Jahrelang hingen die Geräte unbemerkt im Eingangsbereich der Schule. Foto: Werner Kuhnle

Kleine Stadt, große Schlagzeilen: Freiberg am Neckar ist in den Fokus geraten, weil man dort mit Ultraschallgeräten Jugendliche von einem beliebten Treffpunkt vertreibt.

Schon seit März 2021 gibt es im äußeren Eingangsbereich der Kasteneckschule in Freiberg am Neckar zwei unauffällige Kästen, die mit Tönen in einer Frequenz, die nur von Jüngeren wahrgenommen werden kann, nächtlichen Vandalismus durch auf dem Schulgelände herumlungernde Jugendliche verhindern sollen. Beschwerden habe es wegen der Geräte bislang keine gegeben, heißt es seitens der Stadt. Dafür aber Erfolge: „Seitdem sind die Vorfälle im direkten Wirkungskreis der Geräte deutlich zurückgegangen.“ Zwar gebe es auf dem weitläufigen Gelände immer noch Vermüllung und Vandalismus, doch im Eingangsbereich, wo zuvor nach jedem Wochenende Scherben von Flaschen, zum Teil auch von Lampen und sogar vom zertrümmerten Vordach weggeräumt werden mussten, damit sich die Grundschüler nicht verletzen, habe sich die Lage deutlich verbessert. So weit, so gut.

Jetzt, mehr als zwei Jahre später, sind die Mosquito genannten Geräte an der Kasteneckschule im Ortsteil Heutingsheim plötzlich in aller Munde – Radio und Fernsehen berichteten, der Landtag debattierte, und die Grünen-Fraktion im Freiberger Gemeinderat regt sich auf. Der Grund: Der Satiriker Jan Böhmermann hatte im April in seiner Sendung „Magazin Royale“ das Thema überspitzt aufgegriffen („Mit so ’nem Ton vertreiben normalerweise Kleingartenbesitzer Marder“) und erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Stadt Freiberg am Neckar als eine Kommune, die die Geräte einsetzt.

Grüne warnen vor möglichen Gesundheitsschäden

Die Grünen im Gemeinderat der Stadt haben nun einen Antrag zur Entfernung der Mosquitos eingereicht, über den in einer der nächsten Sitzungen beraten werden soll. Die Begründung: „Bislang gibt es noch keine belastbaren Untersuchungen über gesundheitliche Langzeitschäden durch den Betrieb dieser Geräte.“ Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin halte gesundheitliche Schädigungen des Hörvermögens nicht gänzlich für ausgeschlossen, außerdem seien Störungen des Gleichgewichtssinns, Schwindel und Kopfschmerzen möglich, heißt es in dem Antrag weiter.

Gegenteiliger Ansicht ist das Gesundheitsamt des Landkreises Ludwigsburg: „Vom Grundsatz her dürfte eine Schädigung des Hör- und Gleichgewichtsorgans durch diese auf dem Markt befindlichen Geräte unwahrscheinlich sein“, sagt die Behörde. Dabei komme es aber auch auf Einsatzort und -zeiten an. Und: „Rein medizinisch gesehen, hängt es hauptsächlich von der Lautstärke ab, ob eine Schädigung des Gehörs oder des Gleichgewichtsorgans zu erwarten ist.“

Die Freiberger Grünen jedenfalls verurteilen „fragwürdige Maßnahmen gegen junge Menschen“ und setzen auf alternative Treffpunkte. „Man könnte beispielsweise in der Nähe des Skaterplatzes einen Bauwagen aufstellen“, schlägt die Fraktionsvorsitzende Elvira Kuhnle-Chmielnicki vor.

FDP sieht in den Geräten legitime Gegenwehr

Vertreter der FDP mahnen dagegen, man dürfe bei aller Sorge um mögliche gesundheitliche Auswirkungen Täter nicht zu Opfern machen. Die Stadt setze sich mit den Geräten gegen Hausfriedensbruch und Vandalismus durch Jugendliche und junge Erwachsene auf dem Schulhof zur Wehr. Und wenn man mit möglicherweise existierenden Gesundheitsgefahren argumentiere, dürfe eine Firma beispielsweise ihr Gelände auch nicht mehr mit Stacheldraht sichern, weil man sich daran ja verletzen könne, sagt FDP-Stadtrat Thomas Baum. Deshalb halten die Liberalen die Mosquito-Geräte für vertretbar, wenn ein Abstrahlen auf Wege außerhalb des Schulgeländes vermieden wird. Aus Sicht der FDP-Stadt- und Kreisrätin Carmen Dötterer läuft die Diskussion zudem „in die völlig falsche Richtung. Man darf doch nicht den Eindruck erwecken, die Stadt sei selbst dran schuld, dass einige wenige Jugendliche fremdes Eigentum zerstören, weil sie bisher keine Aufenthaltsalternative bereitstellt“, sagt die Liberale.

Tatsächlich ist es so, dass ein bisher beliebter Treff hinter der alten Oscar-Paret-Schule durch den Neubau der OPS weggefallen ist. Es gebe aber weitere Aufenthaltsmöglichkeiten, beispielsweise rund um den Marktplatzsee, im Kasteneckpark oder auf dem Millenniumshügel, sagt Tatjana Bremer von der Stadt Freiberg. Außerdem gebe es mehrere Bolzplätze, eine Skateranlage und ein Jugendhaus. Weitere Treffpunkte im Stadtzentrum sollen noch entstehen, wobei in die Überlegungen auch Jugendliche, die Schulsozialarbeiterin und der Jugendhausleiter eingebunden werden sollen.

Bietigheim setzt auf Licht, Ludwigsburg auf Sozialkontrolle

Auch andere Kommunen im Landkreis haben Probleme mit Vandalismus durch Jugendliche. In Bietigheim-Bissingen setzt man zur Verhinderung auf grelles Licht im Schulhof und Bewegungsmelder an anderen Stellen des Schulgeländes. Einen ganz anderen Weg hat Ludwigsburg beim Akademiehof beschritten, der wegen Vermüllung, vollgepinkelter Ecken und gewalttätiger Auseinandersetzungen in Verruf geraten war. Schon seit dem vergangenen Jahr, sagt der Polizeisprecher Steffen Grabenstein, gebe es dort keine Probleme mehr. Ob das an dem angebotenen Programm liege, an den Toilettenwagen oder an der mobilen Bar, könne er nicht einschätzen. „Die Sozialkontrolle ist auf alle Fälle gut.“ Zudem müsse man bedenken, dass die Jugendlichen wegen Corona auch kaum Möglichkeiten gehabt hätten, sich in Bars und Kneipen zu treffen. Auch das habe sich geändert.