Die gängige Arbeitskultur mit teils sehr langen Arbeitstagen drängt weibliche Beschäftigte an den Rand. Foto: imago/Panthermedia/diego.cervo

In der digitalen Transformation sind männliche Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft klar begünstigt, besagt eine WSI-Studie. Von der Automatisierung bedroht sind dagegen vor allem Jobs von Frauen.

Frauen und Männer arbeiten heute zwar mit ähnlicher Intensität am Computer: Bei der Verwendung von spezialisierter Software sowie der Nutzung vernetzter digitaler Technologien wie etwa Cloud-Diensten zeigen sich aber große Unterschiede. Insofern sehen weibliche Beschäftigte ihre Berufschancen auf einem weiter digitalisierten Arbeitsmarkt generell skeptisch.

Frauen fühlen sich schlechter auf neue Technologien vorbereitet

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauen gut auf den Umgang mit vernetzten digitalen Technologien vorbereitet fühlen, liegt bei 34 Prozent – unter Männern sind es 49 Prozent. Und Frauen erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit von nur zehn Prozent, dass sich durch Digitalisierung ihre Arbeitsmarktaussichten verbessern, gegenüber 18 Prozent bei Männern. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf der Basis von Befragungen unter rund 4000 Beschäftigten.

„Die digitale Transformation kann die Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt verstärken“, sagt die Studienautorin Yvonne Lott. Derzeit übten 7,1 Millionen Männer, aber nur 4,2 Millionen Frauen Berufe aus, bei denen viele Tätigkeitsanteile von Computern übernommen werden können. Bei Berufen, die häufig von Frauen ausgeübt werden, ist die Spannbreite besonders groß: Während etwa bei Sozialberufen vergleichsweise wenig technisch ersetzt werden kann, ist das Potenzial etwa bei Bürokauffrauen erheblich. Zudem würden Rationalisierungspotenziale in frauendominierten Berufen öfter umgesetzt als in klassischen Männerberufen. Das heißt: Die Automatisierung vernichtet vor allem Jobs von Frauen.

Die WSI-Forscherin Lott fordert daher eine kontinuierliche Weiterbildung in digitalen Technologien, unabhängig vom Geschlecht – denn Frauen erhielten seit langer Zeit seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer. So kämen sie auch seltener zu Beförderungen oder Lohnerhöhungen. Ferner sollten Digital-Kompetenzen verstärkt schon in der frühkindlichen Bildung und an Schulen vermittelt werden. Das mache Ausbildungen oder ein Studium im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) für Frauen attraktiver. Eine geschlechtssensible Qualifizierungsstrategie sei infolge des demografischen Wandels auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.

Herkömmliche Arbeitskultur drängt Frauen an den Rand

Zudem plädiert Lott für eine Arbeitskultur weg von sehr langen Arbeitstagen, zeitlicher Entgrenzung und Stigmatisierung von Teilzeitarbeit, wie sie in der IKT-Branche verbreitet sei. Diese Trends trügen dazu bei, dass selbst in Digital-Unternehmen qualifizierte Frauen an den Rand gedrängt würden.