Eine Gesetzesinitiative im US-Kongress gegen TikTok belastet die Beziehungen zwischen Washington und Peking. China sprach von „Gaunermethoden“ wegen des angedrohten Verbots der Video-App in den USA. Wie geht es weiter mit der App?
Sie ist unter Kinder und Jugendlichen die wohl beliebteste Social-Media-App: TikTok. Doch das soziale Netzwerk, auf dem sich alles um kurze Videoschnipsel dreht, steht vor dem Aus. Zumindest in den USA.
Der US-Kongress hat dem chinesischen Mutterunternehmen Bytedance, zu dem TikTok gehört, eine Frist von 180 Tagen gesetzt. So lang hat das Unternehmen Zeit, um die populäre Video-App zu verkaufen – sonst soll sie in den USA verboten werden.
Woher kommt Tiktok?
Der Vorstoß gegen die Plattform resultiert aus Bedenken zum Datenschutz: Bytedance steht im Verdacht, der Kommunistischen Partei Chinas Zugriff auf die Daten von TikTok-Nutzern zu ermöglichen. Dies wird von dem Unternehmen allerdings vehement bestritten.
Die Initiative in den USA hat auch auf politischer Ebene in China heftige Reaktionen ausgelöst, das mögliche Verbot von TikTok belastet die Beziehungen zwischen Washington und Peking. Die chinesische Regierung reagierte am Donnerstag (14. März) wütend auf die Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch das Repräsentantenhaus und sprach von „Gaunermethoden“ und einer „ungerechten Unterdrückung ausländischer Firmen“.
Seltene Einigkeit im Repräsentantenhaus
Das Repräsentantenhaus hatte am Mittwoch (13. März) den Gesetzentwurf in einem seltenen Akt parteiübergreifender Einigkeit mit breiter Mehrheit beschlossen: 325 Abgeordnete stimmten dafür und nur 65 dagegen. Die Vorlage wurde in der Kongresskammer sowohl von Vertretern der dort dominierenden oppositionellen Republikaner als auch von Abgeordneten der Demokraten von US-Präsident Joe Biden unterstützt.
Allerdings ist noch längst nicht ausgemacht, dass das Gesetz in Kraft tritt. Einige einflussreiche Senatoren haben sich gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Das Weiße Haus kündigte hingegen bereits an, dass Biden das Gesetz bei seiner Verabschiedung durch beide Kongresskammern abzeichnen und damit in Kraft setzen werde.
USA wollen „Feinde abschrecken“
Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, der Republikaner Mike Johnson, sagte, das Votum zeige den parlamentarischen Widerstand „gegen die Versuche des kommunistischen China, Amerikaner auszuspionieren und zu manipulieren“. Es gehe darum, „unsere Feinde abzuschrecken“.
Es ist einer der seltenen Fälle, in denen Johnson nicht mit dem Ex-Präsidenten und voraussichtlichen erneuten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump auf einer Linie liegt. Trump hatte zu Beginn der Woche eine Kehrtwende vollzogen und sich gegen ein TikTok-Verbot positioniert. Während seiner Präsidentschaft hatte er sich noch dafür eingesetzt, Bytedance die Kontrolle über die App zu entziehen.
TikTok-Chef: „Schützt eure Rechte“
Trumps früherer US-Finanzminister Steven Mnuchin bekundete bereits sein Interesse, TikTok zu kaufen. Mnuchin sagte am Donnerstag dem Sender CNBC, „TikTok ist ein großartiges Business“. Er wolle deshalb eine Gruppe von Investoren für den Erwerb der Plattform zusammenstellen.
Der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin nannte die Bestrebungen in den USA „Gaunermethoden“. Wenn „sogenannte Gründe der nationalen Sicherheit“ benutzt würden, um erfolgreiche ausländische Firmen zu unterdrücken, „dann gibt es keine Fairness und Gerechtigkeit“.
China warnt USA vor drastischen Maßnahmen
Der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, He Yadong, warnte, Peking werde „alle nötigen Maßnahmen“ ergreifen, um seine Firmen im Ausland zu schützen. Die USA müssten die Grundsätze „des fairen Wettbewerbs respektieren“ und die „ungerechte Unterdrückung ausländischer Firmen“ stoppen. Allerdings werden in China westliche Onlineplattformen wie Facebook und X schon seit Jahren blockiert.
