Im Volksmund hieß er der „braune Conrad“: der Freiburger Erzbischofs Gröber ist immer noch umstritten. Foto: Erzbischöfliches Archiv

Mehrere 100 Konstanzer Haushalte und Betriebe bekommen eine neue Adresse. Der Gemeinderat ändert wegen der historischen Belastung sechs Straßennamen. Betroffen ist auch die Straße des einstigen Erzbischofs.

Die Stadt Konstanz tilgt den Namen des einstigen Erzbischofs Conrad Gröber (1872-1948) aus ihrem Stadtplan. Am Donnerstagabend sprach sich eine Mehrheit des Gemeinderats dafür aus, die Conrad-Gröber-Straße, die vom verkehrsreichen Sternenplatz am Bahndamm entlang zur Seestraße verläuft, umzubenennen. 2019 hatte die Stadt Gröber, der auch Pfarrer am Konstanzer Münster war, schon von der Liste der Ehrenbürger gestrichen.

Der „braune Conrad“, wie er im Volksmund schon zu Lebzeiten genannt worden sein soll, sei „ein Nationalist, Antijudaist und auch ein Antisemit“ gewesen, sagte der Grünen-Stadtrat Peter Müller-Neff. Auch der erste Nachkriegs-OB Franz Knapp (CDU), der Kreuzlinger Bezirksstatthalter Otto Raggenbass, der Volkswirtschaftler Werner Sombart, der Motorkonstrukteur Felix Wankel und der Reichspräsident Paul von Hindenburg verlieren wegen ihres Verhaltens im Nationalsozialismus ihre Gassen und Straßen.

Der OB fragt seinen Vater

Allerdings war die Entscheidung umstritten. Der Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, mit Ausnahme der Knapp-Gasse, in der niemand wohnt, alle Straßennamen beizubehalten. Stattdessen sollten erklärende Zusatztafeln angebracht, die sich kritisch mit den Namensgebern auseinander setzen. Dazu hatte sich 2019 auch die Stadt Freiburg entschieden, wo es ebenfalls eine Conrad-Gröber-Straße gibt. „Wir greifen in das Leben von hunderten Menschen und Betrieben ein“, warnte Burchardt. Sie müssten nun ihre Adressen, Bankverbindungen und Visitenkarten ändern. Wenn man die Bürger schon beteilige, solle man auch deren ablehnende Stimmen zur Kenntnis nehmen, sagte die CDU-Stadträtin Heike Rawitzer. Allerdings hatten sich außer in der Wankel-Straße, wo viele Betriebe ansässig sind, kaum Anwohner gemeldet. Ein Teil der Umstellungskosten soll den Betrieben nun von der Stadt ersetzt werden.

Der OB verwies auch auf die Expertise seines Vaters Lothar, bis zu seiner Emeritierung Lehrstuhlinhaber für die Geschichte der Neuzeit an der Uni Konstanz. Auch dieser rate von einer Umbenennung ab. Die Konstanzer Straßenkommission unter Leitung des Stadtarchivars Professor Jürgen Klöckler hatte hingegen in allen Fällen die Voraussetzungen für eine Umbenennung bejaht.

NS-Fan oder NS-Gegner?

Im Fall von Gröber ist sich die Geschichtsschreibung allerdings nicht einig. So hatte der Würzburger Kirchenhistoriker Dominik Burkard zuletzt ein deutlich differenzierteres Bild von dessen Wirken gezeichnet. Tatsächlich hatte der Freiburger Erzbischof den Nationalsozialismus anfangs zwar freudig begrüßt, dann aber als einer der ersten Bischöfe in Deutschland gegen den Judenboykott und die Euthanasie gepredigt. Die badische Gauleitung hielt den Erzbischof für ihren größten Gegner. „Die Stadt blamiert sich in Grund und Boden“, lautete Burkards Urteil.

Neuer Namensgeber der Straße wird der jüdische Architekt Josef Picard (1879-1946), der sich in Konstanz – so lange man ihn ließ – vielfach engagierte und als Initiator der gemeinnützigen Konstanzer Wohnungsbaugesellschaft Wobak gilt. 1940 musste er emigrieren. Die Hindenburg-Straße wird künftig Matthias-Erzberger-Straße heißen, benannt nach dem 1921 von Rechtsradikalen ermordeten Reichsfinanzminister.

Und was sagt das Erzbistum?

Auch für die anderen Straßen fanden sich Namensgeber aus der südwestdeutschen beziehungsweise Konstanzer Geschichte. Im digitalen Zeitalter seien solche Namen aber alle nicht praktikabel, fand der OB. „Haben Sie mal versucht, einen Bindestrichnamen ins Handy einzutippen?“ Das Erzbistum kommentierte die Konstanzer Entscheidung nicht. „Wir setzen uns selbst intensiv mit unserer Geschichte auseinander“, sagte ein Sprecher. „Die Bewertung historischer Ereignisse und Personen ist immer ein Prozess und niemals abgeschlossen.“