Der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn hat erneut unruhige Zeiten. Foto: Simon Granville

Drei Frauen wenden sich mit Vorwürfen gegen den Oberbürgermeister von Leonberg an den Gemeinderat. Martin Georg Cohn spricht von „Diffamierung“. Regierungspräsidium und Staatsanwaltschaft sollen prüfen.

Post aus Leonberg haben die Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne) und die Staatsanwaltschaft bekommen. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich um Erklärungen dreier Ex-Freundinnen des Leonberger Oberbürgermeisters Martin Georg Cohn (SPD). Die Fraktionen von Freien Wählern, CDU sowie zwei Ratsgruppen haben die vertraulichen Unterlagen nach Stuttgart geschickt.

Über deren Inhalt machen die Fraktionen keine Aussagen, aber offenbar werde er als so brisant erachtet, dass es die Ratsmitglieder für dringend nötig halten, dass die Staatsanwaltschaft wie auch die Kommunalaufsicht die Papiere prüfen. Dem Vernehmen nach soll es auch um den Verdacht der Vorteilsnahme gehen.

Der Oberbürgermeister hat gegen das Vorgehen der Stadträte nichts einzuwenden, im Gegenteil: „Die Weiterleitung der diffamierenden Unterlagen an das Regierungspräsidium Stuttgart und an die Staatsanwaltschaft begrüße ich“, erklärt Cohn auf Anfrage unserer Zeitung. „Dadurch können die Vorwürfe in einem rechtsförmlichen Verfahren von einer unabhängigen Ermittlungs- sowie Disziplinarbehörde geprüft werden, zumal ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.“ Die Schreiben seiner früheren Partnerinnen bezeichnet Cohn als „unwahre und ehrenrührige Behauptungen der untersten Kategorie“. Er soll „diskreditiert und in den Schmutz gezogen“ werden.

Die seit einigen Tagen den Stadträten vorliegenden Erklärungen stehen womöglich im Zusammenhang mit dem schon seit anderthalb Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen OB Cohn und seiner Stellvertreterin Josefa Schmid (FDP), der mit einer angeblichen Tempo-Überschreitung des Oberbürgermeisters seinen Anfang genommen hatte. Beide haben sich gegenseitig angezeigt. Die Fälle liegen seither bei der Staatsanwaltschaft und beim Regierungspräsidium. Beide Behörden schweigen eisern.

Aufregung um OB-Buch

Die Aufregung wurde noch größer, als Cohn im Oktober 2022 sein Buch „Vetternwirtschaft“ herausbrachte. In dem bezichtigt er Mitglieder des eigenen Gemeinderates, durch ihre Mandate Vorteile bei Auftragsvergaben zu erhalten. An Stammtischen würden „bestimmte Dinge eigentlich entschieden,“ schreibt er in dem Buch.

Umso brisanter war zwei Monate später die zuerst in der „Bild“-Zeitung veröffentlichte Meldung, dass Cohn beim Kauf eines Luxussportwagens der Marke Aston Martin einen Rabatt von fast 88 000 Euro erhalten habe. Der Neupreis liege bei mehr als 212 000 Euro.

Auf Nachfrage unserer Zeitung ließ der OB seinerzeit durch seinen Anwalt erklären, dass der üppige Preisnachlass keineswegs eine Art Honoratioren-Bonus sei, sondern auf einer allgemeinen Rabattaktion des Unternehmens beruhe. Es gebe zwischen der Firma Aston Martin und der Stadt Leonberg keine geschäftlichen Kontakte. In den jetzt vorliegenden Erklärungen wird dem Vernehmen nach ein Zusammenhang zwischen dem OB-Amt und dem Rabatt hergestellt.

Die britische Luxusmarke ist nicht mit eigenen Vertretungen in Deutschland präsent. Die drei Verkaufsstandorte gehören zur Emil-Frey-Gruppe, die auch die Schwabengarage in Leonberg betreibt. Eine aktuelle Anfrage beim Autohaus, vor welchem Hintergrund Cohn der hohe Rabatt gewährt wurde, blieb unbeantwortet.

Persönlichkeitsrecht steht über allem

Vorläufiger Höhepunkt des Dramas im Leonberger Rathaus war die Zwangsbeurlaubung der Ersten Bürgermeisterin im Juni des vergangenen Jahres. Cohn warf Josefa Schmid „schwerwiegende Verletzungen der Dienstpflicht“ vor und sah das Vertrauensverhältnis als „irreparabel erschüttert“ an.

