Rund 30 Aktivisten und Künstler besetzten die Gebäude an der Hofener Straße und forderten eine Zwischennutzung. Foto:  

30 Aktivisten und Künstler besetzen ehemalige Bettfedernfabrik für mehrere Stunden

Bad Cannstatt - Seit nunmehr 18 Jahren steht die ehemalige Bettfedernfabrik an der Hofener Straße leer, befindet sich sozusagen in einem Dornröschenschlaf. Wirklich ruhig ist es auf dem Grundstück seither dennoch nicht. Quasi an jedem Wochenende beobachten Nachbarn Personen, die sich auf dem Areal aufhalten. Obdachlose, die einen Platz zum Übernachten suchen, oder Jugendliche, die die Industriebrache als Abenteuerspielplatz für sich entdeckt haben. Regelmäßig musste die Polizei in den vergangenen Jahren vor Ort nach dem Rechten schauen. 2019 rückte sogar dreimal die Feuerwehr aus – Holzstapel, Gerümpel und alte Matratzen waren in Brand geraten.

Am Montagvormittag hat nun die Initiative für ein Alternatives Kunst und Kultur Zentrum Stuttgart (AKZ) die „leer stehende und verrottende“ Fabrik besetzt. In einem Flugblatt, das an Anwohner verteilt wurde, forderten sie bezahlbare Räume für Wohnen, Kunst und Kultur. Die Gruppe, bestehend aus rund 30 Personen wollte mit der Aktion zudem auf die ständigen Mietsteigerungen und Zwangsräumungen aufmerksam machen. Außerdem kritisierte sie, dass in Stuttgart zu wenig sozialer Wohnungsbau betrieben wird.

Auf den Strafantrag folgt die Räumung

Auf dem DIN A5-großen Flyer wurde die Initiative jedoch noch konkreter. Sie unterstellten dem Eigentümer der Bettfedernfabrik „Unfähigkeit und den Unwillen, den Standort sozial und nachhaltig zu gestalten“. Sie forderten eine sofortige Zwischennutzung für Kunst und Kultur, könnten sich aber auch mittelfristig ein entsprechendes Zentrum an der Hofener Straße vorstellen. Hierzu müsse die Stadt die Infrastruktur möglichst schnell schaffen. „Mit Strom und fließend Wasser“, sagte Martin Eickhoff, stellvertretender Bezirksbeirat in Bad Cannstatt in der Fraktionsgemeinschaft Linke, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei, der ebenfalls unter den Besetzern zu finden war. „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir wollen heute Abend nicht gehen“, sagte der Lokalpolitiker im Lauf des Vormittags.

Dazu kam es jedoch nicht. Nachdem der Eigentümer, Rainer Neumann von Pro Contact, Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt hatte, begannen die Einsatzkräfte gegen 12.30 Uhr damit, das Grundstück zu räumen. „Alles blieb friedlich, die Stimmung war zu keiner Zeit aggressiv“, sagte Polizeisprecher Stephan Widmann. „Die Gebäude sind stark baufällig, überall liegen Scherben. Es ist einfach zu gefährlich, sich auf dem Areal aufzuhalten.“

Verzögerungen durch Corona

„Aus versicherungstechnischen Gründen kann ich daher auch keine Nutzung gewährleisten“, fügte Neumann, der persönlich vor Ort war, hinzu. Nach der Räumung ließ er am Eingangstor wieder ein großes Vorhängeschloss anbringen – ein Kampf gegen Windmühlen. „Fast so schnell wie wir es hinmachen, ist es wieder aufgebrochen. Ich kann es nicht verstehen, aber die alte Fabrik hat offenbar eine magische Anziehungskraft“, so der Geschäftsführer, der die Kritik der Besetzer nicht nachvollziehen kann. „Es ist nicht in unserem Interesse, das Gebäude leer stehen zu lassen.“ Sein Unternehmen sei seit fünf Jahren Eigentümer der Bettfedernfabrik, seither habe es immer wieder Änderungen bezüglich der möglichen Nutzung gegeben. Die Corona-Pandemie habe schließlich für weitere Verzögerungen gesorgt. „Wir kommen in dem Projekt nicht so weiter, wie wir wollen“, sagt Neumann, der den Ball zum Amt für Stadtplanung und Wohnen spielt. Die Planung, die neben 100 Wohneinheiten auch Geschäfte zur Hofener Straße, eine Kindertagesstätte und eine Tagespflege umfasst, sei abgeschlossen, jetzt sei die Stadt am Zug.

Im Rathaus geht man indes im kommenden Herbst vom nächsten Schritt aus. „Dann soll der Auslegungsbeschluss herbeigeführt werden“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Angela Weiskopf vom Amt für Stadtplanung und Wohnen rechnet zudem frühestens Mitte 2021 mit einem Satzungsbeschluss. „Das Baugesuch kann parallel erarbeitet und bereits vor Satzungsbeschluss eingereicht werden. Möglicher Baubeginn wäre demnach Herbst 2021.“