Die Rhetorik der beiden Regierungen hat sich entspannt. Nun soll Präsident Xi erstmals seit der Pandemie wieder in die USA reisen.
An Tagen wie diesen wird mehr als deutlich, wie schwierig eine Deeskalation zwischen den zwei Weltmächten in der Praxis zu bewältigen ist: Während sich die zwei Außenminister Wang Yi und Anthony Blinken mit guter Absicht in Washington zu Gesprächen trafen, kam es zeitgleich über dem Südchinesischen Meer zu einem riskanten Manöver: Ein chinesisches Kampfflugzeug kam einem B-52-Bomber der USA auf wenige Meter nahe. Und natürlich machten beide Seiten den jeweils anderen für den Vorfall verantwortlich.
Dennoch täuscht die Causa nicht darüber hinweg, dass sich die bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Peking in den vergangenen Wochen in eine positive Richtung entwickelt haben. Was zuvor nahezu ausgeschlossen schien, ist längst eingetreten: Beide Regierungen halten wieder regelmäßig hochrangige und konstruktive Gespräche ab. Das vielleicht deutlichste Zeichen der Entspannung zeigte sich am Mittwoch, als der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom eine seltene und überraschende Audienz bei Xi Jinping erhielt. Es war das erste Mal seit sechs Jahren, dass sich Chinas Staatschef mit einem US-Gouverneur persönlich getroffen hat. Die Gesprächsatmosphäre war betont freundlich.
Eskalationskreislauf durchbrechen
Auch die Rhetorik des Gasts aus Übersee war überaus handzahm. „Ich bin mit offener Hand hier, nicht mit geschlossener Faust“, sagte Newsom in Peking. Die Botschaft des 56-jährigen Demokraten: Es ist an der Zeit, den Eskalationskreislauf zwischen den zwei Weltmächten zu durchbrechen. Am Beispiel Kaliforniens zeigt sich durchaus, dass die verbindenden Themen zwischen den zwei Staaten nach wie vor existieren: Allen voran im Kampf gegen den Klimawandel haben sie überschneidende Interessen.
Das Tauwetter zwischen Peking und Washington beruht jedoch nicht zuletzt auf taktischem Kalkül. Auch wenn noch nicht offiziell bestätigt, soll Staatschef Xi Jinping zum bevorstehenden Apec-Gipfel nach San Francisco reisen – und dort auf Präsident Joe Biden treffen. Der Besuch wäre in mehrfacher Hinsicht eine Kehrtwende: Seit der Pandemie hat Xi fast ausschließlich in Peking empfangen. Seine Auslandsreisen beschränkten sich auf freundschaftlich gestimmte Staaten wie etwa Russland.
Ein positives Zeichen
Für die internationale Staatengemeinschaft ist die rege Kommunikation zwischen den Vereinigten Staaten und dem Reich der Mitte ein positives Zeichen. Denn das militärische Säbelrasseln rund um Taiwan und das Südchinesische Meer legt jedes Mal offen, wie schnell eine unüberlegte Eskalation in ein offenes Gefecht münden könnte. Und um Missverständnissen vorzubeugen, braucht es vor allem Koordination und Austausch.
Im Kern jedoch wird wohl der prägende Konflikt des 21. Jahrhunderts weiter Bestand haben. Schließlich geht es auch um die künftig vorherrschende Systemordnung: Die Volksrepublik unter Xi Jinping lehnt die westliche Dominanz ab und möchte ihre eigene Vision einer multilateralen Weltordnung verwirklichen – zweifelsohne unter chinesischer Führung, mit Wladimir Putin Seite an Seite.