Immer wieder Schauplatz von Geldübergaben an Betrüger: Die Tiefgaragenzufahrt des Stuttgarter Amtsgerichts. Foto: Jürgen Bock

Telefonbetrüger treiben massiv ihr Unwesen in Stuttgart und der Region. Immer wieder bringen sie Menschen dazu, ihnen hohe Summen zu übergeben. Die Orte dafür sind dreist, manche Geschichten schier unglaublich.

Das Stuttgarter Amtsgericht gilt als ein Ort, an dem normalerweise keine Straftaten verübt, sondern abgeurteilt werden. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Zuletzt derart gehäuft, dass Justiz und Polizei sich jetzt genötigt sehen, eine ausdrückliche Warnung auszusprechen. Es geht um Schockanrufe, sehr viel Geld, Gold und Schmuck. Denn dreiste Telefonbetrüger versuchen, ihren Taten mithilfe des Gerichts einen seriösen Anstrich zu verpassen.

Es beginnt wie immer bei solchen Betrugsmaschen. Das Telefon klingelt – vorwiegend bei älteren Menschen – und es meldet sich wahlweise der angebliche Enkel, der Sohn oder die Tochter. Die stecken vermeintlich in einer furchtbaren Notlage und brauchen sofort Geld. Oder es ist ein falscher Polizist am Hörer, ein Staatsanwalt oder ein Gerichtsmitarbeiter. Die teilen dann mit, Verwandte hätten einen schweren Unfall verursacht, man müsse sofort eine Kaution stellen, um eine Inhaftierung zu verhindern. Ziel der Täter ist es immer, dass die Opfer hohe Geldsummen, Schmuck oder andere Wertgegenstände übergeben – an der Haustür oder an einem Treffpunkt.

Letzterer ist schon seit geraumer Zeit oft das Stuttgarter Amtsgericht in der Hauffstraße. In den vergangenen Wochen häufen sich die Fälle wieder. „Das Thema bewegt uns sehr. Wir hatten jetzt drei Vorfälle binnen kürzester Zeit“, sagt der Vizepräsident Andreas Arndt. In der Regel bestellten die Täter ihre Opfer zur Tiefgaragenzufahrt vor dem Haus oder auch direkt in die Tiefgarage. Als Begründung werde oft genannt, die offizielle Stelle innerhalb des Gebäudes habe gerade geschlossen.

Diese Masche hat zuletzt auch funktioniert – allerdings nicht immer. In einem besonders bizarren Fall konnte ein älteres Ehepaar davor bewahrt werden, seine Ersparnisse zu verlieren – per Zufall. „Deren Glück war, dass sie nicht ortskundig waren“, erzählt Arndt. Die beiden fanden den verabredeten Treffpunkt nicht, landeten stattdessen am Seiteneingang.

Dort traf der Senior auf einen Wachmann, den er nach dem Weg fragte. Der schaltete, rief die Polizei – doch der Abholer auf der anderen Seite des Gebäudes hatte bereits Lunte gerochen und war geflohen.

Das Ehepaar in diesem Fall hatte 45 000 Euro und mehrere Kilo Gold in einer Tasche dabei. Und war durch den vorausgegangenen Schockanruf dermaßen durch den Wind, dass es selbst dann noch nicht recht an einen Betrug glauben wollte, als Polizei, Wachpersonal und selbst Arndt persönlich mit ihnen sprachen. „Die waren so im Tunnel, dass sie das Geld dann bei uns abgeben wollten“, berichtet der Vizepräsident.

Lustig machen dürfe man sich über die Opfer freilich nicht, sagt Arndt. „Das kann jeden treffen, der auf dem falschen Fuß erwischt wird.“ Das bestätigt Hermann Volkert, Leiter des Referats Prävention bei der Stuttgarter Polizei: „Es wird hoher Druck auf die Leute ausgeübt, damit sie gar nicht erst zum Nachdenken kommen.“ Er kennt einen Fall, in dem ein voll im Berufsleben stehender Mann dazu gebracht worden sei, 40 000 Euro in einem Mülleimer beim Wagenburgtunnel zu deponieren.

Behörden holen niemals Bargeld ab

Dazu kommt, dass die Methoden immer raffinierter werden. Die verschiedenen Maschen werden vermischt, manchmal sowohl Festnetz- als auch Mobiltelefone der Opfer angerufen. Oft zeigt sich im Display die 110 oder die 0110 – Nummern, die niemals erscheinen, wenn die echte Polizei anruft.

Polizei und Gericht weisen darauf hin, dass niemals von Behörden Bargeld an der Haustür oder an irgendwelchen Treffpunkten abgeholt wird. Am Amtsgericht hängt inzwischen neben der Tiefgarage sogar ein Hinweisplakat. Die Polizei versucht, mit Prävention in Form von Vorträgen, Infoständen oder Briefen auf das Thema aufmerksam zu machen. Inzwischen werden auch Schulkinder bei der Fahrradprüfung informiert, damit das Umfeld von älteren Menschen sensibilisiert ist. Pflegedienste, Taxifahrer und Banken werden ebenso angesprochen.

Wer einen zweifelhaften Anruf erhält, sollte auflegen und Angehörige oder die Polizei informieren. Und keinesfalls seine Ersparnisse zusammenpacken. Damit in Zukunft am Amtsgericht kein Geld übergeben wird, sondern vielleicht der ein oder andere Betrüger abgeurteilt.