Olaf Scholz knöpft sich im Bundestag Oppositionsführer Friedrich Merz vor. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Kanzler geht in der Generaldebatte im Bundestag in die Offensive – und attackiert CDU-Chef Friedrich Merz als „Mimose". Szenen eines harten Schlagabtauschs.

Der Kanzler spricht an diesem Tag Sätze so hart wie die Schläge eines Boxers. Deshalb passt es auch gut, dass Olaf Scholz in der Generaldebatte im Bundestag immer wieder die Hände oben hat. Mal nur die rechte Hand, mal beide Hände. „Was hat eigentlich ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun? Nichts, das ist die Antwort“, wirft Scholz Unionsfraktionschef Friedrich Merz entgegen. Der Sozialdemokrat, der sonst seine Wut gern in leise Worte kleidet, wird dabei ordentlich laut.

Die Debatte über den Etat des Kanzleramts dient in der Haushaltswoche traditionell dem Schlagabtausch zwischen Oppositionschef und Kanzler. Dieses Mal geht es – beidseitig – rauer zu als sonst.

Ein Blick in die Zukunft

„Wie kann man so die Zukunft Deutschlands verspielen wollen, wie Sie das tun? Ökonomischer Sachverstand: Null. Das ist die Wahrheit“, hält Scholz Merz vor. Die Union sei dafür verantwortlich, dass in Deutschland über viele Jahre Weichen für die industrielle Zukunft nicht gestellt worden seien, etwa beim Ausbau der Netze und der Erneuerbaren Energien – jetzt wolle sie erneut Wachstumsbremsen ziehen. Was Scholz nicht erwähnt: Er hat damals selbst mitregiert.

Die Debatte könnte einen ersten Ausblick auf den Bundestagswahlkampf im Jahr 2025 geben. Scholz gegen Merz: Das ist das Duell, auf das viele in der SPD hoffen. Scholz und die SPD haben derzeit desaströse Umfragewerte. Von Merz glauben sie, dass er am Ende viele Wähler in der Mitte abschrecken könnte.

Scholz ist schwer in der Bredouille – spätestens, seit seine bisherige Haushaltspolitik vor dem Verfassungsgericht gescheitert ist. Mit dem Auftritt in der Generaldebatte will er in die Offensive kommen. Die Attacken auf Merz rufen Jubel in den eigenen Reihen hervor. Merz, so heißt es oft in der SPD, „triggere“ Scholz – der CDU-Chef löse bei dem eigentlich zurückhaltenden Hamburger die Bereitschaft zum verbalen Nahkampf aus.

Wie immer in der Generaldebatte ist es der Oppositionsführer, der das Duell eröffnen darf. Merz legt einen Auftritt hin, der es ebenso wenig an Deutlichkeit vermissen lässt wie später der von Scholz. Merz hält Scholz vor, er habe mit dem Bürgergeld ein System geschaffen, dass der Leistungsbereitschaft entgegenstehe.

„Sie waren einmal die Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind heute eine Partei der subventionierten Arbeitslosigkeit geworden“, hält Merz der SPD vor. Was er nicht sagt: Die Union hat der Bürgergeldreform nach langen Verhandlungen zugestimmt – inklusive der neuen Berechnungsweise, die Armut in Zeiten der Inflation verhindern sollte.

Merz’ Gedankenspiel

Merz wirft der Ampel vor, für den Aufstieg der AfD verantwortlich zu sein. „Machen wir ein kurzes Gedankenspiel“, sagt er. Man müsse sich nur einmal vorstellen, in Deutschland gäbe es eine Regierung die, so formuliert es Merz, „wenigstens mittelgut“ sei. „Kann sich irgendjemand hier im Haus vorstellen, dass die AfD unter solchen Umständen innerhalb von zwei Jahren von 10 auf 20 Prozent angewachsen wäre?“, fragt er.

Und Merz wird grundsätzlich, was den Rest der Legislaturperiode angeht. „Bitte ersparen Sie sich und uns in Zukunft Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit“, sagt er. Die Ampel habe gezeigt, dass sie an einer wirklichen Zusammenarbeit nicht interessiert sei. Merz betont, er sei sehr zurückhaltend, wenn es um weitere Grundgesetzänderungen gehe. Eine Zustimmung zu einer Aufweichung der Schuldenbremse schließe er aus.

Hat Scholz es – zum Beispiel bei der Suche nach einer gemeinsamen Linie in der Migrationspolitik – an Geschick im Umgang mit Merz vermissen lassen? Oder wollte Merz aus taktischen Gründen auf keinen Fall einen Kompromiss, um ein Wahlkampfthema zu behalten?

Scholz jedenfalls hält Merz mangelnde Kooperationsfähigkeit vor – und Empfindlichkeit. Merz teile jeden Tag gegen die Regierung aus, was sein Recht sei, sagt der Kanzler. „Aber wenn Sie dann mal kritisiert werden, dann sind Sie eine Mimose“, erklärt Scholz. „Ich finde, wer boxt, der sollte kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz.“