Martin Häusling ist Landwirt und sitzt für die Grünen im Europaparlament. Er wehrt sich dagegen, dass wegen des Krieges in der Ukraine in der EU die Umweltstandards in der Landwirtschaft zurückgeschraubt werden. Foto: privat/privat

Der Krieg in der Ukraine darf nach Ansicht des Grünen-Politikers Martin Häusling nicht als Vorwand genutzt werden, um in Europa die ökologischen Standards bei der Landwirtschaft zurückzudrehen.

Europa arbeitet daran, die eigene Landwirtschaft in den kommenden Jahren ökologischer und damit auch klimafreundlicher zu machen. Dieses Vorhaben könnte durch den Krieg in der Ukraine verzögert werden. Der Grünen-Politiker Martin Häusling hält das für einen großen Fehler.

Herr Häusling, der Krieg in der Ukraine hat massive Auswirkungen auf die Lebensmittelmärkte in Europa. Befürchten Sie, dass es nun neuen Streit um die Agrarpolitik und ein Zurückdrehen der umweltfreundlichen Lebensmittelproduktion geben wird?

Der Streit um die Ökologisierung der Landwirtschaft hat leider bereits begonnen. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten müssen die ökologische Krise und die Klimakrise weiterhin ernst nehmen. Die wenigen, jetzt schon verankerten Umweltmaßnahmen auszusetzen und zum Beispiel das Ausbringen Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen zu gestatten, bringt keinen Mehrwert.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen nun dort ansetzen, wo es Ergebnisse erzielt werden. Vier Prozent der Getreideproduktion der EU – in Deutschland sind es sogar zwölf Prozent - und 30 Prozent der Ölsaatenproduktion fließt in die Produktion von Treibstoffen. Diese Agrargüter sind viel zu wertvoll und müssen schnellstmöglich für die Nahrungsmittelversorgung bereitgestellt werden. Zudem wandern etwa 60 Prozent unserer Getreideernten in die Tierfutterproduktion. Auch hier müssen wir umsteuern und unseren Fleischkonsum aufgrund der drohenden weltweiten Hungerkatastrophe überdenken.

In manchen Supermärkten gibt es Hamsterkäufe, etwa von Speiseöl. Ist unsere Versorgung mit Lebensmitteln gesichert?

Es muss unterschieden werden zwischen der Lebensmittelsicherheit in Europa und der in Drittstaaten. Für Europa sieht die EU-Kommission keine Unterversorgung. Bedrohlich wird die Lage aber im Nahen Osten und in Afrika. Das heißt, es müssen insgesamt wesentlich mehr Anstrengungen unternommen werden, damit die Ernährungsautarkie weltweit erhöht und Länder die Nahrungsmittelversorgung ihrer eigenen Bevölkerung sicherstellen können.

Sollten höhere Lebensmittelpreise abgefedert werden? Für die Autofahrer ist eine Sprit-Preisbremse im Gespräch.

Die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland bleibt bei sieben Prozent bis Ende 2022 erhalten. Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass die Spekulationen mit Agrarrohstoffen unterbunden werden, die die Preise extrem in die Höhe treiben. Ich fordere daher eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte. Die bereits im Jahr 2014 verabschiedete Finanzmarktrichtlinien müssen schärfer gefasst und konkretisiert, vor allem aber endlich konsequent umgesetzt werden.

Braucht Europa eine Art Ernährungssouveränität, ähnlich wie auf dem Energiesektor?

Eindeutig ja! Die Regionalisierung der Lebensmittelerzeugung fordern die Grünen schon seit jeher. Nun macht der Krieg in der Ukraine deutlich, dass Ernährungssouveränität europäisch und national neu zu denken ist. Das bedeutet, dass Ressourcen konsequent geschützt werden müssen. Ziel muss es sein, regionale Kreisläufe bei der Erzeugung und Vermarktung von Lebensmitteln zu schließen. Ganz wichtig ist eine Eiweißpflanzenstrategie, um die heimische Futtermitteerzeugung zu erhöhen und die Abhängigkeit von Mineraldünger und Sojaimporten zu reduzieren. Darüber hinaus ist eine Ackerbaustrategie notwendig, die durch Fruchtartendiversifizierung die Leistungsfähigkeit unserer Böden verbessert und den Einsatz von Pestiziden reduziert.