Auf dem Podium: Caroline Autenrieth, Heaven’s-Kitchen-Gründerin Tanja Goldstein, ihre Chefköchin Francine Franz (von links) und Moderatorin Anja Wasserbäch. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Frauen in der Gastronomie: Drei junge Frauen erzählen, wie sie sich als Seiteneinsteigerinnen aus Liebe und Begeisterung für das Kochen durchsetzen und erfolgreich sind.

Caroline Autenrieth hat ihre berufliche Zukunft am Altar und auf der Kanzel gesehen, Tanja Goldstein dirigierte als Kapellmeisterin große Orchester, und Francine Franz kümmerte sich als Kosmetikerin um die Schönheit – bis sie alle ihr Leben völlig umkrempelten und sich der Gastronomie verschrieben haben: Drei junge Frauen, die in der Veranstaltungsreihe „Mittendrin: Frauen in der Gastronomie“ von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten Kulinarikredakteurin Anja Wasserbäch Auskunft über ihr Leben und Rollenverständnis geben und mit ihrer Hingabe, Begeisterung und Kreativität beeindrucken. Und wer enttäuscht ist, weil die Tochter statt Studium eine Ausbildung als Köchin vorzieht, sollte sich diese Vorbilder anschauen.

Frauen sind oft Seiteneinsteigerinnen oder Autodidaktinnen

„In der Gastronomie stehen immer mehr Frauen am Herd“ stellt Anja Wasserbäch fest. Werden Köchin des Jahres wie Douce Steiner oder heimsen andere Auszeichnungen ein wie das Lokal „Heaven’s Kitchen“, das Tanja Goldstein mit dem Pult eingetauscht hat und zusammen mit ihrer Chefköchin Francine Franz dirigiert. Als Seiteneinsteigerinnen und Autodidaktinnen, die sich bei Seminaren kennengelernt und in ihrem Anspruch gefunden haben.

Dabei hatte Francine Franz nur ein lässiges Beauty Café im Sinn. Daraus wurde in Stuttgart zuerst ein kleines veganes Tagescafé und dann ein Gastrounternehmen mit Restaurant und Eventflächen auf mehr als 2000 Quadratmetern. Seit gerade einem Jahr eröffnet, hat es schon „so viele Preise wie vermutlich kein anderes Restaurant in ganz Deutschland abgeräumt, den Deutschen Gastrogründerpreis 2023, den Fizz Award und den Weltverbessererpreis“, klärt Anja Wasserbäch das Publikum in der Brycke auf. Genauso schnell hat die himmlische Küche, vegan und abends ohne Teller auf Packpapier angerichtet, begeisterte Gäste gefunden.

In der Küche liegt das Verhältnis von Männern und Frauen bei 50:50

„Geht es anders zu in der Gastronomie, wenn zwei Frauen den Hut aufhaben?“, will Wasserbäch wissen. Jeder im Team, das 16 Nationen vereine, habe seine Fähigkeiten, betont Goldstein. In der Küche sei das Verhältnis von Männern und Frauen 50:50, im Service überwiege die Weiblichkeit mit 90 Prozent. „Es gibt kein Kompetenzgerangel“, versichert Franz. „Und nicht diese Top-Down-Mentalität“, ergänzt Goldstein. Kein „Wir da oben, ihr da unten“. Dafür sehr viel Arbeit. Aber von den Kollegen in der Stuttgarter Gastronomie erführen sie große Offenheit und Hilfsbereitschaft. Ein erwartungsvolles begeistertes „Aah“ im Publikum löst Caroline Authenrieth mit ihrer Ankündigung aus, dass sie mit ihrem Mann das Traditionslokal „Waldhorn“ in Rohr Ende November wieder eröffnen wird. Als Fine-Dining-Adresse mit schwäbisch, spanisch und französisch inspirierter Küche.

