Gabi Zimmermann vom Hoflädle Zimmermann verbringt viel Zeit in der Backstube. Ins Brot kommen auch Urgetreide wie Emmer und Einkorn. Foto: Simon Granville

Familie Zimmermann aus Renningen hegt eine besondere Faszination für sogenannte „Urgetreide“ wie Emmer und Einkorn, die sie nicht nur anbauen, sondern auch verbacken.

Dinkel haben schon die alten Kelten geliebt. Und selbst heute hat die historische Getreidesorte noch viele Fans. Emmer und Einkorn dagegen? Die sind aus den Köpfen der meisten Menschen genauso verschwunden wie aus den Regalen der Backstuben. Erst ganz langsam sind sie wieder im Kommen. Die Familie Zimmermann aus Renningen war ihrer Zeit also voraus, als sie vor mehr als 15 Jahren mit dem Anbau dieser alten Getreidesorten begonnen und das Brot im eigenen Hoflädle verkauft hat. Vom Acker bis zum Backofen: Was ist das Besondere an den alten Getreidesorten?

Faszination Urkorn: Ein Stück Geschichte

Für Gabi und Christian Zimmermann, der den Hof der Eltern 2008 übernommen hat, hat historisches Getreide eine besondere Faszination. Einkorn, Emmer und Dinkel gehören zu den ältesten Getreidesorten überhaupt. Die „Ahnen“ der heutigen Pflanzen haben sich einst auf natürliche Weise aus Weidegräsern entwickelt. Ab etwa 10 000 vor Christus begann der Mensch mit dem gezielten Anbau von Getreide. „Uns ging es darum, ackerbaulich einen Schritt zurückzugehen, die alten Sorten wieder zu kultivieren und zu erhalten und in der Backstube den Menschen wieder nahezubringen“, formuliert es Christian Zimmermann.

Warum aber sind die Pflanzen überhaupt von den Äckern verschwunden? Die Antwort ist ganz einfach: Emmer und Einkorn sind sehr viel weniger ertragreich. „Wenn man heutigen Weizen konventionell anbaut, bekommt man acht bis zehn Tonnen Korn pro Hektar“, erklärt Christian Zimmermann. „Bei Bio sind es immerhin noch fünf bis sieben.“ Im Unterschied dazu komme Emmer auf vielleicht zwei bis drei Tonnen, bei Einkorn sind es noch weniger.

Einkorn, Zweikorn, Dreikorn

Die Erklärung steckt im Namen: Einkorn. Das bedeutet, dass an der Ähre sich nur ein einziges Korn befindet, wo sich bei Emmer, einem Zweikorn, zwei befinden, oder beim Dreikorn Dinkel eben drei. Die Einkorn-Ähren sind daher im Bereich der Ährenspindel merklich schmaler als andere.

Eines war also klar: Der Ertrag der Pflanzen würde deutlich geringer sein als bei anderen. „Für uns war das eine Abwägungssache“, erzählt Christian Zimmermann. Andererseits nämlich fügte sich der Anbau gut in das Konzept der Familie, auf Chemie auf den Feldern zu verzichten. „Die Ähren brauchen nicht viel Dünger, man kommt ganz ohne Mineraldünger aus“, erklärt Gabi Zimmermann. Und spezielle Pflanzenschutzmittel gibt es für die selten angebauten Getreidesorten ohnehin kaum oder gar nicht, „von daher hat es gut gepasst“.

Anbau: Diese Ähren wollen hoch hinaus

Gesät wird wie bei anderen Getreidesorten im Oktober. Spannend wird das Frühjahr. Die Jugendzeit von Emmer und Einkorn ist für die Landwirte die erste große Herausforderung. „In der Anfangszeit wachsen Emmer und Einkorn sehr langsam, Dinkel ist da schon schneller“, erklärt Christian Zimmermann. Wächst eine Pflanze schnell in die Höhe, hat sie die Sonne ganz für sich, die Konkurrenz am Boden hat wenig Chancen. Bei Emmer und Einkorn sprießt das Unkraut munter mit in die Höhe. „Da muss man viel mit dem Striegel arbeiten, um die Unkräuter auf natürliche Weise wegzukriegen.“

Genauso tückisch ist die Erntephase. Denn die Halme von Emmer und Einkorn wachsen um die 1,50 Meter hoch, zum Teil noch höher. Alte Dinkelsorten ebenso. „Im Vergleich dazu sind Gerste und Weizen heute deutlich kleiner, die sind extra so gezüchtet worden.“ Die Größe macht die Pflanzen anfälliger für Schäden bis zur Ernte. „Die Ähren müssen die Körner oben tragen. Wenn ein starker Wind kommt, heftige Regen- oder Hagelschauer, legt es die langen Halme um.“ Liegen die Ähren erst mal auf dem feuchten Boden, macht sie das anfälliger für Pilze, und sie lassen auch schwerer abernten.

