Die Schöninger Speere – die ältesten vollständig erhaltenen Holzwaffen der Menschheit – werden im Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon ausgestellt. Foto: MINKUSIMAGES/Christa Fuchs/Matthias Vogel/Dirk Leder/NDL/dpa

Die Schöninger Speere sind die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt. Eine Inventur in Niedersachsen auch anderer dortiger Funde zeigt: Schon vor 300 000 waren Frühmenschen Meister im Umgang mit Holz.

Die Fundstätte von Schöningen bei Helmstedt in Niedersachsen hat den Blick auf die vor 300 000 Jahren lebenden Menschen revolutioniert. Sie zeigte, dass die damaligen Bewohner – vermutlich die gerade im Entstehen begriffenen Neandertaler – bereits versiert Waffen herstellen konnten.

Nun ergibt eine Bestandsaufnahme aus Schöningen, wie kundig die damaligen Menschen auch andere Werkzeuge aus Holz fertigten.

Funde enthalten hölzerne Jagdwaffen und Werkzeuge

Die insgesamt 187 hölzernen Funde zeigten ein breites Spektrum an Holzbearbeitungstechniken, schreibt die Forschungsgruppe um Dirk Leder vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

Unter den Gegenständen sind demnach mindestens 20 Jagdwaffen und 35 weitere Werkzeuge, die wohl für den häuslichen Gebrauch eingesetzt wurden, etwa zur Bearbeitung von Tierhäuten.

Speere (links) und Wurfhölzer (rechts) vom Speerhorizont der Fundstelle Schöningen wurden für die Jagd auf Groß- und Kleinwild verwendet. Fragmente wurden zeichnerisch ergänzt. Foto: MINKUSIMAGES/Christa Fuchs/Matthias Vogel/Dirk Leder/NDL/dpa
Dieses Wurfholz ist das erste Holzartefakt vom Speerhorizont und wurde vor genau 30 Jahren (1994) aufgefunden. Es wurde wahrscheinlich zur Jagd auf kleine, schnelle Jagdtiere wie Hasen und Vögel verwendet. Foto: MINKUSIMAGES/Christa Fuchs/Matthias Vogel/Dirk Leder/NDL/dpa
„Jagdwaffen waren nicht einfach nur Stöcke mit Spitzen, sondern technisch fortgeschrittene Werkzeuge.“ Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen

Die Fundstätte in einem Braunkohletagebau lag damals an einem Seeufer. Weltberühmt ist sie heute vor allem wegen der bislang zehn dort gefundenen Speere, die bis zu 2,5 Meter lang sind. Sie gelten als die mit Abstand ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen weltweit. Sieben weitere Objekte wurden wohl als Wurfhölzer ebenfalls zur Jagd eingesetzt.

„Jagdwaffen waren nicht einfach nur Stöcke mit Spitzen, sondern technisch fortgeschrittene Werkzeuge“, schreiben die Archäologen. Die Objekte wurden überwiegend aus Fichten gefertigt, aber auch aus Kiefern und Lärchen. Das Rohmaterial stammte nicht aus der direkten Umgebung, sondern vom nahe gelegenen Höhenzug Elm oder sogar aus ferneren Regionen wie dem Harz.

Technisches Know-how und komplexe Arbeitsvorgänge

Die Funde zeugen demnach von langer Erfahrung in der Holzbearbeitung, technischem Know-how und von komplexen Arbeitsvorgängen. So wurde teilweise die Rinde entfernt, ein Teil der Oberfläche abgeschliffen und Enden angespitzt. „Es lässt sich eine deutlich umfangreichere und vielfältigere Bearbeitung von Fichten- und Kiefernhölzer nachweisen als bislang gedacht“, erklärt Dirk Leder.

Ausgewählte Holzstämme seien zu Speeren und Wurfhölzern verarbeitet worden, während beschädigte Objekte auch repariert oder recycelt wurden. Mit der sogenannten Spalttechnik sei zudem erstmals eine neue Form der Bearbeitung für diese Epoche nachgewiesen worden. Für die Studie wurden die Funde mit modernen Methoden wie 3D-Mikroskopie untersucht.