Die Zukunft im Talar schien auf einmal doch zu eng

Den Weg bis dahin ist die Stuttgarter Pfarrerstochter mit traumwandlerischer Sicherheit gegangen. Sie war nach dem Theologiestudium schon Vikarin, als ihr die Zukunft im Talar doch zu eng umrissen erschien: „Ich wollte raus ins Leben, wusste aber nicht, wohin.“ Bis sie im Fernsehen Berichte sah über ein Dreisternelokal in Marseille und über Köche, die in Paris ein großes Diner im Élysée-Palast zubereiteten: „Da wusste ich, dass ich nach Frankreich gehen und kochen lernen wollte.“ Sofort habe sie den Spitzengastronom Vincent Klink angeschrieben und um Rat gebeten. Bekommen hat sie einen Ausbildungsplatz im Restaurant Wielandshöhe.

Und stand drei Tage nach Abschluss der Kochlehre vor genau dem Fischlokal im Vieux Port in Marseille, ihrem Traumziel. „Der Probetag war eine Katastrophe“, erzählt sie jetzt. Bleiben durfte sie trotzdem. Aber es sei hart gewesen. Der Chef nannte sie lange nur „Blonde“, die Blonde, „da muss man sich durchsetzen“. Gearbeitet wurde von 8 Uhr morgens bis 1 oder 2 Uhr nachts, „aber ich habe es geliebt.“ Hier hat sie ihren Mann José Maria Gonzales Sampedro kennengelernt, mit dem sie dann in Paris gearbeitet hat und jetzt nach einer erneuten Station in der Wielandshöhe im Waldhorn startet: „Ich will meine eigenen Strukturen aufbauen“, sagt die Mutter von zwei kleinen Söhnen.

„Wie schaffen Sie es, bei so viel Arbeit nicht kaputt zu gehen?“, macht sich eine Zuhörerin Sorgen um Gesundheit und Wohlergehen der jungen Frauen. „Mit Liebe zum Metier und der Lust, eigene Ideen verwirklichen zu können“, ist sich das Trio einig. „Aber Work-Life-Balance“, stellt Francine Franz klar, „ist da reine Illusion.“

Die nächste Runde: Was sollen wir essen? Pflanzen oder Fleisch?

Thema
Der eine war mal Sternewirt und entschied sich für die französische Bistroküche, der andere war mal Profifußballer und wurde zum veganen Wirt. Gemeinsam mit dem Künstler Tim Bengel betreibt Timo Hildebrand das Restaurant Vhy im Stuttgarter Westen. Gar nicht weit entfernt sind Günther „Obi“ Oberkamm und seine Frau Sabine Gastgeber im Augustenstüble, einem Bistro mit französischer Prägung, in dem das legendäre Boeuf Bourguignon auf der Karte steht. Rein ernährungstechnisch könnten die Herrschaften wohl nicht weiter voneinander entfernt sein. Oder doch nicht? Wie haben es die Veganer mit den Fleischessern? Was braucht eine Stadt wie Stuttgart an kulinarischem Angebot? Und ist vegan ein bloßer Lifestyle-Trend? Alles Fragen, die am 4. Dezember in der Brycke beantwortet werden.

Teilnehmer
Als Gäste haben sich angekündigt: Günter „Obi“ Oberkamm (Augustenstüble), Timo Hildebrand (Vhy), Tim Bengel (Vhy). Moderiert wird die Diskussionsrunde von Anja Wasserbäch, Kulinarik-Autorin der Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Veranstaltungsort ist die Brycke Schmale Str. 9-13, 70173 Stuttgart

Anmeldung
Die Veranstaltung Mittendrin – Fine Dining in Stuttgart ist exklusiv für Abonnentinnen und Abonnenten unserer Zeitung. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Für die Anmeldung müssen Sie sich einmalig mit Ihrer Kundennummer im Internet auf unserem Portal für Abonnentinnen und Abonnenten www.zeitung-erleben.de/mittendrin registrieren.