Mahlen: Ein wohlbehütetes Korn

Während man bei Weizen nach dem Ernten das nackte Korn in der Hand hält und es verarbeiten kann, ist bei Dinkel, Emmer und Einkorn noch ein weiterer Schritt erforderlich. Denn sie haben um das Korn herum noch eine sogenannte Spelze: eine Hülle, die das Korn unter anderem vor Pilzkrankheiten schützt. Diese muss zunächst entfernt werden und kann danach für die Hühner am Hof als Bodeneinstreu oder für die Nester verwendet werden. Die Körner werden zu grobem Schrot gemahlen. Dafür haben die Zimmermanns eine eigene kleine Schrotmühle am Hof. Fein gemahlenes Mehl aus Weizen, Roggen und Dinkel, das für die unterschiedlichen Brote in der Backstube außerdem benötigt wird, kauft die Familie in Bioqualität zu.

Backen: Einkorn ist kein Einzelgänger

Gluten hat heutzutage einen ziemlich schlechten Ruf, weil die Zahl der Menschen mit Unverträglichkeiten, genannt Zöliakie, wächst. Gluten besitzt aber sehr wichtige Backeigenschaften: Das Klebereiweiß, der Name sagt es schon, hält den Teig zusammen. Ohne Gluten oder andere bindende Zutaten fällt das Gebäck auseinander. Es sorgt außerdem dafür, dass der Brotteig gut aufgeht und nach dem Backen nicht in sich zusammenfällt. Weizen und Dinkel enthalten viel Gluten, Roggen schon weniger, Emmer und Einkorn so gut wie keines.

„Anfangs hieß es sogar, dass die beiden gar kein Gluten enthalten, aber das stimmt so nicht“, sagt Gabi Zimmermann, die viel Zeit in der Backstube verbringt. Gleichwohl ist es so wenig, dass die Voraussetzungen fürs Backen sehr schwierig sind.

Beim Backen kommt noch anderes Mehl dazu

Gabi Zimmermann mischt daher fürs Brot noch andere Mehle bei: für Emmer, das einen etwas würzigeren Geschmack hat, nimmt sie zusätzlich Roggenmehl, für Einkorn, eher milder und nussig im Geschmack, Dinkelmehl. „Wer an einer starken Zöliakie leidet, kann diese Brote daher meist trotzdem nicht essen“, sagt Christian Zimmermann. Der Grund ist das zusätzliche Gluten der anderen Mehle. „Aber bei wem es nicht so ausgeprägt ist, der kann es probieren. Wir haben einige Kunden mit einer Unverträglichkeit, die sagen, dass sie das super vertragen.“

„Wichtig ist, wenn man mit Emmer und Einkorn arbeitet, dass man eine Kastenform verwendet“, erklärt Gabi Zimmermann. Die Kastenform sorgt dafür, dass das Brot schön hochgehen kann und seine Form behält. „Wir lassen den Vorteig außerdem über Nacht stehen. Je länger die Gärzeit, desto höher ist die Verträglichkeit.“ Wer selbst eine leichte Zöliakie hat, könne das beim Backen zu Hause auch versuchen. Nur sollte man den Teig über Nacht in den Kühlschrank stellen, da die Temperatur in Wohnräumen für den Teig zu warm ist.

Verkauf: Die Zahl der Fans wächst

Gerade in der Anfangszeit war der Erklärungsbedarf bei den Kunden groß, erzählt Gabi Zimmermann. Emmer oder Einkorn? Nie gehört. Doch mit jeder Probieraktion auf Märkten stieg die Zahl der Fans. Immerhin bringen die Brote nicht nur Abwechslung auf den Teller, die alten Getreidesorten enthalten zudem viele Ballast- und Mineralstoffe. Spätestens seit der gewachsenen Präsenz in den Medien erkundigen sich Kunden im Laden auch gezielt nach den Broten. „Der Verkaufsschlager ist und bleibt aber unser klassisches Bauernbrot mit Weizenmehl“, erzählt Gabi Zimmermann schmunzelnd. Ein bisschen Abwechslung kommt gut an. „Aber meistens suchen die Leute doch eher das Gewohnte – man isst, was man kennt.“