Edith Koerber sagt Adieu. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Politisch, kämpferisch und schwungvoll: Edith Koerber hat die Tri-Bühne auf besondere Weise geprägt. Nach fast fünf Jahrzehnten verlässt die Intendantin das Stuttgarter Theater. Welche Pläne hat sie für den neuen Lebensabschnitt? Und wie geht es an der Bühne weiter?

Eigentlich ist es überhaupt nicht vorstellbar. Ein Abend in der Tri-Bühne, bei dem Edith Koerber nicht durch die Räume flitzt, hilft, wirbelt, anpackt. Kann das Stuttgarter Theater überhaupt ohne seine Intendantin existieren? Es muss – so, wie auch Edith Koerber fortan nicht mehr Tag und Nacht für die Kunst, für das Theater und, ja, letztlich auch für eine bessere Welt kämpfen wird. Sie geht am Ende der Spielzeit in den Ruhestand. Das Ende einer Ära.

Ihr Mann verunglückte tödlich bei einer Probe

Stattliche 48 Jahre hat Edith Koeber an dem Stuttgarter Theater gearbeitet, das sie einst mitbegründet hat. Die Tri-Bühne begann als freie Truppe, die 1979 schließlich eigene Räume im Tagblatt-Turm bekam. Doch das Glück währte nicht lang: 1982 verunglückte ihr Mann Michael Koerber tödlich bei einer Probe. Edith Koerber, die durch und durch Schauspielerin war, übernahm kurzerhand auch die Leitung des Theaters.

Koerbers Theater ist politisch, musikalisch und humorvoll

Es kann nicht anders sein – wer 41 Jahre ein Haus führt, der schreibt diesem auch unverkennbar seine Handschrift ein. Die Produktionen an der Tri-Bühne sind kaum denkbar ohne Humor und musikalische Einlagen. Dabei ist Edith Koerber, Jahrgang 1949, aber auch ein politischer Kopf. Vielfalt oder die Zukunft Europas wurden auf der Bühne verhandelt, die Finanzkrise, das bedingungslose Grundeinkommen oder die Gesundheitsreform. Manchmal konnte man fast den Eindruck bekommen, dass die Tri-Bühne nicht Theater für alle macht, sondern Klientelpolitik für Gesinnungsgenossen.

„Der Demokratiebegriff ist uns als Grundlage wichtig“, diktierte Edith Koerber auch gern mal der Presse in die Feder und machte kein Hehl daraus, wie heftig ihr die „neoliberale Marktwirtschaft“ gegen den Strich geht. Auch im Theater sah sie sich mit der Forderung konfrontiert, sich „vermarkten“ zu müssen. Ein Trend, dem Koerber sich nicht unterwerfen wollte: „An der Idee des poetisch-politischen Theaters halten wir fest!“

Der Umbau hat Publikum und Zuschauer gekostet

Es ist viel passiert in diesen vier Jahrzehnten. Die schwerste Zeit war zweifellos der Umbau des Tagblatt-Turms, weil die Tri-Bühne gut zwei Jahre wie ein Obdachloser in anderen Häusern Unterschlupf suchen musste. Am Ende hatte man viel Publikum verloren, und nicht nur die Chefin war mit den Nerven runter: „Wir kommen auf den Felgen daher.“

Blick nach Osteuropa und Afrika

Aber Edith Koerber ist jemand, der anpacken und mitreißen kann und trotz ihrer mädchenhaften Art eine enorme Kraft entwickeln konnte, wenn es ums Theater ging. Das versuchte sie immer wieder neu zu erfinden – ob mit Theater zur Lunchtime im Cannstatter Kurpark oder auch in diesen Tagen wieder mit Shakespeare im Hof des Alten Schlosses.

Beim Stuttgarter Europa-Theater-Treffen (Sett) kamen viele ungewöhnliche Produktionen aus aller Welt in die Stadt, die man sonst nicht hätte sehen können. Edith Koerber war der Blick nach Osteuropa ebenso wichtig wie der in Richtung Afrika. So arbeitete sie eng mit Gábor Zsámbéki, dem Direktor des Budapester Katona-Jószef-Theaters zusammen, aber lockte auch einen berühmten Mann nach Stuttgart, den die meisten vorher nur von seinen gruseligen Krimis her kannten: Henning Mankell. Der inzwischen verstorbene schwedische Bestsellerautor betrieb in Maputo das Teatro Avenida, das immer wieder mit dem Stuttgarter Ensemble zusammenarbeitete.

Die Nachfolger kommen aus dem Haus

Auch ohne Edith Koerber soll es in der Tri-Bühne in ihrem Sinne weitergehen, die Nachfolge bleibt quasi in der Familie: László Bagossy, der als Regisseur oft an der Tri-Bühne tätig war, wird künstlerischer Leiter. Stefan Kirchknopf übernimmt die Geschäftsführung – er ist der Sohn des jüngst verstorbenen Geza Kirchknopf, der Edith Koerber als Dramaturg zur Seite stand, aber auch als Lebenspartner.

Sie selbst beginnt nun ein neues Leben im Schwarzwald. Auf der Stuttgarter Bühne werde sie nicht mehr stehen, sagt sie, „aber im Schwarzwald werde ich als ,Hexe‘ durch den Wald sausen“, sagt sie, schließlich habe es dort auch Hexenverbrennungen gegeben. „Themen, die wichtig sind“, das steht für sie außer Frage, „gibt es genug!“

Tri-Bühne im und außer Haus

Shakespeare
Vom 5. bis 7. Juli um 20 Uhr spielt das Theater Tri-Bühne im Hof des Alten Schlosses „Romeo und Julia“ in der Inszenierung von Edith Koerber.

Theater
Die Tri-Bühne-Saison endet am 9. Juli um 19 Uhr mit der Performance „Frida – Viva la Vida“ von Florian Dehmel. Im Anschluss: Theaterhocketse!

Premiere
 Edith Koerbers erster Streich in Alpirsbach findet statt am 22. Juli um 19 Uhr in der Konzertmuschel im Kloster-Kurgarten: „Wer bin ich und, wenn ja, wieviele? – Eine literarische Spurensuche“. Anmeldung unter ek@tri-buehne.de.