Fleisch und vegetarisches Essen nebeneinander? In Freiburger Grundschulen hat man sich für einen anderen Weg entschieden. Foto: imago//Fotoagentur Westend 61

Für die einen eine Bevormundung und die anderen der moralisch einzige Weg, um Tierleid zu vermeiden. In Freiburg steht seit Montag in Kitas und Grundschulen nur noch vegetarische Kost auf dem Speiseplan. Zwei Meinungen zur umstrittenen Entscheidung.

Mit dem Start ins neue Schuljahr müssen sich viele Kinder in Freiburg auf neue Speisepläne einstellen. In den dortigen städtischen Grundschulen und auch in Kitas gibt es nur noch ein vegetarisches Einheitsmenü – das hatte der Gemeinderat der Schwarzwaldmetropole im vergangenen Oktober mit grün-linker Mehrheit beschlossen. Ist das der richtige Weg?

Pro – Das ist keine Indoktrination

Man sollte nicht vergessen, was in dem Lebensmittel Fleisch eigentlich drinsteckt. Fleisch wird produziert, indem man Tiere, die dem Menschen schutzlos ausgeliefert sind, in der Regel gegen ihren Willen einsperrt und sie tötet. Viele Tiere sterben verängstigt und leider führen sie oft ein Leben, das erfüllt ist mit Leid und Schmerzen. Da dieses Wissen sowie die Erkenntnisse über die gesundheitlichen Vorteile einer vegetarischen Ernährung immer mehr Menschen erreicht, entscheiden sich auch immer mehr für eine fleischlose Diät für sich – und ihre Kinder.

Die emotionale Debatte, die gerade von Gegnern des Freiburger Weges, an Schulen und Kitas auf Fleisch zu verzichten, geführt wird, dürfte viele Vegetarier an Diskussionen erinnern, die sie schon unzählige Male am Esstisch oder auf einer Grillfeier mit Freunden, Verwandten oder Fremden führen mussten. Offensichtlich haben immer noch viele Menschen Angst, sie oder ihr Kind könnte indoktriniert werden, wenn sie in irgendeiner Weise mit einer vegetarischen Lebensweise konfrontiert werden.

Noch lange kein Vegetarier

Natürlich sollten Kitas und Schulen keine Orte sein, an denen einem eine Gesinnung aufgezwungen wird. Moral und Werte darf man den Kindern aber trotzdem mitgeben, andernfalls wäre ein Alltag in den Einrichtungen gar nicht möglich.

Immerhin bringen Erzieherinnen und Erzieher und Lehrerinnen und Lehrer den Kindern auch bei, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Regeln einzuhalten und anderen Lebewesen keine Schmerzen zuzufügen – was Tiere einschließt.

Man sollte die Kirche aber auch im Dorf lassen. Wenn ein Kind eine vegetarische Mahlzeit am Tag isst, heißt das noch lange nicht, dass es sich dafür entscheidet, später einmal auf Fleisch zu verzichten. Insbesondere wenn man als Eltern morgens und abends die Gelegenheit hat, sein Kind nach den eigenen moralischen Vorstellungen Essen anzubieten. Kinder über ihr tägliches Essen indirekt auf unangenehme Tatsachen aufmerksam zu machen und zu zeigen, mit was für einem unnötigen Leid Fleischkonsum verbunden ist, sollte jedoch niemals als Unrecht ausgelegt werden.

Kontra – Bevormundung? Nein Danke!

Schon das eigene „Braterbsensuppentrauma“ aus einem städtischen Schülerhort der frühen 70er Jahre deutet eigentlich auf eine entschiedene Ablehnung hin: Nein zum Beschluss des Freiburger Gemeinderats, in Kitas und Grundschulen der Stadt in Südbaden von nun an nur noch vegetarisches Essen zu servieren.

Aber die Dinge liegen komplizierter. In der Tat spricht einiges dafür, den Fleischkonsum nicht nur der Jüngeren hierzulande zu reduzieren – von der Gesundheit bis zum Tier- und Klimaschutz.

Doch die Entscheidung des Freiburger Gemeinderats vom vergangenen Herbst riecht stark nach Bevormundung und Gängelei. Wieder einmal mischt sich die Politik – in diesem Falle sogar die bürgernahe Kommunalpolitik – in den Alltag der Menschen ein, wirbt gar nicht erst um ihre Zustimmung, sondern entscheidet im Alleingang von oben herab. Viele Bürger empfinden das jedenfalls so. Und das längst nicht nur, wenn es um die Ernährung der Kinder in Kitas und Schulen geht.

Schulspeisung als Kulturkampf

Bevormundung und Gängelung werden noch befördert durch den Trend zur Übermoral: Bei einer Entscheidung steht heute immer öfter vor allem die richtige Gesinnung im Vordergrund und immer seltener der sachliche Austausch von Pro und Kontra. Der demokratische Wettbewerb um das beste Argument wird so zum persönlichen Angriff, den es zurückzuschlagen gilt. Das Gegenüber hat ja die falsche Haltung. So wird die Schulspeisung zu einem weiteren Flammpunkt in den ewig entzweienden Kulturkämpfen.

Also: Nichts gegen mehr vegetarisches Essen für Kinder. Auch die Älteren sind in früheren Zeiten damit gut groß geworden. Aber nicht von oben herab und bitte ohne das missionarische Eiferertum! Und ohne – gutes – Fleisch gänzlich zu verdammen. Für manch ein Kind aus ärmeren Schichten ist die Kita womöglich der einzige Ort, an dem es gutes Fleisch angeboten bekommt. Dasselbe könnte auch auf Kinder zutreffen aus dem Lastenfahrrad fahrenden Milieu.