Auch nach der Kanalsperre sind Ausschnitte von „Hoss und Hopf“ noch in großer Zahl auf Tiktok verfügbar. Foto: /Eberhard Wein

Tiktok sperrt einen „Hoss & Hopf“-Kanal. Doch das soll nur ein erster Schritt sein. Vor der Europawahl will die chinesische Plattform den Ruf als Fake-Schleuder loswerden.

Nach der am Mittwoch verfügten Sperrung des reichweitenstärksten Tiktok-Kanals der Podcaster „Hoss & Hopf“ dürften viele Eltern von Teenagern ein wenig aufatmen. Doch für die AfD ist der Vorgang „einer der größten Zensur-Skandale der Bundesrepublik“. Nachdem verschiedene Medien eine Kampagne gestartet hätten, „kommt nun die chinesische Einstellung zur Meinungsfreiheit beim Konzern Tiktok zur Geltung“, erklärte der medienpolitische Sprecher der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion, Ruben Rupp, laut einer Mitteilung.

Tiktok rechtfertigte die Sperrung mit einem Verweis auf die eigenen Plattform-Regeln. Die Zusammenschnitte aus der „Hoss & Hopf“-Podcast-Reihe verbreiteten „gefährliche Falschinformationen und gefährliche Verschwörungstheorien“. Für die AfD dürfte es sich wie ein Liebesentzug anfühlen. Denn am Donnerstag legte der Konzern nach. Unter der Überschrift „Wie wir uns auf die Europawahl 2024 vorbereiten“ kündigte Tiktok ein schärferes Vorgehen gegen Falschnachrichten an. Man wolle „einen Ort schaffen, an dem die Community vertrauenswürdige und verlässliche Informationen“ finde. Dafür setze man europaweit mehr als 6000 Mitarbeiter ein, die durch künstliche Intelligenz unterstützt würden.

Tiktok ist fest in blauer Hand

Bisher konnte die AfD gerade auf der chinesischen Plattform schalten und walten. „Tiktok ist blau“, klagte die Sprecherin für Medienpolitik der Grünen-Landtagsfraktion, Catherine Kern. Weil die anderen Parteien aus Furcht vor dem Einfluss des chinesischen Staates Tiktok meiden, erreicht die AfD dort weitgehend ohne Konkurrenz vor allem jugendliche User. Experten führen darauf den zuletzt wachsenden Wahlerfolg der AfD in dieser Alterskohorte zurück. Allein der Kanal des Nagolder AfD-Landtagsabgeordneten Miguel Klauß zählt 260 000 Abonnenten. Sein erfolgreichster Clip: die Präsentation eines Kalenders mit den „zwölf schönsten Abschiebeflugzeugen“.

„Hoss & Hopf“ ist kein originärer AfD-Inhalt. Die beiden Finanz-Influencer, der Stuttgarter Unternehmer Philip Hopf und der nach Dubai ausgewanderte Kryptoinvestor Kiarash Hossainpour, gehören mit ihrem rechtslibertären Weltbild aber zur „kritischen Gegenöffentlichkeit“, wie es Rupp nennt. In AfD-Kreisen haben sie viele Fans. Hopf selbst beschreibt den Podcast, der unter anderem auf Youtube und Spotify läuft, auf Anfrage als „kritisch, polarisierend, freiheitsliebend“. „Ich bin selbst einer der vielen unzufriedenen Bürger dieses Landes und drücke dies klar und auch mal lautstark aus“, sagte er der dpa.

Tiktok lernt aus den Fehlern von Facebook

Der Hamburger Politikberater und Blogger Martin Fuchs erklärte, Tiktok habe offensichtlich aus den Fehlern von Facebook und anderen gelernt und wolle sich im Vorfeld der Europawahl klar vom Ruf einer chinesischen Fakenews-Schleuder absetzen. Allerdings biete der Konzern trotz seiner Bemühungen keine strukturelle Lösung des Problems. Die KI-Systeme seien kaum in der Lage, audiovisuelle Inhalte auszuwerten. „Das ist ein Hase-und-Igel-Spiel“, sagte Fuchs unserer Zeitung. Dies zeige sich auch bei „Hopf & Hoss“, wo in Windeseile neue Kanäle online gingen.

Er habe auch Bauchschmerzen, wenn ein privates Unternehmen festlege, was geäußert werden dürfe und was nicht. „Desinformation ist ja nicht unbedingt justiziabel.“ Wichtiger sei es, die Medienkompetenz zu verstärken. Wenn sich jetzt jede Schule in Deutschland mit dem Fall „Hoss & Hopf“ befasse, sei schon viel gewonnen. Allerdings dürfe man auch nicht alle Probleme den Schulen aufbürden. „Im Grunde bräuchten wir so etwas wie digitale Streetworker“, die den Jugendlichen im digitalen Raum als Ansprechpartner zur Verfügung stünden. Und natürlich: auch die Eltern seien gefragt.