Herbert Linge beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans im Jahr 1963. Foto: imago images//Rainer Schlegelmilch

Bundesverdienstkreuzträger, Rennfahrer, Stuntman und mehr: Der Weissacher Ehrenbürger Herbert Linge ist im Alter von 95 Jahren am Freitag verstorben.

In seinem Heimatort Weissach war Herbert Linge nicht weniger als eine Legende, im Jahr 2006 wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Doch er war weit über die Grenzen der Gemeinde am Strudelbach hinaus bekannt. Als Rennfahrer, Stuntman und enger Vertrauter von Ferry Porsche hat Linge sich einen Namen gemacht, er erhielt sogar das Bundesverdienstkreuz. Ihm ist es außerdem zu verdanken, dass das Porsche-Entwicklungszentrum auf Weissacher Grund steht. Am Freitag ist er im Alter von 95 Jahren verstorben.

Herbert Linge wurde am 11. Juni 1928 in Weissach geboren. Er gehörte zu den acht ersten Mechanikerlehrlingen bei Porsche und wurde dort der erste Porschetestfahrer. Mehrere Rennfahrer verdanken ihm außerdem ihr Leben: Nachdem in den 60er-Jahren viele Fahrer gestorben waren, entwickelte Herbert Linge ein Rettungskonzept: Fortan sollte jede Stelle eines Kurses innerhalb einer Minute von Hilfskräften mit Feuerlöschern und Metallscheren erreichbar sein. Unter anderem für die Gründung der Sicherheitsstaffel der Obersten Nationalen Sportkommission für Automobilsport (ONS) erhielt er später das Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk.

Erst vor einem halben Jahr feierte Linge seinen 95. Geburtstag ausgelassen und im Kreis vieler Freunde und Würdenträger. Auf die Ankündigung des Vereins Freunde Luftgekühlter Boxermotoren, seinen 100. groß in Weissach feiern zu wollen, antwortete er: „Aber dann zwei Tage lang!“ Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Die Erinnerung an ihn wird dafür noch weit über seinen 100. Geburtstag hinaus bestehen bleiben.

Porsche: „Wir sind sehr dankbar“

„Die Nachricht über seinen Tod macht uns traurig“, sagt Michael Steiner, Mitglied des Vorstandes Forschung und Entwicklung der Porsche AG. „Herbert Linge war nicht nur ein Porsche-Mann der ersten Stunde, sondern auch ein Wegbegleiter über viele Jahrzehnte. Wir danken ihm für seinen Einsatz als Renn- und Rallyefahrer, als Ideengeber und Techniker.“ Linge sei ein Visionär und eine der führenden Persönlichkeiten im Entwicklungszentrum Weissach gewesen. „Er hat den Kundendienst in den USA federführend mit aufgebaut und sich in besonderer Weise für die Sicherheit im Motorsport eingesetzt. Er bleibt für uns und die gesamte Porsche Familie weltweit unvergessen.“

Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG, fasst zusammen: „Herbert Linge kannte meinen Großvater noch persönlich. Dank Mitarbeitern wie ihm gelang es Porsche, die Geschäftstätigkeit in Stuttgart mit meinem Vater Ferry neu auf- und international auszubauen. Dafür sind wir sehr dankbar.“

Seine Laufbahn bei Porsche sucht ihresgleichen. Er war der erste Mechaniker, den das Unternehmen Porsche nach der Rückkehr aus Gmünd in Stuttgart beschäftigte, und war an der Entwicklung des ersten in Stuttgart konstruierten Porsche 356 beteiligt. „Jeder der frühen Sportwagen wird erst ausgeliefert, nachdem Linge ihn Probe gefahren hat“, heißt es im Nachruf des Unternehmens.

Rennfahrer-Double für Steve McQueen

Als Rennfahrer konnte Herbert Linge zahlreiche Erfolge feiern. Als Co-Pilot von Hans Herrmann erreichte er bei der Mille Miglia im Jahr 1954 einen Klassensieg. „Der Einsatz bleibt vielen unvergessen, schließlich mussten sich Herrmann und Linge im 550 Spyder wegducken, um noch unter der schließenden Schranke eines Bahnübergangs durchzukommen.“ Auch das Jahr 1970 blieb unvergessen: Nachdem er beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans mit einem für die Dreharbeiten zu einem Kamerawagen umfunktionierten Porsche 908 teilgenommen hatte, doubelte er Steve McQueen in den Rennszenen zum Film „Le Mans“. „Steve McQueen war zunächst sehr reserviert“, erzählte der Weissacher zu seinem 95. Geburtstag. „Aber als er einen dann kannte, war er ein guter Kumpel. In der Mittagspause hat er mich öfter gefragt, ob wir eine Runde mit den Motorrädern drehen. Dann sind wir durch den Wald in der Mitte des Kurses gebrettert. Ein tolles Erlebnis.“

Sogar im Ruhestand blieb Herbert Linge Porsche und dem Motorsport über Jahre hinweg verbunden, unter anderem als Motorsportberater und Manager des Carrera Cup. Im von ihm gegründeten Oldtimer-Club Weissach blieb er bis ins hohe Alter aktiv. „Er kam zu allen Oldtimer-Treffen“, erzählt der Vorsitzende, Timo Kuthada. „Selbst mit 95 Jahren noch.“ In Anerkennung für Herbert Linges großes Engagement ernannte ihn der Club zum Ehrenmitglied und benannte sogar die Terrasse seines neuen Clubhauses nach ihm: Herbert-Linge-Platz.

„Ein vielseitiger Mensch, mit vielseitigen Interessen und Erfahrungen“

„Auch wenn ich Herbert nur kurze Zeit kennen durfte, so weiß ich doch, was für ein kraftvoller Mensch er gewesen ist, mit einem lebendigen Geist“, sagt Timo Kuthada. Das bestätigt der ehemalige Vorsitzende Anton Rehr. Vor 40 Jahren sind er und Herbert Linge sich zum ersten Mal begegnet. „Er war ein unheimlich vielseitiger Mensch, mit vielseitigen Interessen und Erfahrungen“, erzählt Rehr. „Als wir vor fünf Jahren zum Anlass seines 90. Geburtstags in der Strudelbachhalle eine Herbert-Linge-Ausstellung veranstaltet haben, hat er mir beim Betrachten seiner Rennsportbilder gesagt: ,Wenn ich mir das so ansehe, was ich damals so getrieben habe, wird mir schon ein bisschen bange...‘ Die Rennfahrer seiner Zeit haben das Risiko damals vollständig verdrängt.“

Herbert Linges Geist sei bis zuletzt klar geblieben, auch und vor allem durch die liebevolle Unterstützung seiner Betreuerin, die ihn nach dem Tod seiner Frau Lilo vor zehn Jahren „fit und vital gehalten“ hat. „Der Oldtimer-Club Weissach verliert mit ihm sein einziges Ehrenmitglied, seinen Gründer und einen wunderbaren Menschen. Herbert, wir werden Dich vermissen“, sagt Anton Rehr.