Im Backnanger Rathaus ist man erstaunt über die mediale Aufmerksamkeit. Foto: Gottfried Stoppel

In der Diskussion um den Umgang mit der Alternative für Deutschland stehen nun auch die Grünen in der Kritik. Während die Parteivorsitzende Ricarda Lang jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, hatten Stadträte in Backnang einem Antrag der AfD zugestimmt.

An ihrer Haltung gegenüber der AfD ließ Grünen-Chefin Ricarda Lang keinen Zweifel: „Wir haben da eine ganz klare Linie in der Partei: Keine Zusammenarbeit, heißt keine Zusammenarbeit!“, sagte sie jüngst im ARD-Sommerinterview. Weder auf Europaebene noch auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene sei eine Kooperation der Grünen mit der AfD erwünscht. „Wenn man so was erfährt, dann interveniert man“, betonte sie. Undenkbar sei eine Regierungsbildung mit der AfD, ausgeschlossen sei für sie aber genauso, dass Grüne einen Antrag der AFD unterstützen.

Das Wohl der Stadt im Vordergrund

Genau das war jedoch im vergangenen November in Backnang geschehen – ausgerechnet in Langs Heimatwahlkreis. Dort hatte der Gemeinderat bei einer Gegenstimme einem Antrag der AfD zugestimmt. Es ging darum, Zuschüsse für das Bandhaus-Theater zu erhöhen. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grünen in Backnang, Willy Härtner, hatte die Entscheidung kürzlich in den Tagesthemen verteidigt. „Egal, was die machen, wir sind vereidigt zum Wohle der Stadt“, hatte Willy Härtner den Tagesthemen gesagt. Und wenn es um Sachfragen gehe, dann stünde das Ergebnis im Vordergrund. So auch im Fall des Theaters.

In der Backnanger Kreiszeitung war Härtner vor wenigen Tagen mit den Worten zitiert worden: „Das war ein ganz besonderer Fall. Die Verwaltung hat einen Vorschlag gemacht, und die AfD wollte erst nicht.“ Die Verwaltung wollte den jährlichen Zuschuss für das Theater von 78 000 auf 85 000 Euro anheben, AfD-Stadtrat Steffen Degler schlug dann eine Erhöhung auf 110 000 Euro vor. Diesem Antrag der AfD folgte die Mehrheit des Gremiums. Wenngleich manche Politiker Bauchgrimmen damit hatten, dass der Antrag zur Erhöhung der Fördersumme von der AfD kam, stand für die Mehrheit der Kommunalpolitiker im Vordergrund, die gute Arbeit der Theaterleiterinnen zu würdigen und die Einrichtung so gut wie möglich finanziell auszustatten.

Unverständnis auch auf Landesebene

Beim Grünen-Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich sorgt der Beschluss für „Unverständnis“, wie er in einer Mitteilung wissen lässt: „Das Abstimmungsverhalten des gesamten Gemeinderats in der Stadt Backnang lässt eine klare Grenzziehung leider vermissen“, äußerte sich der Politiker besorgt. „Im Landtag und auch in anderen Gemeinderäten in Baden-Württemberg wäre ein solcher Antrag der AfD von allen Demokratinnen und Demokraten abgelehnt und bei inhaltlicher Notwendigkeit durch einen eigenen Antrag ersetzt worden.“ Nur so könne verhindert werden, „dass die AfD politisch immer mehr an Einfluss gewinne und ihre Positionen hoffähig werden“. Nentwich sieht den gesamten Gemeinderat in der Verantwortung, einen einheitlichen Modus in der Abgrenzung zur AfD zu finden. „Die Haltung gegenüber der AfD sollte eindeutig sein, um ein Signal zu setzen und möglichen Missverständnissen vorzubeugen.“

Die Verantwortung für diesen Beschluss sei nicht allein bei einer Fraktion zu suchen. Stattdessen müsse „die gesamte politische Gemeinschaft vor Ort aktiv werden und gemeinsam eine klare Haltung gegenüber der AfD einnehmen. Nur durch einen geschlossenen und entschlossenen Umgang mit der Partei könne die Demokratie in Backnang gestärkt und die Glaubwürdigkeit der demokratischen Kräfte gewahrt werden“.

In Zukunft sensibler mit dem Thema umgehen

Willy Härtner ergänzte in seinem TV-Interview noch, dass ihm durch die mediale Aufmerksamkeit die Konsequenzen seines Handelns bewusster geworden seien und er künftig sensibler damit umgehen wolle. Für Rückfragen stand der Backnanger Grünen-Politiker nicht zur Verfügung: „Ich bin auf einem schon lange geplanten Urlaub und möchte in dieser Zeit Politikfasten.“

Der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zeigte sich auf Nachfrage unserer Zeitung „erstaunt, dass Backnang derzeit in der Berichterstattung über das Thema ins Rampenlicht gerückt“ werde: „Als Stadtverwaltung verfahren wir mit der hiesigen AfD-Fraktion genauso wie mit allen anderen Fraktionen auch“, sagte er. Schließlich handle es sich hierbei um demokratisch gewählte Volksvertreter. Zum Wohle der Stadt werde im Gemeinderat sachlich diskutiert und pragmatisch entschieden. „Dabei sind Themen selten parteipolitisch aufgeladen, und die Diskussionen werden im Sinne der Findung einer bestmöglichen Lösung geführt. Dass diese konstruktive Praxis nun als Beispiel einer interfraktionellen Kooperation mit der AfD ins Feld geführt wird, kann ich nicht nachvollziehen.“

Bei dem Beschluss zur Förderung des Backnanger Theaters handelte es sich um einen Antrag der Stadtverwaltung, dessen Grundanliegen von einer großen Mehrheit des Gemeinderates mitgetragen worden sei. „Beim Antrag der AfD handelte es sich in diesem Zusammenhang lediglich um einen Änderungsantrag über die genaue Zuschusshöhe“, ergänzt Oberbürgermeister Friedrich.

Künftig keine Zusammenarbeit mit der AfD

Ricarda Lang hat sich am Dienstagvormittag erneut zu der Thematik geäußert. Sie habe zwischenzeitlich mit den Grünen-Politikern vor Ort Kontakt gehabt und eine Lösung gefunden, betonte die Grünen-Bundeschefin: „Das ist geklärt, es gibt eine Einigung unter Kreisvorstand, Ortsvorstand und auch der Gemeinderatsfraktion, dass sich so etwas nicht wiederholen wird.“ Es werde künftig keine Zusammenarbeit und auch keine Zustimmung der Grünen zu einem Antrag der AfD geben. „Wenn es um sinnvolle Anliegen geht, kann man selbst einen Antrag stellen und wird unter den demokratischen Parteien auch Mehrheiten finden“, sagte Lang in einem RTL/ntv-Interview. „Ich habe großes Vertrauen in die Grünen und auch in die anderen demokratischen Parteien, dass sie das hinbekommen.“

Die jüngste Debatte über den Umgang mit der AfD in Kommunen wurde durch Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz in einem TV-Interview ausgelöst. Merz hatte zwar eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD auf Landes- oder Bundesebene ausgeschlossen, sich jedoch für einen pragmatischen Umgang mit gewählten AfD-Amtsträgern in Kommunen ausgesprochen. Nach heftiger Kritik, auch aus den eigenen Reihen, betonte Merz, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei weiterhin in Kraft sei und erklärte, dass eine Zusammenarbeit und Koalitionen mit der AfD auch auf kommunaler Ebene ausgeschlossen sei.