Dass Landesinteressen beim Kohleausstieg unter die Räder kommen, will Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut nicht hinnehmen. Jetzt sucht sie Unterstützer im Kampf gegen Parteifreund Peter Altmaier.
Stuttgart - Der Bundesrat soll nach dem Willen von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) dabei helfen, die strukturelle Benachteiligung Baden-Württembergs und anderer Länder beim Kohleausstieg doch noch zu verhindern. Deshalb wird der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer an diesem Donnerstag über einen Antrag beraten, den die Stuttgarter Wirtschaftsministerin gemeinsam mit ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland verfasst hat.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dessen Haus den viel kritisierten Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes vorgelegt hat, dürften bei der Lektüre des Länderantrags die Ohren klingen. Nicht nur ist darin generell von einer „unverhältnismäßig nachteiligen Behandlung der Steinkohlekraftwerke“ im Blick auf Höchstsätze, Zeitraum und Degression der Entschädigungszahlungen die Rede. Bei mehr als einem Dutzend Punkten listen die Länder Einwände auf.
Ländern kritisieren mangelnde Entlastung beim Strompreis
Neben der systematischen Ungleichbehandlung von Stein- und Braunkohle, lehnen sie entschädigungsfreie Stilllegungen von Kraftwerken ab, verlangen eine Verlängerung von Ausschreibungen, ausreichende Kompensationszahlungen für die Aufgabe von Kraftwerken und wirksame Anreize für die Umstellung von Kohle auf Gaskraftwerke. Unmut erregt der Bund laut dem Antrag, der unserer Zeitung vorliegt, auch damit, dass die von der Kohlekommission vorgeschlagenen Entlastung beim Strompreis nicht ausreichend umgesetzt werden. Seit Beginn der Energiewende ist Haushaltsstrom laut Statistischem Bundesamt um 27 Prozent, Industriestrom um 31 Prozent teurer geworden.
„Für uns als Wirtschaftsstandort und für die Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg sind Nachbesserungen unabdingbar“, erklärte Nicole Hoffmeister-Kraut gegenüber unserer Zeitung. „Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen und stärkere Anreize für die Kraft-Wärme-Kopplung sowie den Umstieg auf Gas oder erneuerbare Energien, damit wir die Herausforderungen der Energiewende meistern und die Arbeitsplätze im Land sichern können“, sagte sie.
„EU-Klima-Fonds muss auch die Autoindustrie fördern“
Nicht nur die christdemokratische Wirtschaftsministerin, sondern auch Umweltminister Franz Untersteller und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) versuchen in Berlin alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Änderungen am Kohleausstieg zu erreichen. Ein Gespräch im Kanzleramt hat der Regierungschef deswegen schon geführt.
Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut macht sich im Bundesrat überdies für Änderungen des von der Europäischen Union geplanten Just Transition Fund für den Klimaschutz stark. „Die Zielsetzung des Fonds, einen finanziellen Ausgleichsmechanismus für Regionen zu schaffen, die von der Transformation und der Abkehr von fossilen Brennstoffen am stärksten betroffen sind, ist grundsätzlich richtig und wichtig“, betont die Christdemokratin. Allerdings beschränkt sich der Fonds ausschließlich auf Kohleregionen, die unter der Abkehr von fossilen Brennstoffen litten. „Im Gegenzug werden Regionen vernachlässigt, deren Industrien von den Transformationsprozessen hin zu einem klimaneutralen Wirtschaftssystem ebenso stark betroffen sein werden“, so Hoffmeister-Kraut. „Dies gilt insbesondere für Baden-Württemberg mit seiner enorm wichtigen Automobilindustrie und den damit verbundenen Branchen.“ Sie beantragt deshalb, dass diese Regionen von dem Fonds gefördert werden.