TikTtok-Chef Shou Zi Chew rief die Nutzerinnen und Nutzer in den USA dazu auf, sich gegen ein mögliches Verbot zu stemmen. „Schützt eure verfassungsmäßigen Rechte“, sagte er in einem Onlinevideo. Die 170 Millionen TikTok-Nutzer in den USA sollten weiterhin ihre Geschichten auf der Plattformen teilen – mit Verwandten, Freunden und „euren Senatoren“.
Strengere Regeln für große Digitalkonzerne in der EU
TikTok ist vor allem bei jungen Leuten immens populär und hat in den Nutzungszeiten längst Konkurrenten wie Facebook und Instagram überholt. Weltweit hat TikTok mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer.
Nicht nur in den USA, sondern auch in der EU steht TikTok allerdings unter verstärktem politischen Druck. Ein seit vergangener Woche in EU geltendes Regelpaket zielt darauf ab, die Marktmacht von Bytedance und anderer großer Digitalkonzerne wie Amazon, Apple und Meta zu beschränken.
Auf Grundlage dieses „Digital Services Act“ forderte Brüssel Bytedance, Facebook, Instagram, X, Google und andere Plattformen am Donnerstag zur Klarstellung unter anderem darüber auf, was sie dagegen unternehmen, dass mittels Künstlicher Intelligenz (KI) in großem Stil Falschinformationen im Vorfeld der Wahlen zum Europaparlament im Juni verbreitet werden könnten.
Italien verhängt Geldstrafe gegen TikTok
In Italien verhängte die Wettbewerbsbehörde eine Geldstrafe in Höhe von zehn Millionen Euro gegen TikTok, weil es die Plattform versäumt habe, Minderjährige vor für sie schädlichen Inhalten zu schützen. Der Algorithmus von TikTok sorge vielmehr dafür, dass solche Inhalte den Nutzerinnen und Nutzern immer wieder neu vorgeschlagen würden, beanstandete die Behörde.
Was ist mit TikTok in Deutschland?
Auswirkungen auf die Nutzung von TikTok in Deutschland dürften die Vorgänge in den USA erst einmal nicht haben. Im vergangenen Jahr war ein Verbot der Plattform aber auch hierzulande diskutiert worden. Die Gründe, die vorgebracht worden waren, waren dieselben wie in den USA.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sah „erhebliche Risiken“ bei der App. „Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei Tiktok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich“, sagte der Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen im Frühjahr.
„Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug. Ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache.“ Sicherheitsfragen müssten stärker betont werden.
Innenministerin sieht keine Gefährdung durch App
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sah derweil für Deutschland keine Grundlage für ein generelles Verbot der TikTok-App. Man müsse jedoch verstärkt darüber aufklären, dass es sich bei TikTok um eine Firma handele, bei der „die Daten natürlich abfließen können“, sagte sie.
Einer Gruppe von Personen ist die Nutzung der App in Deutschland aber bereits untersagt: Bediensteten des Bundespresseamts dürfen sie nicht auf ihren Diensthandys installieren. Der Beauftragte für Datenschutz (BfDI), Ulrich Kelber, hatte bereits vor drei Jahren sämtlichen Bundesministerien und -behörden davon abgeraten.
Wo ist TikTtok bereits verboten?
Folgende Behörden beziehungsweise Ministerien haben die Nutzung von Tiktok auf Dienstgeräten verboten:
- Beschäftigte der EU-Kommission
- Großbritannien (außerdem Zugang zur App über das Netzwerk des Parlaments gesperrt)
- Österreich
- Belgien
- Niederlande
- Kanada
- Australien
- Neuseeland (Ausnahmen durch Sonderregelungen)
- Taiwan
Indien hat die Nutzung von TikTok bereits im Jahr 2020 verboten. Grund waren Spannungen wegen des Grenzverlaufs im Himalaya. Neben TikTok waren weitere Apps chinesischer Firmen davon betroffen. Begründet wurden die Verbote mit „Risiken für die nationale Sicherheit“.Im November 2023 hat auch Nepal die App komplett verboten. Sie störe den sozialen Zusammenhalt, hieß es in der Begründung.
Auch der Senegal hat ähnliches verlauten lassen, als er TikTok im August 2023 bis auf Weiteres komplett aus den App-Stores verbannte. TikTok werde „von Personen mit schlechten Absichten bevorzugt, um hasserfüllte und subversive Nachrichten zu verbreiten, die die Stabilität des Landes bedrohen“, teilt das Kommunikationsministerium Senegals damals mit.Pakistan hatte die App in der Vergangenheit bereits mehrfach verboten. Derzeit ist sie verfügbar, der letzte Bann „wegen anstößiger und unmoralischer Inhalte“ endet im November 2022.