Trotz Aufklärung und moderner Medizin halten sich Mythen über die weibliche Menstruation hartnäckig – auch über Beschwerden wie PMS. Die Münchner Frauenärztin Stephanie Eder klärt im Interview auf.
Die Münchner Frauenärztin Stephanie Eder klärt in Schulen Mädchen in Sexualpädagogik auf. Unter anderem spricht sie mit den Schülerinnen auch über die Periode. Rund die Hälfte der Menschheit menstruiert für circa 40 Jahre jeden Monat einmal für mehrere Tage. Trotz fortgeschrittener Aufklärung und moderne Medizin halten sich manche Mythen über die weibliche Menstruation hartnäckig.
Frau Eder, welche Mythen über die Periode gibt es in Deutschland immer noch, obwohl diese medizinisch nicht stimmen?
Wenn ich an Schulen zur Sexualaufklärung bin, frage ich die Mädchen immer, ob sie wissen, warum wir eine Periodenblutung haben. Viele sagen dann immer noch, dass die Blutung dafür da sei, weil der Körper der Frau sich einmal im Monat reinigen müsse. Das zeigt, dass wir immer noch eine tendenziell negative Einstellung zur Periode haben, würde das doch bedeuten, wir Frauen sind jeden Monat schmutzig. Vieles hält sich dann auch bis ins Erwachsenenalter. Zum Beispiel denken Frauen häufig noch, es sei schädlich, wenn beispielsweise durch die Hormonspirale oder die Pille keine echte Blutung mehr stattfindet. Sie halten es für schädlich, nicht zu bluten. Manchen Frauen kommen die Verhütungsmittel auch immer noch unnatürlich vor.
Viele Frauen haben jeden Monat unglaublich starke Beschwerden, manche kommen nur mit Schmerzmitteln durch den Tag. Auch viele Frauenärzte sagen dazu, dass sei normal. Inzwischen weiß man aber: So ist das nicht.
Im Durchschnitt haben wir unsere Periode von circa zwölf Jahren an bis wir 50 sind. Also 40 Jahre ihres Lebens bluten Frauen. Die Jahre sollten wir so angenehm wie möglich gestalten. Wichtig ist da vor allem eine adäquate Menstruationshygiene. Ein weit verbreiteter Glaube ist da auch, dass Tampons schädlich sind. Vor allem Mütter aus dem muslimischen Kulturkreis sagen ihren Töchtern noch, dass sie keine Tampons benützen dürfen, aus Furcht, dass das sogenannte Hymen, das Jungfernhäutchen, reißen könnte. Aber auch Mütter aus dem westlichen Kulturkreis haben oft noch Respekt vor dem Tampongebrauch bei ihren jungen Töchtern.
Vieles rund um die Periode ist gerade für Mädchen noch sehr schambehaftet.
Ja, ich kenne das auch von meiner Tochter. Da werden die Tampons in der Schule unter der Bank in der fest verschlossenen Faust weitergereicht. Und ich musste mal für sie an der Tankstelle Binden kaufen. Ich fand es tatsächlich selbst ein bisserl komisch – auch als erwachsene Frau und Frauenärztin. Das dürfte mir doch nicht mehr peinlich sein.
Aber sind wir da heute nicht schon weiter? Können junge Frauen heute nicht offen mit ihrer Menstruation umgehen?
Ja und Nein. Mein älterer Sohn wusste zum Beispiel immer, wenn die Mädchen in der Schule ihre Tage hatten oder ob sie Probleme mit Tampons haben. Da wurde ganz offen darüber gesprochen. Ich denke, es hängt sehr viel auch damit zusammen, wie der Umgang damit zu Hause in der Familie ist. Also ob Mädchen vermittelt wird, dass die Periode nichts Peinliches oder Beschämendes ist. Aber eine Patientin hat mir auch mal erzählt, dass ihre Tochter ihr nicht erzählt habe, dass sie nun ihre Periode hat. Also so frank und frei ist das alles noch nicht. Bei der Schulaufklärung stelle ich oft fest, dass manche Mädchen in der fünften Klasse nicht einmal wissen, ob ihre Mutter zum Beispiel Tampons oder Binden benützt.
Für viele Frauen sind die Periode und die damit einhergehenden Beschwerden ihr ganzes Leben lang lästig, trotzdem sind viele nicht gerade froh darüber, wenn die Menstruation nach den Wechseljahren ganz aufhört.
Viele Patientinnen sagen tatsächlich „Den Mist brauche ich nicht mehr“, gerade wenn sie schon Kinder haben. Aber dann kommt natürlich auch der Gedanke „Bäääm, jetzt bin ich alt“. Die fruchtbare und reproduktive Phase ist damit endgültig vorbei. Da ist bei vielen schon eine große Ambivalenz vorhanden. Und manche haben wirklich ein großes Thema damit, wenn die Menstruation ganz aufhört. Viele müssen sich an diese Umstellung gewöhnen, sie haben vielleicht Hitzewallungen, Schlafstörungen, die Stimmung leidet und sie nehmen leichter zu. Die Körpersilhouette verändert sich, auch weil die Muskelmasse abnimmt.
