Yves-Patrick Wörner und Daniela Meier gehören zu den vielen Helfen, die sich um die Versorgung der Flüchtlinge in Stuttgart kümmern. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Vor zwei Wochen stieg der siebte runde Geburtstag der Johanniter-Unfall-Hilfe. Statt das Jubiläum zu feiern, kümmern sich die Mitglieder der Hilfsorganisation lieber um die Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge in Stuttgart.

70 Jahre Johanniter! Zu wohl jeder anderen Zeit wäre dies für die Mitglieder der Hilfsorganisation ein Grund zum Feiern gewesen. Nicht doch derzeit. Zu sehr drückt der anhaltende Krieg in der Ukraine auf das Gemüt. Umso größer ist dafür der Wille der Johanniter, den aus diesem Grund in Stuttgart angekommenen und neuankommenden Flüchtlingen zu helfen.

Keine Bettenknappheit, dafür andere Probleme

Längst hat sich die Versorgung der ukrainischen Geflüchteten zum größten Flüchtlingshilfseinsatz in der Geschichte des Regionalverbandes Stuttgart entwickelt. Derzeit sind allein in den Nebenhallen der Hans-Martin-Schleyer-Halle rund 420 Menschen untergebracht. 15 hauptamtliche Helferinnen und Helfer kümmern sich Tag und Nacht um sie. Hinzu kommen jeweils drei Aktive, die sich um die Essensausgabe in den Hotels kümmern, in denen weitere Flüchtlinge untergebracht sind sowie zwei, die die Neuankömmlinge am Hauptbahnhof empfangen. Dort trafen laut Regionalvorstand Yves-Patrick Wörner zwischenzeitlich bis zu 250 Flüchtlinge pro Tag ein. Mittlerweile hat der Zustrom etwas abgenommen. Wörner zufolge kommen derzeit täglich noch rund 80 bis 100 Flüchtlinge per Zug in der Landeshauptstadt an. Daher bestehe momentan keine Gefahr, dass in naher Zukunft die Betten in den Stuttgarter Notunterkünften ausgehen.

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Herausforderungen bei der Versorgung der Menschen gibt es dennoch genügend. So zum Beispiel die Organisation der Kinderbetreuung sowie weiterer Angebote, die darauf abzielen, Mütter mit Kindern zu entlasten sowie den Alltag der Flüchtlinge abwechslungsreicher zu gestalten. Hierfür, aber auch für die Ausgabe von Gütern des alltäglichen Lebens sowie der Essensvorbereitung, suchen die Johanniter weitere Helferinnen und Helfer. Beatrice Weingart, Referentin Marketing und Kommunikation vom Regionalverband Stuttgart, sagt: „Wir sind dankbar für jede helfende Hand, auch wenn jemand nur ein paar Stunden helfen kann.“ Sie bittet Bürgerinnen und Bürger, die vor Ort helfen wollen, sich per E-Mail an ukraine.stuttgart@johanniter.de zu melden. Menschen, die bei der Kinderversorgung mithelfen wollen, benötigen das erweiterte Führungszeugnis. Neben Helfern mangelt es vor allem an Babyprodukten und Hygieneartikeln. Was im Detail benötigt wird, kann unter oben aufgeführter E-Mail-Adresse erfragt werden. Der Zutritt zur Halle ist ohne Voranmeldung nicht möglich.

Dankbarkeit der Flüchtlinge trotz Sprachbarriere unverkennbar

Mangelware sind ebenso Dolmetscher, die Englisch, Polnisch, Ukrainisch oder Russisch sprechen. Dennoch gelinge die Kommunikation mit den Flüchtlingen „sehr gut, gerade die Kinder können gutes Englisch“, findet Daniela Meier, die sich ehrenamtlich um die Versorgung der Flüchtlinge in den Nebenhallen der Hans-Martin-Schleyer-Halle kümmert.

Trotz Sprachbarriere, sei zu erkennen, wie groß die Dankbarkeit der Flüchtlinge ist. „Die Dankbarkeit ist der Wahnsinn“, sagt Meier. So hätten die Menschen Herzen aus Händen gebildet, um ihre Dankbarkeit zu zeigen. Zudem hätten die Kinder angeboten, ihr Essen und Trinken mit den Helferinnen und Helfern zu teilen. Weil die Flüchtlinge jedoch mitbekommen, was tagtäglich in ihrem Heimatland geschieht, sei die Stimmung bedrückt, vor allem bei den Erwachsenen. Daher versuchen die Johanniter immer wieder, mit besonderen Aktionen die Laune der Flüchtlinge zu heben. Beispielsweise organisierten einige Helferinnen und Helfer für die in den Nebenhallen der Schleyer-Halle untergebrachten Flüchtlinge anlässlich Ostern einen Eismann.

Dennoch, so die Wahrnehmung der Johanniter vor Ort, können es die Flüchtlinge kaum erwarten, in die Ukraine zurückzukehren, um dort mit dem Wiederaufbau ihres Heimatlandes zu beginnen. Bis es so weit ist, werden sich die Johanniter weiter um die Flüchtlinge kümmern. Denn anders als die Versorgung derer, die (fast) alles verloren haben, kann das Feiern des eigenen Jubiläums warten. Hatte doch schon bei der Gründung der Johanniter-Unfall-Hilfe 1952 die Verbesserung der Gesundheitsversorgung oberste Priorität. Auch wenn damals noch der Fokus auf der Erste-Hilfe-Ausbildung von Polizei, Feuerwehr und der breiten Bevölkerung lag. Der Geschichte ist sich auch Beatrice Weingart bewusst, die bereit ist, mit den Feierlichkeiten auch bis zum nächsten Jubiläum der Hilfsorganisation zu warten. Das steht im Jahr 2027 an.

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