Abwurf von Hilfsgütern über dem Gazastreifen. Foto: -/petra/dpa

Der Verteidigungsminister hat grünes Licht für Hilfsflüge über dem Gazastreifen gegeben. Zum Ende der Woche hin soll die Luftwaffe humanitäre Lieferungen an Fallschirmen in das Kriegsgebiet bringen.

Berlin - Die deutsche Luftwaffe soll sich noch in dieser Woche mit Transportflugzeugen am Lastenabwurf dringend benötigter Hilfsgüter in den Gazastreifen beteiligen. "Den Menschen in Gaza fehlt es am Nötigsten. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass sie Zugang zu Nahrung und Medikamenten bekommen", teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit, nachdem er am Mittwoch grünes Licht für den Auftrag gegeben hatte. Dafür sollen in Frankreich stationierte C-130-Transportflugzeuge Hercules der Bundeswehr eingesetzt werden.

Die Bundeswehr stellt zwei dieser Transportflugzeuge bereit, die jeweils bis zu 18 Tonnen Last transportieren könnten. "Zur Wahrheit gehört: Der Abwurf ist nicht ungefährlich", erklärte Pistorius. "Die dafür vorgesehenen Crews sind für entsprechende Verfahren ausgebildet und sehr erfahren." Die erste der deutschen Maschinen hob am Mittwoch in Evreux für den Gaza-Hilfseinsatz ab. Nach einem Zwischenstopp in Toulouse sollte es zunächst nach Jordanien gehen, wo die Hilfsgüter geladen werden sollen.

Hungerkrise droht

Hilfsorganisationen zufolge ist die Lage der Menschen in dem Küstenstreifen zunehmend verzweifelt. Nach UN-Angaben droht eine Hungerkrise, wenn die Hilfslieferungen per Lastwagen nicht ausgeweitet werden. Im Gazastreifen leben rund 2,2 Millionen Menschen. Aus vielen Ländern gibt es inzwischen Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs. 

Die Bundesregierung habe bereits an Israel appelliert, die humanitäre Situation im Gazastreifen zu verbessern, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, ein Mandat des Bundestages sei für die Hilfsflüge der Luftwaffe nicht nötig, denn es handele sich nicht um einen Auftrag, der mit Waffengewalt durchzusetzen ist. Unterdessen sprach die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger von einem extrem wichtigen und dringend notwendigen Beitrag. "Einmal mehr zeigt die Bundeswehr, dass sie da ist, wenn sie gebraucht wird", betonte Brugger. "Ausreichend Hilfe kann aber nur ankommen, wenn die israelische Regierung endlich mehr Grenzübergänge für humanitäre Lieferungen öffnet, wie es auch Außenministerin Annalena Baerbock immer wieder einfordert."

Hilfsgüter sollen in Jordanien an Bord eingeladen werden

Mit dem Einsatz beteiligt sich die Bundeswehr an der Luftbrücke für Gaza, die von Jordanien initiiert wurde. Auch andere Partner wie die USA oder Frankreich beteiligen sich an der Initiative. Den Auftrag übernimmt nach Militärangaben der deutsche Anteil der binationalen Lufttransportstaffel im französischen Évreux. 

Die Luftwaffe selbst bezeichnet das Verfahren als "Absetzen im Schwerkraftverfahren", bei dem Güter das Flugzeug über die Laderampe rollend auf einer Palette verlassen und an Fallschirmen hängend zu Boden gehen. Sie landen in einer "Absetzzone". Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, erteilte für das Verfahren mit dem Flugzeug Hercules eine Sondergenehmigung. Technisch unterscheidet sich die Methode vom sogenannten Abwurf, bei dem Lasten ungebremst zu Boden gehen. Die Luftwaffe kann binnen zwölf Stunden in so einen Einsatz starten. Die Hilfsgüter sollen in Jordanien an Bord der Maschinen gebracht werden.

Geholfen wird der Bevölkerung im Gazastreifen mittlerweile auch auf dem Seeweg. Am Dienstag war das Schiff "Open Arms" der gleichnamigen Hilfsorganisation aus dem zyprischen Hafen von Larnaka in Richtung Gazastreifen in See gestochen. Der umgebaute Schlepper zieht eine Plattform, auf die Hilfsgüter geladen worden sind - rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamente und Lebensmittel. Die Fahrt könnte bis zu 60 Stunden dauern, da das Schiff langsam fährt.

Allerdings machen Seetransporte von Hilfsgütern in den Gazastreifen einem Sprecher der Vereinten Nationen zufolge nicht den Mangel an dringend benötigten Lkw-Lieferungen wett. Zugang werde auch auf dem Landweg benötigt, die sichere und regelmäßige Verteilung im Gazastreifen müsse gewährleistet sein, hieß es. Die Vereinten Nationen drangen zuletzt darauf, die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten und den Transport der Güter auch über Grenzübergänge zum besonders betroffenen Norden des Palästinensergebiets zuzulassen. 

Immer wieder Plünderungen von Hilfslieferungen

Am Dienstagabend wurde bekannt, dass ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln über eine neue Straße des israelischen Militärs den Norden des Gazastreifens erreichte. Es habe sich um ein Pilotprojekt gehandelt, um zu verhindern, dass die Hilfsgüter in die Hände der islamistischen Hamas fallen, teilte das Militär mit. Die Ergebnisse würden nun der Regierung vorgelegt.

Der UN zufolge ist im Gazastreifen in vielen Gebieten durch den Krieg inzwischen jede Ordnung zusammengebrochen. Lkw mit Hilfsgütern werden immer wieder geplündert. Regelmäßig kommt es im Kampf um die Hilfslieferungen zudem zu heftigen Rangeleien unter verzweifelten Bewohnern.

Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. Auf palästinensischer Seite wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn mehr als 31.100 Menschen getötet.