Der Stiko-Chef Thomas Mertens geht davon aus, dass für alle ab 18 Jahren angeraten wird. Foto: imago images/teutopress/teutopress GmbH via www.imago-images.de

Die Ständige Impfkommission will offenbar eine Corona-Drittimpfung für alle über 18-Jährigen empfehlen. Die Entscheidung kommt aber erneut spät.

Berlin - Welche Impfungen sind aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert? Für diese Frage ist seit Jahrzehnten die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut (RKI) zuständig. In der Pandemie hat das Gremium aus 18 ehrenamtlichen Mitgliedern neue Bedeutung gewonnen. Und so hat die Stiko ihre Empfehlungen zur Impfung gegen Covid-19 auch schon zwölfmal aktualisiert.

Stiko hängt den Ereignissen hinterher

Doch obwohl die Kommission nicht mehr drei- bis viermal im Jahr tagt und mitunter Jahre für eine Empfehlung braucht – so war es vor der Pandemie –, sondern regelmäßig berät, hinkt sie den Ereignissen hinterher. So war es, als im Sommer die Impfung der 12- bis 17-Jährigen im Raum stand. Damals hatte die Sächsische Impfkommission die Immunisierung aller Jugendlichen empfohlen, während die Stiko eine Zeit lang dazu riet, sie nur eingeschränkt vorzunehmen – also zum Beispiel bei einer Vorerkrankung eines Jugendlichen. Erst am 16. August empfahl die Stiko, alle 12- bis 17-Jährigen zu impfen.

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Dieser Gegensatz tauchte zuletzt beim sogenannten Booster auf. Ende Oktober erklärten die Experten in Sachsen: Die Auffrischung ist für alle sechs Monate nach dem zweiten Piks sinnvoll. Die Stiko empfiehlt sie bislang nur für über 70-Jährige, Bewohner von Pflegeeinrichtungen und medizinisches Personal. Überraschend gab aber Stiko-Chef Thomas Mertens am 16. November in einer ZDF-Talkshow zu verstehen, dass sich das ändern wird – und zwar so, dass der Booster von der Stiko für alle ab 18 Jahren angeraten wird. Darüber wollte die Kommission am Mittwoch beraten, eine Pressemitteilung dazu soll es an diesem Donnerstag geben.

Erstaunlich, dass Mertens vorprescht

Dass Mertens nun vorprescht, ist erstaunlich. Immerhin heißt es in der Geschäftsordnung des Gremiums, dass die Mitglieder verpflichtet sind, „über die ihnen bekannt gewordenen Angelegenheiten, insbesondere Gegenstände und Inhalt der Beratungen sowie Beschlussentwürfe der Kommission, Verschwiegenheit zu wahren“. Rätselhaft ist auch, warum die Stiko mehr Zeit braucht, um zu Empfehlungen zu kommen, als die Sächsische Kommission oder vergleichbare Gremien in anderen Staaten.

Zuletzt gab es jedenfalls ein Impfwirrwarr, wie man es vor der Pandemie nie erlebte: Manche Ärzte folgen strikt der Stiko-Linie beim Booster, andere und auch manche Impfzentren immunisieren jeden, und das auch vor Ablauf der sechs Monate. Geht es nach Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), sollen die Praxen dabei die Frist von sechs Monaten nur als „Richtschnur“ verstehen.