Runter vom Gas und stark abbremsen, wenn ein Reh am Straßenrand auftaucht. Im Spätsommer häufen sich Wildunfälle. Foto: dpa/Patrick Pleul

Im Spätsommer und Herbst erhöht sich die Gefahr eines Wildunfalls. Erstens beginnt Ende Juli die Paarungszeit der Rehe und zweitens verschiebt sich die Dämmerungszeit in Richtung Feierabendverkehr.

Untertürkheim - Im Verkehrsfunk häufen sich die Meldungen über „ein totes Tier auf der Fahrbahn.“ Jäger wundern sich nicht über die Zunahme der Wildunfälle im Spätsommer. Klaus Lachenmaier vom Landesjagdverband nennt zwei Gründe: „Ende Juli bis in den August ist die Paarungszeit der Rehe und zudem wird es täglich früher dunkel.“ Blattzeit nennen die Jäger die Wochen, in den die Rehböcke auf Brautschau gehen, dabei ziemlich liebestoll sind und mit dem Duft eines weiblichen Rehs, einer Ricke, in der Nase auch schon mal die Scheu vor Straßen verlieren. „In der Brunft hetzen die Böcke die Ricken oft stundenlang“ , sagt Lachenmaier. Das Treiben kann sich oft über mehrere Kilometer erstrecken. In die Enge getrieben, achten die Tiere nicht auf Autos. Ungeschickterweise fällt die Brunft in die Periode, in der die Tage kürzer werden und die Dämmerung in die Zeit rückt, in der der Feierabendverkehr unterwegs ist.

„Im Spätsommer und Herbst häufen sich deswegen die Wildunfälle“, sagt Lachenmaier, der selbst in Stuttgart ein Revier gepachtet hat und von der Polizei oft über Wildunfälle unterrichtet wird. Seine Bitte deshalb. „Lieber Fuß vom Gas. Das erhöht die Chance, ein Wildtier am Wald- oder Feldrand frühzeitig zu erkennen und es vermindert die Heftigkeit eines Unfalls.“ Denn egal, ob ein Reh, ein Fuchs oder ein Wildschwein ins Auto läuft, es sei ein beträchtlicher Unterschied, ob der Zusammenprall bei Tempo 60 oder Tempo 100 geschieht. Zehn Kilometer pro Stunde weniger können Leben retten – Menschenleben, wohlgemerkt.

„Vorausschauendes Fahren und erhöhtes Gefahrenbewusstsein helfen, folgenschwere Wildunfälle zu vermeiden. Wer ein Wildtier in 60 Metern Entfernung entdeckt, kommt mit Tempo 80 noch vor dem Hindernis zu stehen, mit Tempo 100 beträgt die Aufprallgeschwindigkeit jedoch noch mehr als Tempo 60. Deshalb: Fuß vom Gas und immer bremsbereit sein“, bittet auch Johannes Boos, Pressesprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs (ADAC).

Biologe Lachenmaier hat noch einen weiteren Tipp: Meist sind die Tiere nicht allein. Wenn ein Reh über die Straße gesprungen ist, sollten Autofahrer die Stelle vorsichtig und in angepasster Geschwindigkeit passieren. Hinter der Ricke könnte der Rehbock oder ihr Kitz hinterher eilen. Noch größere Sorgfalt sollte man bei einem Wildschwein walten lassen. „Wildschweine leben meistens in einer Rotte. Oft rennt eine Bache zunächst über die Straße und schaut, ob der Weg frei ist und kurz danach folgen die restlichen Tiere“, so Lachenmaier.

Doch wie sollen Autofahrer überhaupt reagieren, wenn sie Wildtiere am Straßenrand entdecken? „In der Dunkelheit leuchten oftmals die Augen der Tiere am Straßenrand auf“, sagt Malte Dringenberg vom Automobilclub von Deutschland (AvD). Dann gilt es ruhig zu handeln. „Sie müssen deutlich langsamer werden oder sogar ganz abbremsen. Dabei gilt: Fernlicht ausschalten, um das Tier nicht zu blenden – dadurch bleibt es nämlich stehen. Hupen Sie zusätzlich, das verscheucht das Wild in den meisten Fällen“, so Boos. Und wenn sich eine Kollision nicht vermeiden lässt? Dann gilt: Das Lenkrad gut festhalten, mit maximaler Kraft bremsen und – ganz wichtig – geradeaus weiterfahren. „Wer ausweicht, riskiert einen Unfall, der in der Regel weniger glimpflich ausgeht als der Zusammenstoß mit dem Wild. Dann geraten Autofahrer vielfach in den Gegenverkehr oder prallen auf einen Baum“, so Boos. Dringenberg nennt einen weiteren Grund: Wer ausweicht und auf ein Hindernis trifft, kann mit seiner Versicherung Probleme bekommen. „Das vom Unfall verschonte Tier bleibt nicht als Zeuge vor Ort.“

Auch nach dem Wildunfall gilt es, kühlen Kopf zu bewahren. „Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen, die Unfallstelle sichern und die Polizei anrufen. Dies ist auch wegen des Versicherungsschadens wichtig“, sagt Dringenberg. Die Polizei verständigt meistens den Jagdpächter, der eine Wildschadenbescheinigung aushändigen kann. „Wir suchen auch gegebenenfalls nach dem verletzten Tier und erlösen es“, sagt Lachenmaier.