Ohne Kohlendioxid wird das Bierzapfen schwer. Foto: Fotolia/Kzenon

Die Lebensmittelindustrie – vor allem Getränkehersteller – schlagen Alarm: Kohlensäure wird knapp. Wir erklären, woran das liegt und was hinter dem Kohlensäuremangel steckt.

Die Lebensmittelindustrie, vor allem aber Bier und Mineralwasserhersteller haben am Wochenende Alarm geschlagen: Kohlensäure wird knapp. Wir erklären, warum das so ist, und wofür Kohlensäure benötigt wird.

Wofür wird Kohlensäure genutzt?

Wer Kohlensäure hört, denkt zunächst an die Perlen in sprudelndem Mineralwasser. Dafür wird dem Wasser unter Druck Kohlendioxid (CO2) zugesetzt, wo es teilweise zu Kohlensäure reagiert und später im Mund einen prickelnden Effekt erzeugt. Bei Limonade geschieht dasselbe. Genutzt wird also gar nicht reine Kohlensäure, sondern lebensmittelreines Kohlendioxid. Umgangssprachlich wird beides aber oft vermischt.

Erfunden hat das Verfahren zum künstlichen Zusetzen von Kohlensäure übrigens Ende des 18. Jahrhunderts der in Hessen geborene Silberschmied und Hobbyforscher Jacob Schweppe – nach ihm ist bis heute das von ihm begründete Unternehmen Schweppes benannt. Es gibt allerdings auch natürliche Mineralwässer. In Bier oder Sekt hingegen entstehen die Perlen durch alkoholische Gärung. Allerdings wird Kohlendioxid zum Zapfen von Bier benötigt. Zudem kommt CO2 zum Einsatz, um aus Lagertanks oder Fässern Sauerstoff zu verdrängen.

Wer setzt noch Kohlendioxid ein?

CO2 findet noch an vielen weiteren Stellen in der Nahrungsmittelherstellung Verwendung. So wird es beispielsweise eingesetzt, um die Reifung von Obst bei der Lagerung aufzuhalten. Kohlendioxid ist auch beteiligt, wenn auf Lebensmittelverpackungen etwas von „Schutzatmosphäre“ steht. Auch hier sorgt das Gas dafür, dass die Haltbarkeit von Fleisch, Fisch, Backwaren oder Milchprodukten verlängert wird. Einsatz findet es auch, um Schlachttiere vor der Schlachtung zu sedieren. Und auch bei der Produktion von Trockeneis kommt CO2 zum Einsatz.

Im so genannten überkritischen Zustand unter Druck und erhöhter Temperatur kann Kohlendioxid, das dann einen Zustand zwischen Gas und Flüssigkeit annimmt, zudem giftige Lösungsmittel ersetzen und wird auch genutzt, um Kaffee zu entkoffeinieren. „Kohlendioxid ist ein unheimlich vielfältig einsetzbares Gas“, so ein Sprecher des Industriegaseverbands in Berlin, der weitere Einsatzgebiete beispielsweise in der Pharmazie oder als Löschmittel aufzählt.

Wie wird lebensmittelechtes Kohlendioxid hergestellt?

Kohlendioxid kommt in der Luft und in natürlichen Quellen vor allem in vulkanisch geprägten Regionen vor, es entsteht aber auch als Nebenprodukt industrieller Prozesse wie der Erdöl- oder Erdgasverarbeitung, beim Kalkbrennen oder bei der Energieerzeugung aus Kohle, Öl, Gas oder auch Abfällen.

Lebensmittelreines Kohlendioxid wird vor allem als Nebenprodukt bei der Ammoniaksynthese zur Düngemittelherstellung erzeugt. Genutzt werden aber auch natürliche Vorkommen etwa in Gerolstein in der Vulkanregion Eifel, im rheinland-pfälzischen Bad Hönningen oder im westfälischen Paderborn, wo beispielsweise Linde in Herste CO2 abfüllt. Die dritte Quelle für lebensmittelgeeignetes Kohlendioxid sind Biogasanlagen. Theoretisch ließe sich auch das CO2 aus Kraftwerken entsprechend reinigen – aber das ist deutlich aufwendiger, als die anderen Quellen zu nutzen.

Und warum ist Kohlendioxid aktuell Mangelware?

„Ein Großteil des Kohlendioxids für Lebensmittel stammt aus der Düngelmittelindustrie“, sagt der Sprecher des Industriegasverbands, ohne genaue Anteile zu nennen. Die Düngemittelherstellung wiederum wurde zunächst während der Coronapandemie, dann angesichts steigender Erdgaspreise ab vergangenem Herbst reduziert. „Als die Gaspreise extrem gestiegen sind, haben die Hersteller von Düngemitteln ihre energieintensive Produktion zurückgefahren“, sagt ein Sprecher der Genossenschaft Deutscher Brunnen.

Hinzu kam in den vergangenen Wochen die übliche „Sommerlücke“, wie der Industriegaseverbandssprecher berichtet. Die chemische Industrie nutze die Sommermonate immer zur Überholung ihrer Anlagen. „Aber was wir im Moment sehen, geht deutlich darüber hinaus. Das ist wirklich eine Mangellage.“ Die natürlichen Vorkommen und die Biogasanlagen etwa könnten die Lücke nicht ausgleichen.

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie schlägt Alarm. Im Moment fehlten 30 bis 40 Prozent der ansonsten normalerweise verfügbaren CO2-Menge. Betroffen von dem eklatanten Mangel sei ganz Europa und durchaus nicht nur die Getränkeindustrie. Dramatisch sehe es beispielsweise auch beim Thema Schlachtung aus, wo es keine Alternative zur Betäubung der Schlachttiere gebe. „Da laufen wir in ein Tierschutzproblem“, warnt die Geschäftsführerin der Vereinigung, Stefanie Sabet. Sie fordert die Politik zum schnellen Handeln auf: „Entweder, in dem die Nahrungsmittelindustrie priorisiert beliefert werden muss oder indem die Politik mit staatlichen Mitteln die Düngemittelindustrie wieder hochfährt.“