Im Dezember war eine Abordnung des Leonberger Gemeinderates bei Regierungspräsidentin Susanne Bay, um sich die Gründe für die überaus lange Dauer der dienstrechtlichen Prüfungen erläutern zu lassen. Tenor: Das Persönlichkeitsrecht steht quasi über allem, ein Oberbürgermeister hat laut Kommunalverfassung eine fast regentenartige Position. Außerdem müsse das Regierungspräsidium abwarten, bis die Staatsanwaltschaft die eigenen Ermittlungen abgeschlossen habe. Vorher könne die Kommunalaufsicht nicht handeln. Die Stadträte appellierten an das Regierungspräsidium und die Staatsanwälte dringend, endlich Klarheit in dem bleiernen Verfahren zu schaffen. Geschehen ist seither nichts.

Ex-Kripo-Mann übermittelt Unterlagen

Nun also die Erklärungen der früheren Freundinnen. Die sind keineswegs aus dem Nichts heraus aufgetaucht, sondern wurden von Kurt Kindermann den Fraktionsspitzen per Mail weitergeleitet. Der frühere hochrangige Kripo-Beamte, der den Stadtverband der Leonberger FDP führt, hält die Erklärungen offensichtlich für äußerst relevant. „Ich stehe für Recht, Ordnung und Aufklärung“, begründet der einstige international agierende Profiler auf Anfrage sein Handeln. Statt „Verschleierung und Verhinderung“ fordert er Transparenz: „Öffentliche Ämter müssen von integren Personen mit dem Willen zur Aufklärung geführt werden.“ Das Regierungspräsidium und die Staatsanwaltschaft lehnen unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht Stellungnahmen zur aktuellen Lage ab.

Die Stimmung im Leonberger Gemeinderat ist derweil angespannt. „Eine Bewertung des Inhalts ist uns nicht möglich“, sagt der CDU-Chef Oliver Zander. „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen und haben gemeinsam mit den Freien Wählern und den Ratsgruppen SALZ und Volt die Unterlagen an das Regierungspräsidium und die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Wir erwarten eine zeitnahe Prüfung und die Rückmeldung, was die Behörden unternehmen werden.“

Betroffenheit im Gemeinderat

Der Grünen-Fraktionschef Bernd Murschel sieht das Regierungspräsidium „dringend“ am Zug. „Alle Fraktionen sind bemüht, die Verwaltung funktionsfähig zu halten“, sagt er. „Es klemmt an allen Ecken und Enden: bei der Mitarbeiterführung und beim fehlenden Personal.“

„Die Staatsanwaltschaft und das Regierungspräsidium müssen die Vorwürfe beurteilen“, sagt der SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier. Dass das Thema im Vorfeld der Kommunalwahlen auftauche, sei aber „auffällig“. Cohn kandidiert am 9. Juni auf der SPD-Liste für den Kreistag, Schmid tritt für die FDP an.

Durch die neuerlichen Diskussionen werde nicht nur „gezielt das Amt des OB beschädigt, sondern der Ruf der gesamten Stadt Leonberg erleidet wiederholt immensen Schaden“, meint Pfitzenmaier. Auch werde der Wahlkampf „massiv beeinflusst“.

„Bestürzt“ über den Inhalt des Schreibens der Ex-Freundinnen zeigt sich der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Horst Nebenführ. „Ich hoffe, dass die jetzige Entwicklung endlich zu einer Beschleunigung der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft und der Entscheidungen beim Regierungspräsidium führt. Die Hängepartie in der Sache verunsichert und belastet unsere Stadtverwaltung ganz enorm, verärgert den Gemeinderat und führt bei der Bevölkerung zu berechtigtem Unverständnis.“

Anmerkung der Redaktion: Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Oberbürgermeister Cohn wurden mangelnden hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO  eingestellt. Das hat Cohns Anwalt Max Klinger dem Leonberger Gemeinderat am 25. Februar 2025 in öffentlicher Sitzung mitgeteilt. Die Erste Bürgermeisterin Josefa von Hohenzollern wurde am 4. März 2025  vom Amtsgericht Leonberg von den Vorwürfen der Urkundenfälschung und des versuchten Betruges freigesprochen.