Während der Pandemie berichteten Frauen von starken Probleme nach den Corona-Impfungen mit ihrer Periode. Das hat zu Verunsicherung geführt. Gibt es immer noch zu wenig Wissen und zu wenig Forschung über PMS (prämenstruelles Syndrom) und die Menstruation?
Im Zuge der Corona-Impfungen berichten immer wieder geimpfte Frauen über Veränderungen in ihrer Periode. Studien haben inzwischen gezeigt, dass eine Corona-Impfung den weiblichen Zyklus kurzzeitig verlängern kann, nicht aber die Blutungsdauer. Leichte Veränderungen in der Periode nach Impfungen sind nicht ungewöhnlich, auch weil das Immun- und Hormonsystem miteinander vernetzt sind. Es gibt inzwischen viel Forschung. Aber manche Themengebiete sind nicht gänzlich durchdrungen. Gerade beim Thema PMS wurde eben noch nicht die ideale Lösung gefunden. So sind beispielsweise beim PMS und auch bei Endometriose noch ganz viele Fragen offen, vieles noch ungeklärt.
Was macht die Endometriose so unberechenbar als Krankheit?
Bei der Endometriose befindet sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter an Stellen, an denen sie nicht hin gehört, z.B. am Darm, der Blase oder an den Beckenwänden. Nur durch eine Bauchspiegelung kann man die Diagnose wirklich sichern, weil man dann Gewebeproben entnehmen kann. Nicht bei allen Patientinnen mit Beschwerden drängt sich gleich eine OP auf. Auch ist die Endometriose nach wie vor nicht heilbar, sondern eine chronische Krankheit. Man kann sie nur in Schach halten. Die Endometriose ist eine vielgestaltige Krankheit und in ihren Symptomen und Ausprägungen wie ein Chamäleon. Viele haben jeden Monat üble Schmerzen während der Periode oder auch immer beim Sex oder sie können keine Kinder kriegen.
Aber auch viele, die keine Endometriose haben, leiden jeden Monat sehr.
Menschen sind verschieden. Manche Frauen kennen überhaupt keine Periodenschmerzen, andere haben es jeden Monat. Statistisch ist ersteres aber die Ausnahme. Rund 20 bis 30 Prozent leiden an Schmerzen, rund zehn bis 20 Prozent haben richtig starke Probleme. Viele müssen ausprobieren, was ihnen hilft. Bei manchen helfen Schmerzmittel, bei manchen nicht. Ich würde mir wünschen, dass wir jeder Frau so helfen können, dass sie jeden Monat während ihrer Periode normal arbeiten kann und in ihrer Lebensqualität nicht beeinträchtigt ist. Wichtig ist, Beschwerden in der frauenärztlichen Praxis offen anzusprechen.
Es gibt ja auch immer wieder die merkwürdigsten Fälle von PMS...
Ja, genau. Vor einigen Jahren gab es mal einen sehr speziellen Fall, der veranschaulicht, welchen individuellen Einfluss Hormone auf die Psyche und den Körper haben: Eine Patientin hatte eine Menstruationspsychose. Jedes Mal hatte sie während ihrer Periode enorme psychische Probleme mit Ängsten und Stimmungsschwankungen und musste mitunter sogar stationär psychiatrisch behandelt werden. Das Einzige, was ihr half, war die Pille im Langzeitzyklus, wodurch Hormonschwankungen gemildert wurden und die Menstruation komplett unterdrückt wurde. Es ging ihr richtig gut damit. Als sie mit 23 schwanger werden wollte, hat sie die Pille abgesetzt – und die Psychose kam glücklicherweise nicht wieder. Aber das ist wirklich ein ganz seltener Fall. Den meisten Frauen kann man einfacher helfen. Und es ist völlig in Ordnung, an ein bis zwei Tagen im Monat mal zwei Ibuprofen zu nehmen. Da spricht überhaupt nichts dagegen. Einige Frauen wollen partout keine Schmerzmittel nehmen. Sie sind aber eine gute Behandlungsoption, neben anderen – man muss wirklich nicht komplett in der Ecke hängen.
International Erfahrung gesammelt
Leben
Nach ihrem Abitur und während des Medizinstudiums in München sammelte Stephanie Eder zunächst internationale Erfahrung im Mount Sinai Hospital in New York, am Maple Leaf Hospital in Kangra (Indien) und an der Universität von Pretoria in Südafrika. An der Kreisklinik München-Pasing absolvierte sie ihre Facharztausbildung. Nach ihrer Facharztprüfung 2002 und zwei weiteren Klinikjahren ist sie seit April 2004 als niedergelassene Frauenärztin in München tätig. Sie ist Mitglied des Berufsverband für Frauenärzte und der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung.
Aufklärung
Als Mutter von drei Kindern liegt Stephanie Eder insbesondere die Aufklärungs- und Präventionsarbeit mit Jugendlichen am Herzen. Tätigkeitsschwerpunkte in der Praxis sind neben der allgemeinen Gynäkologie die Kinder- und Jugendgynäkologie sowie die Teenager-Sprechstunde. (nay)