Corona-Beschränkungen lockern? Nicht vor Ostern, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Doch was sagen eigentlich die Bürger dazu? Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht angesichts der Infektionszahlen bis Ostern keine Chance Corona-Beschränkungen aufzuheben. Was die einen als realistisch einschätzen, ärgert andere, wie eine Umfrage in Stuttgart zeigt.

Stuttgart - Es gibt einen neuen Höchststand. Am Mittwochmorgen meldeten die Gesundheitsämter 208 498 Corona-Fälle in 24 Stunden laut Robert-Koch-Institut (RKI) und eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1227,5. Noch am Vortag lag der Wert bei 1206,2, vor einer Woche bei 940,6. Angesichts dieser Dynamik hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag „haltlosen Ausstiegsdebatten“ eine Absage erteilt. Ein Debatte über Exitstrategien vom Zaun zu brechen, so erklärte er, wäre völlig unangemessen, sende das völlig falsche Signal. Bis mindestens Mitte April, also bis Ostern, sehe er keinerlei Chancen für das Ende von Corona-Beschränkungen.

Manche wollen lieber gar nichts sagen

Darüber gehen die Meinungen nicht nur im Landtag von Baden-Württemberg auseinander. Das tun sie auch in der Bevölkerung, wie eine Umfrage in Stuttgarts Innenstadt zeigt. Manche möchten ihre Aussagen nicht gedruckt sehen. „Ist mir zu politisch“, so ein Ravensburger im Vorbeigehen, während eine Stuttgarterin bekundet, sich eine Meinung gebildet zu haben. „Ich sage sie nicht, weil ich nicht weiß, ob sie richtig ist. Ständig ändert sich was, und es wird so viel verbreitet.“

Erseka Büci äußert sich indes klar. Die junge Mutter ärgern Kretschmanns Äußerungen. „Jetzt ist mal gut!“, so die 32-jährige Pharmazeutisch-technische Assistentin. „Ich halte nichts von Lockdowns. So viele Leute wurden in den Ruin getrieben, wir sollten endlich öffnen, uns ein Beispiel an anderen Ländern nehmen.“ Ganz anders sieht das Bernd Ruisinger, Naturwissenschaftler in Rente. Er bezeichnet die Einschätzung Winfried Kretschmanns als realistisch. „Die Welle ist längst nicht vorbei“, so der Freiburger. „Die Maßnahmen fallen zu lassen, ist zu früh und gefährlich, weil das Geschehen zu dynamisch ist. Längst ist nicht klar, was noch nachkommt. Das griechische Alphabet hat noch einige Buchstaben in petto.“ Auf diesem Standpunkt steht auch Konstantin Weiß, der „seit 1948“ Stuttgarter ist. Immer wieder habe es Überraschungen mit dem Virus gegeben, die Welle sei noch nicht auf dem Scheitelpunkt. „Der Faktor Unsicherheit ist einfach derzeit zu groß. Vieles ist nicht vorhersehbar, daher sollten wir vorsichtig sein. Andere Länder, die sich nun Öffnungen leisten, haben wesentlich mehr Geimpfte.“

Aussage Kretschmanns wird kritisch gesehen

Die Wichtigkeit des Impfens betont auch Gérômé Wegener. Je höher die Quote, umso eher könne man öffnen, so der 27-Jährige, der als Projektleiter im Kundenservice tätig ist. Dennoch würde er sich wünschen, dass nicht strikte Zeitpunkte gesetzt würden, sondern alle zwei Wochen überprüft würde, wie sich die Situation entwickelt. Die Menschen seien angespannt. „Was man von den Intensivstationen hört, so sind die nicht mehr so voll, da hat sich die Lage entspannt. Gut, dass die Sperrstunde im Land gefallen ist. Das nimmt schon mal Druck raus bei einigen Leuten.“ Ähnlich argumentieren Helga und Dieter Bergmann. Letzterer sieht Kretschmanns Aussage kritisch. „Die ist mir zu starr.“ Die Dänen hätten just alle Beschränkungen fallen lassen – trotz höherer Inzidenzen. „Zugegeben, mit höherer Impfquote; aber bis Ostern sind es noch zwei Monate. So weit im Voraus kann ich mich nicht festlegen. Zumal Gerichte in den Ländern auch schon Einschränkungen gekippt haben.“ Gerade wegen der Dynamik müsse man stets neu die Lage anschauen. Seine Frau ergänzt: „Mit Augenmaß!“