Monatelang hat die Regierung darum gerungen, wie der Strom für die Industrie günstiger werden kann. Jetzt steht ein Konzept. Wie sieht das aus?
Die Bundesregierung will den Strompreis für die Wirtschaft durch eine Steuerreform drücken. Geplant ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden. Zuerst hatte das „Handelsblatt“ über die Pläne berichtet.
Die Stromsteuer soll demnach von derzeit rund zwei Prozent auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Prozent gesenkt werden. Davon profitieren nicht nur große Industriekonzerne, sondern auch der Mittelstand.
350 Konzerne sollen zusätzliche Hilfen erhalten
350 Konzerne, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.
Eine weitere Entlastung hatte das Bundeskabinett vor Kurzem beschlossen: So will die Bundesregierung einen Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das soll am Ende auch den Strompreis dämpfen. Netzentgelte sind Gebühren für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen, die an die Verbraucher weitergegeben werden. Alle Entlastungen sollen sich allein im kommenden Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag summieren.
Strompreis in Deutschland einer der höchsten
Über Wege, die Industrie beim Strompreis zu entlasten, hatte die Bundesregierung monatelang gestritten. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Strompreis aktuell ziemlich hoch - sowohl für Verbraucher, als auch für Unternehmen, die teils enorme Mengen an Energie benötigen. Besonders gilt das zum Beispiel für die Chemieindustrie, für Aluminiumwerke und Hersteller von Baustoffen.
Nach Daten der internationalen Energieagentur zahlt die Industrie in Deutschland fast dreimal so viel pro Megawattstunde wie in den USA oder Kanada. In der EU liegt Deutschland im Mittelfeld: Teurer ist Strom etwa in Dänemark und Italien, deutlich günstiger aber in Frankreich.
Der hohe Preis in Deutschland liegt zum einen an der ehemals starken Abhängigkeit von russischem Gas. Deutschland hat nur wenig eigene Öl- und Gasvorkommen, auch Wasserkraft und Sonne können anderswo besser zur Stromerzeugung genutzt werden. Dazu kommen der CO2-Preis, Steuern und Abgaben.
Bundesregierung fürchtet Abwanderung von Unternehmen
Immer mehr große Industriekonzerne denken gerade laut darüber nach, ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Strompreisen zu verlagern. Das könnte Deutschland Arbeitsplätze kosten. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat deshalb bereits im Mai vorgeschlagen, den Strompreis für die Industrie durch staatliche Subventionen künstlich zu drücken. Das sollte vorübergehend bis 2030 passieren - bis die Erneuerbaren Energien so stark ausgebaut sind, dass die Strompreise von alleine sinken. Kostenpunkt: rund 25 bis 30 Milliarden Euro.
Wenig Gegenliebe für ein Habeck-Konzept
Die Pläne des Grünen-Politikers wurden jedoch scharf kritisiert, weil nur rund 2500 besonders energieintensive Unternehmen von den günstigen Preisen profitieren sollten. Der Mittelstand, viele Handwerker und kleinere Firmen würden leer ausgehen. Außerdem bestehe die Gefahr, eine Industrie staatlich zu unterstützen, die gar nicht zukunftsfähig wäre. Die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer sagte, das drohe den dringend nötigen Strukturwandel zu bremsen. Ähnlich äußerten sich auch andere Ökonomen, die etwa bezweifelten, dass Strom auch mit einem erheblichen Ausbau Erneuerbarer Energien je wirklich günstig wird.
Bundeskanzler Olaf Scholz gab zu bedenken, der Ausbau von Wind- und Solarenergie dürfe nicht ins Stocken geraten. Außerdem gehe es um Unternehmen, die viel Gewinn machten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte: „Es steht keine Finanzierung in der Größenordnung zur Verfügung.“ Er brachte die Reduzierung der Stromsteuer ins Gespräch - und zwar für alle „von der Bafög-Empfängerin bis zum Rentner, vom Handwerksbetrieb bis zum produzierenden Gewerbe“.