Es wird immer einsamer um den Ex-Kanzler und Sozialdemokraten Gerhard Schröder. (Archivbild) Foto: imago images/SNA/Alexey Vitvitsky via www.imago-images.de

Gerhard Schröder hat Putin zwar zu einem Ende des Kriegs in der Ukraine aufgefordert - doch von einem Ende seines Engagements für russische Firmen war bisher nicht die Rede. Auch seine baden-württembergischen Parteifreunde haben jetzt genug.

Heidelberg - Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gerät wegen seines Festhaltens an Geschäftsbeziehungen zu Russland immer stärker in die Kritik. Die Heidelberger Sozialdemokraten fordern seinen Parteiausschluss, SPD-Landesparteichef Andreas Stoch kritisiert den Ex-Kanzler scharf und auch beim südbadischen Tunnelbauer Herrenknecht sind die gemeinsamen Tage gezählt.

Schröder gilt als langjähriger Vertrauter und Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er ist unter anderem Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und hat auch Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2. Zudem soll Schröder einen Aufsichtsratsposten für Gazprom übernehmen.

Antrag zum Parteiausschluss bereits gestellt

Der frühere Bundespolitiker distanziere sich nicht klar von Putin, kritisierte der Heidelberger SPD-Kreisvorsitzende Sören Michelsburg am Mittwoch. „Wer Putin unterstützt, der teilt die Grundwerte einer Friedenspartei nicht.“ Ein SPD-Mitglied, das diese Werte missachte und den Krieg eines Autokraten unterstütze, sei für die Partei nicht mehr tragbar. Sein Kreisverband habe daher den Parteiausschluss Schröders beantragt. Auch andere Kreisverbände hätten Interesse an dem Antrag bekundet.

Einen Ausschluss kann jeder SPD-Verband beim Schiedsgericht beantragen - allerdings kann so ein Verfahren langwierig sein, wie etwa der Fall des früheren Berliner SPD-Finanzsenators Thilo Sarrazin zeigt. Sarrazin wurde 2020 aus der Partei ausgeschlossen. Es war nach 2009/10 und 2011 bereits der dritte Anlauf. Die SPD-Spitze hatte Sarrazin vorgeworfen, mit rassistischen und islamfeindlichen Thesen das Ansehen der Partei zu beschädigen.

SPD-Landeschef Stoch zeigte ebenfalls kein Verständnis für den Parteifreund aus Hannover. Er warf dem Ex-Kanzler ein „Versagen gegenüber Putin und seiner Regierung“ vor. „Glaubwürdig wäre Schröder nur, wenn er alle seine geschäftlichen Kontakte zur russischen Regierung sofort abbricht“, sagte Stoch. Er schade durch sein Handeln den Werten der Sozialdemokratie.

Deutliche Kritik auch von der SPD-Spitze im Bund

Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil bekräftigte in einer Fraktionssitzung am Vortag die Forderung an Schröder, seine Mandate niederzulegen, wie es am Mittwoch aus der Partei hieß. „Die Uhr tickt“, sagte Klingbeil laut einem Bericht von „Spiegel online“. Auch Niedersachsen Ministerpräsident und SPD-Chef Stephan Weil und Saar-Vizeministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatten Schröder zur Niederlegung seiner Mandate aufgefordert.

Am Vortag hatte nach mehr als 20 Jahren Schröders langjähriger Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk dem Altkanzler den Rücken gekehrt. Angaben dazu, wie es mit Funk und weiteren bisherigen Mitarbeitern Schröders weitergeht, machte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann nicht. Die Stellen gehören zum Kanzleramt.

Schröder selbst meldete sich nicht zu Wort - allerdings seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim. Sie äußerte sich am Morgen fast wortgleich zum Angriff Russlands auf die Ukraine wie bereits Schröder vor knapp einer Woche. Viele Menschen hätten sie gefragt, „ob mein Mann nicht mit Herrn Putin über den Krieg in der Ukraine reden könnte“, schrieb Schröder-Kim auf Instagram.

Borussia Dortmund entzieht Schröder Ehrenmitgliedschaft

Sie betonte wie zuvor Schröder in einem LinkedIn-Beitrag, der Krieg müsse schnellstmöglich beendet werden. „Aber mit Blick auf die Zukunft gilt, dass die verbliebenen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die zwischen Deutschland und Russland bestehen, nicht gekappt werden.“

Der Tunnelbohrmaschinenbauer Herrenknecht aus Südbaden (Schwanau) teilte mit, Schröder habe sein Mandat des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden niedergelegt. Den Schritt habe er „in einem persönlichen Gespräch und im gegenseitigen Einvernehmen“ mit Vorstandschef Martin Herrenknecht erklärt.

Der Deutsche Fußball-Bund forderte Schröder als Ehrenmitglied des Verbands auf, auf die „Funktionen in russischen Staatskonzernen“ zu verzichten. „Oder im Fall, dass er dazu nicht bereit ist, seine Ehrenmitgliedschaft im DFB“ aufzugeben, wie die beiden DFB-Interimspräsidenten Hans-Joachim Watzke und Rainer Koch schrieben.

Auch Uni Göttingen beschäftigt sich mit Schröder

Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund hat bereits reagiert und entzog Schröder die Ehrenmitgliedschaft. Vereinspräsident Reinhard Rauball habe ihn in einem persönlichen Gespräch über einen einstimmig getroffenen Präsidiumsbeschluss unterrichtet, so der BVB. „Die Übernahme von Führungspositionen in russischen Staatskonzernen durch ein BVB-Ehrenmitglied ist vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und des damit einhergehenden gravierenden Verstoßes gegen geltendes Völkerrecht nicht akzeptabel.“

Daneben beschäftigt sich die Universität Göttingen mit dem Fall Schröder, der dort Jura studiert hatte und einen Ehrendoktortitel besitzt. „Dieser Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen“, teilte die Hochschule mit. Das Nachrichtenportal „The Pioneer“ hatte zuvor berichtet, die Uni prüfe am Mittwoch den Entzug der Ehrendoktorwürde des SPD-Politikers.

„Ein formales Prüfverfahren gibt es bisher nicht. Eine Entscheidung steht heute nicht bevor“, sagte ein Uni-Sprecher. Die naturwissenschaftlichen Fakultäten hatten Schröder den Titel im Jahr 2005 verliehen, weil er sich in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen (1990-1998) für die Förderung der Naturwissenschaften an der Universität eingesetzt habe.