Rolf Kaltenberger von der Neuen Arbeit und Citydiakonin Doris Beck in den unterirdischen Gewölben der Stiftskirche Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Rund acht Tonnen Kleider kamen innerhalb einer Woche zusammen, nur 500 Kilogramm sind noch übrig. Doch das Projekt „Kleiderkirche“ der Stuttgarter Citykirchen hilft ukrainischen Flüchtlingen nicht nur mit Kleidung.

Die Kleiderausgabe in der Stiftskirche hat etwas Museales: Schuhe reihen sich auf den Steinen der mittelalterlichen Mauerteile in den unterirdischen Gewölben, es ist trotz des hohen Andrangs auf die Kleiderkirche erstaunlich still. „Über die Zeit sind es eher noch mehr Leute geworden“, sagt Doris Beck, Diakonin der evangelischen Citykirchen. „Jetzt pendelt es sich ein, dass wir mit Kindern 110 bis 120 Leute am Nachmittag haben.“

Viele Flüchtlinge haben nur Wintersachen

Dass das Projekt derart schnell an Fahrt aufnehmen würde, erwartete Beck noch nicht, als sie vom Netzwerk „ukraine engagiert“ erfuhr, dass es ukrainischen Flüchtlingen an Kleidung fehle. Mit kleinem Gepäck und Wintersachen sind viele von ihnen vor dem Krieg geflohen, nicht wenige haben nur das, was sie bei der Abreise am Leib trugen. „Ich fing an herumzutelefonieren“, sagt Beck. „Mein zweiter Anruf war bei der Neuen Arbeit.“ Bei dem Sozialunternehmen bot man ihr logistische Hilfe an – entgeltfrei.

Acht Tonnen Kleidung in nur einer Woche

Innerhalb von einer Woche kam bei der Kleidersammlung, die die Stuttgarter Citykirchen organisiert haben, eine immense Menge an Kleidung zusammen. „Wir hatten einen Vierzig-Fuß-Seecontainer, der war zu drei Vierteln voll“, erinnert sich Rolf Kaltenberger, Fachbereichsleiter der Neuen Arbeit für Lager und Logistik. Das sind rund acht Tonnen Schuhe, Hosen und Röcke. „Ich schätze mal, dass wir jetzt noch 500 Kilo haben“, so Kaltenberger.

In der Kleiderkirche bauen Menschen auch Netzwerke auf

Für ihn und Beck war schnell klar: Der soziale Aspekt des Projekts reicht weit über die Kleiderausgabe hinaus. Es sei bei aller Tragik schön zu sehen, wenn die Menschen ein Netzwerk aufbauten, sagt Beck. So etwa die 37-jährige Olga Khalapova, die im März von ihrer Heimatstadt Mykolajiw zuerst nach Moldau, dann weiter nach Deutschland geflohen ist. Sie erfuhr über eine Bekannte von der Kleiderkirche und ist seitdem ehrenamtlich am Empfang tätig. „Es ist eine Beschäftigung“, sagt sie. „Ich hatte einen Job und Pläne, und wenn man hierherkommt, hat man erst einmal nichts zu tun. Das ist ziemlich schwierig.“ Vor allem aber wolle sie etwas zurückgeben von der Freundlichkeit, die sie in Deutschland erfahren habe. Über die Kleiderkirche habe sie in Stuttgart Kontakte knüpfen können. So kann sie auch zuversichtlich sein, was ihre Zukunft in der Stadt angeht, obwohl das Projekt am Freitag zu Ende gehen wird: „Ich bin offen für alles.“