtung wird darstellen, welche Auswirkungen ein Starkregen-Ereignis auf Verkehrswege und Rettungstrassen, aber auch auf Altenheime, Schulen und Kindergärten haben könnte.

Dritter Baustein ist ein mit Informationsrunden verbundenes Handlungskonzept. Denn mit der Beschreibung der Hochwasserrisiken ist es nicht getan, für die Kommunen gilt es auch, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Gefahren zu schaffen. Konkret kann das bedeuten, sich bei Starkregen eben nicht für die Flucht vor der Flut ins Auto zu setzen oder im mit Wasser vollgelaufenen Keller nach dem Rechten zu sehen. Auch der Einbau von Rückstauklappen oder das Vermauern eine s Kellerfensters kann für den Schutz vor Überflutung eine Lösung sein. „Leider will bei Sonnenschein und strahlend blauem Himmel kaum jemand etwas von solchen Fragen wissen“, sagt Markus Moser.