Man könnte meinen, dass der NeckartalRadweg in Münster viel Platz bietet. Da er jedoch in beide Richtungen genutzt werden darf, ist er aus Sicht der ADAC-Tester zu schmal. Foto: Sebastian Steegmüller

ADAC hat Radrouten in zehn Großstädten untersucht. Auch im Neckartal besteht Verbesserungsbedarf.

Bad Cannstatt - Immer mehr Menschen steigen auf das Fahrrad oder E-Bike um. Der ADAC hat daher in zehn deutschen Großstädten insgesamt 120 Routen unter die Lupe genommen. Das wichtigste Kriterium der Untersuchung: Haben die Verkehrsteilnehmer genug Platz. Denn „breitere Radwege erhöhen die Sicherheit“, so Holger Bach, Abteilungsleiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Württemberg.

Als Maßstab dienten die geltenden Standards für Regel- und Mindestbreiten, die in den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010) festgelegt sind. So sollen zum Beispiel Radwege, die nur in einer Richtung befahren werden dürfen, mindestens 1,6 Meter breit sein, im Regelfall zwei Meter. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. Nicht einmal 36 Prozent der Radwege erfüllen diese Mindestvorgabe. Die Regelbreite erreichte oder überschritt sogar nur jeder fünfte Radweg.

Kiel vorbildlich

Wie es richtig geht, zeigte sich einzig allein in Kiel. In der Hafenstadt ist keine der befahrenen Routen durchgefallen. Ganz anders sieht es in Mainz und Hannover aus, die beiden Städte stellten mit einer mangelhaften Bewertung die Schlusslichter des Tests dar. Und wie sieht es in Stuttgart aus? Die Schwaben-Metropole erhielt neben Bremen, Dresden, Erfurt, München, Saarbrücken und Wiesbaden die Testnote „ausreichend“. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt haben die ADAC-Prüfer zehn Routen mit insgesamt mehr als 43 Kilometer Länge bewertet und kamen zu dem Ergebnis, dass 31 Prozent der Radwege zu schmal seien und die empfohlenen Mindestbreiten nicht eingehalten würden. Zudem bemängelten die Tester einen weiteren Aspekt: Wuchernde Pflanzen und Bäume – der Test fand im Herbst statt – sowie schlecht angebrachte Verkehrsschilder und Masten behindern die Radfahrer.

Typische Wege des Alltagslebens

Ausgewählt wurden in Relation zur Einwohnerzahl zwischen 10 und 18 Testrouten pro Stadt. Laut des ADAC-Experten repräsentieren sie typische Wege des Alltagslebens zur Schule, Uni, Arbeit, Einkauf, Besuchen oder Freizeit. Ihre Länge beträgt durchschnittlich zwischen 3,5 und 4,5 Kilometer. Die Wohngebiete wurden nach Dichte der Besiedelung gemäß Zensus ausgewählt. Die Arbeitgeber und Schulen nach Mitarbeiter- und Schülerzahl. Diese wurden dann gemäß einheitlicher Testsystematik für die Routen miteinander verbunden. Grundsätzlich sind die ADAC-Tester dabei den Vorschlägen der Radroutenplaner gefolgt, sofern diese nicht zu große Umwege beinhalteten.

Viele breite Radwege

Vier der zehn getesteten Strecken verlaufen durch Bad Cannstatt. Unter anderem radelten die ADAC-Experten vom Uffkirchhof zur Daimler AG in der Mercedesstraße. Die Route wurde mit „gut“ bewertet, da sie meist auf sehr breiten Geh- und Radwegen beziehungsweise Gehwegen, die für Radfahrer freigegeben sind, verläuft. Negativ sei nur ein 200 Meter langer Abschnitt auf der Alten Untertürkheimer Straße, gegenüber des Daimler-Parkhauses, aufgefallen. Hier war der Gehweg zwar für Radfahrer freigegeben, aber nur 1,8 beziehungsweise zwei Meter breit. „Generell sollten gemischte Führungen mit Fußgängern vermieden werden, da diese ein hohes Konfliktpotenzial bergen“, sagt Bach.

Wenig Platz auf der Altenburger Steige

Die zweite Route, die vom Breuninger in der Innenstadt bis zum Hallschlag führt, schnitt mit „gut“ ab. Vor allem die Fahrt durch den Schlossgarten und den Rosensteinpark hat den ADAC-Testern aufgrund der breiten Wege offenbar gefallen. Ein Manko sei die „schlechte Führung“ im Verlauf der Altenburger Steige gewesen. Zwischen der Brückenstraße und dem Skaterpark ist der Gehweg, der für Radfahrer freigegeben ist, 1,7 beziehungsweise sogar nur 1,45 Meter breit. Zusätzlich gab es auf diesem Abschnitt auch viele Hindernisse durch Schilder, Masten sowie eine Engstelle durch Bewuchs mit einer Restbreite von nur noch 60 Zentimetern.

Engstellen rund um die Gaisburger Brücke

Nur mit ausreichend wurde die Route, die größtenteils auf dem Neckarradweg von der Cannstatter König-Karls-Brücke nach Mühlhausen führt, bewertet. Weitestgehend seien die Geh- und Radwege breit genug, doch gerade der Abschnitt auf Höhe des Kraftwerks sei mit Maßen um die Mindestbreite von 2,5 Metern – schwankend zwischen 2,8 bis 2,05 Metern – viel zu schmal. Auch der anschließende Zweirichtungsradweg in Münster unterschreite das Mindestmaß und entspreche somit nicht den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Das Testurteil „gut“ hat indes die Route, die von der Mercedes-Benz-Arena tief in den Stuttgarter Osten führt, erhalten. Und das, obwohl Radfahrer teilweise auf die Straße ausweichen mussten. Doch auch hier stimmten die überwiegend breiten Rad- und Gehwege die ADAC-Tester positiv. Schwachstellen fanden sich rund um den Gaskessel: Der Abschnitt an der Gaisburger Brücke ist auf rund 400 Metern nur 2,3 Meter breit und damit unter ERA-Mindestmaß. In zwei Bereichen ist der Weg sogar nur etwa 1,7 Meter breit. Zusätzlich finden sich auf der Talstraße zwischen Mercedesstraße und Haußmannstraße viele Hindernisse wie Poller und Masten.

Mindestbreite sollte Ausnahme sein

Egal, auf welcher Strecke die ADAC-Tester durch die Landeshauptstadt unterwegs waren, immer wieder mussten sie ihr Rad durch Engstellen manövrieren. Dass es noch einiges zu tun gibt, um das Radfahren in Stuttgart attraktiver zu machen, war allerdings schon vor der Untersuchung des Verkehrsclub klar. Holger Bach rät, beim Bau neuer Radwege verstärkt auf die Einhaltung der Regelbreiten zu achten. „Die Mindestbreite sollte nur eine Ausnahme sein.“ Für viel genutzte Radwege seien bei der Planung außerdem entsprechende Breitenzuschläge einzurechnen, um sicheres Überholen breiterer oder unterschiedlich schneller Fahrzeuge, wie Lastenräder, Räder mit Anhänger oder auch E-Scootern, zu ermöglichen.