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Kiew ist enttäuscht, weil beim Gipfel in Vilnius der erhoffte Nato-Beitritt nicht versprochen wurde. Als Reaktion auf den Überfall Russlands arbeitet die Allianz an Plänen für die Verteidigung.

Mehrere gute und eine schlechte Nachricht für die Ukraine. Beim Nato-Gipfel in Vilnius verständigten sich die Mitglieder der Allianz auf weitere Waffenlieferungen an Kiew. Zudem gaben die G7-Staaten weitere Sicherheitszusagen. Auf eine konkrete Einladung zum Beitritt wartete Präsident Wolodymyr Selenskyj allerdings vergebens. Hatte er sich nach dem ersten Tag des Treffens noch enttäuscht gezeigt, gab sich Selenskyi am Ende dann versöhnlich. Man könne „feststellen, dass die Ergebnisse des Gipfels schön sind“, sagte er. Aber eine Einladung zum Nato-Beitritt „wäre ideal gewesen“. Es sei aber klar, dass dies nicht passieren werde, solange der Krieg in der Ukraine noch weiter andauere, so Selenskyi.

Die Militärhilfe für Kiew wird aufgestockt

Neben Deutschland stockten auch Frankreich und andere Nato-Länder ihre Militärhilfe für die Ukraine auf. Die Bundesregierung sagte weitere Kampf- und Schützenpanzer, Luftabwehr und Artilleriemunition im Wert von 700 Millionen Euro zu. Frankreich liefert Marschflugkörper vom Typ Scalp. Die USA hatten der Ukraine zuvor bereits Streumunition für ihre Offensive gegen Russland versprochen. Das führte allerdings auch in Vilnius zu Diskussionen, weil in den meisten Ländern Streumunition als geächtet gilt.

Positiv reagierte Präsident Selenskyj auf die Ankündigung der G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte zu Sicherheitszusagen, trotzdem sie weit hinter den von ihm gewünschten konkreten Sicherheitsgarantien für sein Land zurückblieben. Diese gingen den USA, Deutschland und den fünf anderen Staaten allerdings zu weit. Solche Garantien hätten zum Beispiel auch die militärische Beistandspflicht aller Mitglieder inklusive der Entsendung von Soldaten im Fall eines Angriffs bedeuten können.

Moderne Waffen für die Ukraine

Nun kann die Ukraine allerdings mit langfristiger militärischer und finanzieller Hilfe rechnen, solange sie noch kein Nato-Mitglied ist. Die G7 stellte Kiew unter anderem moderne Ausrüstung für seine Luft- und Seestreitkräfte in Aussicht. Selenskyj sprach von einem wichtigen Signal. „Wenn die G7-Staaten heute diese Garantien verkünden, dann wird das für uns zu einem wichtigen, konkreten Erfolg“, sagte er.

Der Kreml reagierte prompt und bezeichnete die Sicherheitszusagen der G7 als Gefahr. „Wir halten dies für einen extremen Fehler und potenziell für sehr gefährlich“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen in Moskau. Bei dem Treffen in Vilnius zeigte sich auch, dass der Überfall Russlands weitreichende Konsequenzen für die Nato selbst hat. Am Rande des Treffens wurde die Existenz eines Plans bestätigt, in dem festgelegt ist, wie kritische Orte im Bündnisgebiet geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollen. „Die Verbündeten haben die umfassendsten Verteidigungspläne seit dem Ende des Kalten Kriegs gebilligt“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Vilnius.

Düstere Worte über die aktuelle Lage

In ihrer Gipfelerklärung beschreiben die Staats- und Regierungschefs die aktuelle Lage in düsteren Worten. „Der Frieden im euroatlantischen Raum wurde zunichtegemacht“, heißt es dort. Russland habe mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine gegen die Normen und Grundsätze verstoßen. Definiert wird nun, welche militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung und Abwehr von Angriffen notwendig sind. Neben Land-, Luft- und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen. Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte in Vilnius, die Maßnahmen für mehr Abschreckung und Verteidigung seien einzigartig „seit Beginn des Kalten Krieges in jeder Beziehung“.

Umgesetzt werden sollen die Pläne unter anderem mithilfe einer neuen Streitkräftestruktur. Bereits bekannt war, dass dafür künftig 300 000 Soldatinnen und Soldaten für mögliche Nato-Einsätze in hoher Bereitschaft gehalten werden sollten. Bisher war bei der Nato für schnelle Kriseneinsätze vor allem die schnelle Eingreiftruppe NRF vorgesehen. Für diese stellen die Nato-Mitgliedstaaten derzeit rund 40 000 Soldatinnen und Soldaten.

Die neuen Planungen sehen vor, dass die beteiligten Verbände in der Regel in ihren jeweiligen Heimatländern stationiert bleiben, aber bestimmten Ländern und Territorien zugewiesen werden – zum Beispiel an der Nato-Ostflanke.