Forschungsmuseum Schöningen beherbergt die Speere

Zu den Archäologischen Ausgrabungsstätten im Braunkohletagebau Schöningen zählen etwa 50 Fundstellen aus ur- und frühgeschichtlichen Zeitstellungen, die bei der Erschließung des Tagebaus Schöningen ab 1983 archäologisch untersucht wurden. Foto: Imago/Daniele Schäfer

Die Speere wurden zwischen 1994 und 1998 am Rande auf einer archäologischen Ausgrabungsstätte im Braunkohletagebau Schöningen gemeinsam mit weiteren Stein- und Holzartefakten, wie einem beidseitig angespitzten Stab und dem Wurfstock von Schöningen, am damaligen Seeufer in etwa zehn Metern Tiefe gefunden. Absolute Datierungsverfahren ergaben ein Alter der Funde von 290 000 bis 337 000 Jahren.

Der Fund der Speere hat das Bild der kulturellen Entwicklung des frühen Menschen stark verändert. Sie befinden sich in einem eigens für sie errichteten Museum, dem vormaligen „paläon“, jetzt Forschungsmuseum Schöningen.

Zu den Archäologischen Ausgrabungsstätten im Tagebau Schöningen zählen etwa 50 Fundstellen aus ur- und frühgeschichtlichen Zeitstellungen, die bei der Erschließung des Tagebaus Schöningen ab 1983 archäologisch untersucht wurden.

Das paläon Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere in Schöningen. Foto: Imago/Imagebroker

Homo heidelbergensis, Homo neanderthalis und Homo sapiens

Vor 300 000 Jahren habe sich in Eurasien der Homo erectus oder Homo heidelbergensis zum Neandertaler entwickelt, schreibt die Gruppe um Leder. Zu jener Zeit war der Homo sapiens gerade in Afrika am Entstehen, nach Europa kam der moderne Mensch aber erst vor rund 45 000 Jahren.

Funde aus der Ilsenhöhle in thüringischen Gemeinde Ranis belegen, dass moderne Menschen dort schon vor mindestens 45 000 Jahre lebten. Damals war es etwa 7 bis 15 Grad kälter als heutzutage.

Vor rund 40 000 Jahren betrat der moderne Mensch, der Homo sapiens, erstmalsauch die Schwäbische Alb. Die Clans der steinzeitlichen Jäger und Sammler suchten Zuflucht im Hohle Fels und anderen Höhlen, saßen sie um eine Feuerstelle und wärmten sich an glimmenden Tierknochen, da Holz in der Tundra knapp war. Die Clans dürften kaum größer als 20, 25 Personen gewesen sein. Als Nomaden zogen sie von Tal zu Tal, von Höhle zu Höhle stellten Mammuts, Rentieren, Hirschen, Wisenten und kleinerem Wild nach.

Info: Epochen der Steinzeit

Steinzeit
Die früheste Epoche in der Menschheitsgeschichte ist durch den Gebrauch von Steinwerkzeugen gekennzeichnet, die bereits von frühen Vertretern der Gattung Homo, den Homo habilis und Homo erectus hergestellt wurden. Die Steinzeit, die vor 2,6 Millionen Jahren in Afrika und vor 1,1 Millionen Jahren in Europa begann und um 2200 v. Chr. endete, lässt sich in drei große Perioden einteilen:

Paläolithikum
Die Altsteinzeit beginnt mit dem Altpaläolithikum (2,6 Millionen bis 300 000 Jahren), gefolgt vom Mittelpaläolithikum (300 000 bis 40 000 Jahren) und endet mit dem Jungpaläolithikum (40 000 bis 10 000 Jahren). Die Menschen waren Jäger und Sammler, sie kannten bereits das Feuer und nutzten zusammengesetzte Jagdwaffen aus Holz und Stein.

Neolithische Revolution
Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehzucht. Foto: Jungsteinzeitlicher Ackerbau, Geschichtsverein Windecken

Mesolithikum
Mit dem Ende der Eiszeit beginnt in Europa die Mittel- und Jungsteinzeit (9600 bis 4500 v. Chr.). Der Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehzucht markiert den Beginn der Jungsteinzeit, dem Neolithikum (deshalb auch Neolithische Revolution genannt). In Mitteleuropa umfasst sie den Zeitraum von 5600 bis 4900 v. Chr. und endet um 2150 v. Chr..

Kupfersteinzeit
Das Ende der Steinzeit wird eingeläutet durch den in Ägypten, Südosteuropa und Vorderasien aufkommenden Kupferbergbau und die ersten Techniken der Metallurgie. Der bekannteste Mensch der Kupfersteinzeit ist der als Kälte-Mumie erhaltene Ötzi. Mit der Bronzezeit, in der Metallgegenstände vornehmlich aus Bronze (einer Legierung von Kupfer und Zinn) hergestellt werden, endet die Steinzeit.