Eine Militärparade mit einer Interkontinentalrakete von Typ Dong Feng 41 findet zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 2019 in Peking statt. (Archivbild) Foto: Xia Yifang/XinHua//pa

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Ängste vor dem Einsatz von Atomwaffen ausgelöst. Friedensforscher des Instituts Sipri verzeichnen eine Trendwende bei der Zahl an einsatzbereiten Atomsprengköpfen. Dabei gerät China in den Blick.

China hat einem Bericht zufolge sein Arsenal an einsatzfähigen Atomwaffen im vergangenen Jahr ausgebaut. Zwar sinke die Gesamtzahl der Atomwaffensprengköpfe weltweit weiter, erklärte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag (12. Juni) anlässlich der Veröffentlichung seines jährlichen Berichts zu dem Thema.

Doch sei die Zahl der nutzbaren Atomsprengköpfe 2022 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – insbesondere in China, hieß es weiter.

„Wir nähern uns dem Ende eines langen Zeitraums der weltweit zurückgehenden Zahl von Nuklearwaffen oder haben es sogar schon erreicht“, sagt Sipri-Direktor Dan Smith.

Atomwaffen weltweit. Foto: ICAN

Weniger nukleare Sprengköpfe, dafür mehr „scharfe“

Die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe im Besitz der Atommächte Großbritannien, China, Frankreich, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan, USA und Russland ging laut Sipri im vergangenen Jahr von 12.710 auf 12.512 zurück. Davon waren demnach allerdings 9576 in „militärischem Lagerbestand für potenziellen Gebrauch“ – 86 mehr als im Vorjahr.

Sipri unterscheidet bei seinen Recherchen zwischen einsatzbereitem Lagerbestand und Gesamtbestand. Zu Letzterem gehören auch ältere Atomwaffen und solche, die für den Rückbau bestimmt sind.

Der Lagerbestand bezeichne die „nutzbaren Atomwaffensprengköpfe und diese Zahlen beginnen leicht zu steigen“, sagte Smith. Die Zahl sei aber noch weit entfernt von den mehr als 70.000 während der 1980er Jahre.

Überblick über die Atommächte und ihre atomaren Arsenale 2023:

Atomare Sprengköpfe insgesamt: 12.512

davon einsetzbar: 3844

davon in Reserve: 8668

China: 410 atomare Sprengköpfe in Reserve

Frankreich: 290 atomare Sprengköpfe

davon einsetzbar: 10

davon in Reserve: 280

Großbritannien: 225 atomare Sprengköpfe

davon einsetzbar: 120

davon in Reserve: 105

Indien: 164 atomare Sprengköpfe in Reserve

Israel: 90 atomare Sprengköpfe in Reserve

Nordkorea: circa 30 atomare Sprengköpfe in Reserve

Pakistan: 170 atomare Sprengköpfe in Reserve

Russland: 5889 atomare Sprengköpfe

davon einsetzbar: 4215

davon in Reserve: 1674

USA: 5244 atomare Sprengköpfe

davon einsatzbar: 1770

davon in Reserve: 3474

Vor allem China rüstet atomar auf

Der Großteil der aktuellen Steigerung ist auf China zurückzuführen, das seinen Lagerbestand von 350 auf 410 Atomwaffensprengköpfe erhöhte. Indien, Pakistan, Nordkorea und in einem geringeren Maße auch Russland erhöhten ebenfalls ihre Lagerbestände, die übrigen Atommächte behielten ihre Zahlen bei.

Russland und die USA verfügen nach wie vor gemeinsam über fast 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit.

Rückschläge bei Verhandlungen über Atomwaffen-Begrenzung

Sipri-Forscher bemerkten zudem, dass diplomatische Bemühungen zur Atomwaffenkontrolle und -abrüstung seit der russischen Invasion der Ukraine Rückschläge erlitten hätten. So stoppte Washington seinen „bilateralen strategischen Stabilitätsdialog“ mit Moskau.

Russland hatte im Februar angekündigt, seine Beteiligung am 2010 abgeschlossenen Atomwaffen-Kontrollvertrag New Start zu beenden – laut Sipri „der letzte verbliebene“ Vertrag, der die strategischen Atomwaffen der USA und Russland beschränkt.

Smith verwies darauf, dass die steigenden Lagerbestände nicht mit dem Krieg in der Ukraine erklärte werden könnten, weil es länger dauere, neue Sprengköpfe zu entwickeln. Zudem seien die Länder mit den größten Erhöhungen nicht direkt vom Krieg betroffen.

Peking hat zuletzt viel in alle Bereiche seines Militärs investiert. „Was wir sehen, ist Chinas Aufstieg zur Weltmacht, das ist die Realität unserer Zeit“, betont Sipri-Direktor Smith.