Mit Tagfaltern kennt sich Fritz Weber bestens aus. Hier durchstreift er die Schmetterlingswiese des BUND im Rosensteinpark. Foto: BUND

Fritz Weber ist ehrenamtlicher Schmetterlingszähler beim BUND. Seit Jahren beobachtet er die Population rund um die Grabkapelle. Um die 25 verschiedenen Arten sind am Württemberg heimisch.

Rotenberg - Was flattert denn da? Diese Fra ge mag sich angesichts der ersten Schmetterlinge, die jetzt in lauer Frühlingsluft gesichtet werden, so mancher Spaziergänger an der Grabkapelle stellen. Gut, den gelben Zitronenfalter kennt nun wirklich jedes Kind. Und auch, wie das Tagpfauenauge mit seinem typischen, namensgebenden Muster aussieht, wissen wohl viele. Doch auf den Wiesen rund um das prächtige Mausoleum sind bei genauem Hinschauen sehr viel mehr Falter zu entdecken. „Um die 25 Arten“, schätzt Fritz Weber. Darunter zum Beispiel auch Admiral, Kohlweißling, Distelfalter, einige Bläulinge, Ochsenauge, Schwalbenschwanz und Mauerfuchs.

Der ehrenamtliche Schmetterlingszähler des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND ) kennt sich aus, seit gut fünf Jahren schon beobachtet er die Population auf dem Württemberg. Etwa alle zwei Wochen – „das ist wetter- und zeitabhängig“ – kommt der Stuttgarter hier vorbei, die Grabkapelle liegt auf seinem Weg zur Arbeitstelle im Remstal. Dann läuft er eine rund 350 Meter lange Runde und achtet dabei auf das, was jeweils 2,50 Meter rechts und links von ihm vorbei flattert. In diesem fünf Meter breiten Korridor werden die gesichteten Schmetterlinge nach einer standardisierten Zählmethodik erfasst. „Ein Durchgang dauert etwa eine Stunde“, berichtet Fritz Weber, der beim deutschlandweiten Tagfalter-Monitoring mitmacht.

Wiesen werden kaum gemäht

Die Blühwiesen rund um die Grabkapelle gehören zum Stuttgarter Schmetterlingsprojekt des BUND. Seit 2010 hat die Organisation gemeinsam mit dem Wilhelma-Fachbereich Parkpflege acht solcher artenreichen Grünflächen angelegt, so sind auch im Rosensteinpark, an der Uni in Vaihingen, in der Wilhelma und im Unteren Schlossgarten Mischungen aus Wildb lumen und -kräutern auf magerem Boden ausgesät worden. Die Wiesen werden lediglich zwei Mal im Jahr gemäht und nicht gedüngt, um den Faltern Nahrungsquellen und sichere Plätze, wo sie ihre Eier abgelegen können, zu bieten – und ganz nebenbei den Forschern die Möglichkeit, die bedrohten Insekten, die für den Zusammenhalt des Ökosystems wichtig sind, zu beobachten,

So bunt wie früher ist die Welt der Schmetterlinge nämlich nicht mehr. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Grasflächen und dem damit oft verbundenen Einsatz von Pestiziden, aber auch durch die fortschreitende Versiegelung und Verödung der Hausgärten schwindet ihr Lebensraum rasant. Zwei Drittel der heimischen Tagfalter werden bereits auf der „Roten Liste“ geführt. Im ver gangenen Oktober schlugen Wissenschaftler gar Alarm: Es seien immer weniger Schmetterlingsarten zu finden, so das Fazit einer fläch endeckenden Langzeitstudie, für die Daten über die tagaktiven Schmetterlinge in Südwestdeutschland bis zurück in das 18. Jahrhundert genutzt wurden. Sie stammen vor allem aus der zentralen Landesdatenbank Schmetterlinge am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe. Der Studie zufolge sind bislang zwar nur wenige der 163 untersuchten Arten vollständig aus Baden-Württemberg verschwunden. Viele anspruchsvollere Arten würden jedoch lediglich in wenigen und dazu sehr kleinen und isolierten Populationen überleben.

Auf Betriebstemperatur kommen

„Schmetterlinge sind Indikatoren für den Zustand der Natur“, diese Beobachtung macht auch Fritz Weber. Während seiner vier Lebensstadien – von der Eiablage über die Raupe und Puppe bis hin zum Falter – stelle ein Schmetterling sehr unterschiedliche Anforderungen an seinen Lebensraum. An der Grabkapelle seien die Bedingungen für viele Arten gut – hier fänden sie warme Südseiten, aber auch schattige Hänge und eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft vor. Nicht umsonst gelten die mageren, blumenreichen Wiesen unterhalb des Mausoleums deshalb als Paradestück des Projektes. Hier gebe es mehr Schmetterlinge als anderswo in der Stadt, meint Fritz Weber. In ganz Stuttgart seien etwa 40 Tagfalterarten heimisch – allerdings nicht der Grüne Zipfelfalter, der Schmetterling des Jahres 2020. „Der ist hier noch nie vorgekommen.“

Dass die Insekten nicht immer und überall zu sehen seien, habe auch andere Gründe: „Wenn es kühl ist, fliegen die Tiere nicht.“ Schmetterlinge bräuchten nämlich eine bestimmte „Betriebstemperatur“, erläutert der Experte , der sein W issen gern an Interessierte weitergibt. Zum Beispiel bei Schmetterlingsspaziergängen des BUND, die etwa vier, fünf Mal im Jahr stattfinden. Eigentlich sollte in diesen Tagen ein solcher rund um den Württemberg führen, doch aufgrund der Corona-Pandemie musste der Termin abgesagt werden. „Wir werden das im Sommer nachholen“, hofft Fritz Weber. Beobachtungen seien bis Ende September möglich, manchmal auch noch in einem „Goldenen Oktober“.

Die Schönheit fasziniert

Zu berichten gebe es jedenfalls viel. Etwa, dass die in diesen Frühlingstagen umherschwirrenden Falter zum Großteil nicht frisch geschlüpft seien, sondern quasi als Vorjahres-Schmetterlinge aus ihrem Winterverstecken, etwa in Spalten und Ritzen in Kellern oder auf Dachböden, hervorgekommen seien. Diese Generation sorge nun mit Paarung und Eiablage für Nachkommen und sterbe dann ab. Schmetterlinge, die nach dem Raupen- und Puppenstadium im Sommer umherflögen, seien dann Generation Nummer zwei, die sich ab Herbst wiederum in Winterruhe begebe.

Fritz Weber gerät ins Schwärmen, wenn er von Tagfaltern erzählt. Schon als Schüler habe er sich für die Insekten begeistert. Was ihn an Schmetterlingen so fasziniert? „Ganz einfach: Ihre Schönheit, die ins Auge sticht. Die vielen Erscheinungsformen, die Farbenpracht, die Artenvielfalt.“ Und um all das zu sehen, müsse man nicht einmal in ferne Länder reisen.