Zu kreativer Buchführung greift Innenminister Strobl gerne, wenn es um die reale Stärke der Polizei in Baden-Württemberg geht. Die hat besseres verdient, kommentiert Redakteur Franz Feyder.
Er hat es wieder getan: Thomas Strobl, Innenminister Baden-Württembergs und damit auch von Amts wegen dessen oberster Verfassungshüter, hat wieder getrickst. Im August hat der Christdemokrat dem FDP-Abgeordneten Friedrich Haag noch weismachen wollen, in Stuttgart gebe es sogar mehr Polizisten, als eigentlich erlaubt seien. Dafür hatte er tief in die Trickkiste gegriffen, die auch er selbst vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils zur Umwidmung der Coronahilfen gerade der Ampelkoalition in Berlin vorwirft: verzaubernde, kreative Buchführung. Zauberlehrling Strobl versuchte den Eindruck einer personell gut dastehenden Polizei dadurch zu erwecken, dass er Dienstunfähige, Kranke, Lernende, Erziehungsurlauber und Schwangere den real Dienst tuenden Beamte hinzurechnete.
Sechs Wochen später muss er einräumen: Es fehlen sogar mindestens 185 Polizisten alleine in Stuttgart. Im Land sieht es nicht viel anders und vor allem besser aus. Zwar betont Strobl seit Jahren– trotz der Mahnungen der Polizeigewerkschaften –, er habe zur „größten Einstellungsoffensive in der Geschichte“ der Landespolizei geblasen. Die aber gerät deshalb zum Sicherheitsdebakel, weil sie – wenn überhaupt – gerade einmal die Beamten ersetzt, die gerade pensioniert werden. Trotzdem feiert sich der Minister, der selbst allenfalls noch bis zur Landtagswahl 2026 Dienst tun wird, für seine holprige Rekrutierung wie ein Zaubermeister.
Die CDU nahm seit ihrem Bestehen für sich in Anspruch, die Partei der äußeren wie inneren Sicherheit zu sein. Eine nur noch in Teilen einsatzbereite Bundeswehr ist ein Ergebnis davon, 16 Jahre zwar die Bundesregierung angeführt, die Augen vor den sich abzeichnenden äußeren Bedrohungen verschlossen, Entwicklungen wie mahnende Stimmen ignoriert zu haben. Der inneren Sicherheit Baden-Württembergs droht dasselbe. Darin liegt jetzt zugleich die Chance für den neuen CDU-Landesvorsitzenden Manuel Hagel: Er kann das Themenfeld Sicherheit für sich entdecken.
Zumal dieses Thema eines mit weitreichenden Auswirkungen für die Demokratie ist. Das Gewaltmonopol des Staates beruht auf der Garantie, dass der Staat seine Bürger schützt. Dass er Schaden von ihnen abwendet. Im Vertrauen auf dieses Versprechen verzichteten die Menschen darauf, sich selbst zu bewaffnen, damit zu verteidigen und selbst Justiz zu üben. Das ist das Fundament des demokratischen Rechtsstaates. An das legt Hand, wer zu wenige Polizisten beschäftigt. Und dann auch noch versucht, reale Zahlen über deren Stärke kreativ in den Büchern zu verbergen.
Viele Polizistinnen und Polizisten haben diesen Beruf gewählt, um Schaden von den Menschen abzuwenden, bevor er überhaupt entsteht. Präventive Polizeiarbeit ist aber in Baden-Württemberg, wo ein Polizist rechnerisch etwa 455 Menschen betreut – die meisten im Deutschlandvergleich – allenfalls eingeschränkt möglich. Hagel ist gut beraten, auf niemanden mehr zu setzen, der die Versäumnisse der vergangenen Jahre nicht aufarbeiten will. Auf jene zu verzichten, die jetzt vor allem nur „den Blick nach vorne werfen“ wollen, wie es der Vorsitzende des mächtigen Arbeitskreis Polizei in der CDU, Rainer Staib, erst kürzlich formulierte, als Strobls Tricksereien bei den Personalstärken wieder einmal Thema wurden.
Nach Jahren gerne aus dem Innenministerium servierter, aber dann oft schon geschrumpfter Soufflés haben die Polizisten zwei Dinge verdient: Ehrlichkeit von den denen, die politisch über sie bestimmen. Und Demut. In tiefer Bescheidenheit definierte Liebe, der Gesellschaft zu dienen. Darin liegt Hagels Chance in einer Zeit, in der ihre Strobls für die Polizei Geschichte werden.