Premier Mark Rutte (links) als Vermittler. Nach dem Terrorangriff der Hamas reiste er zu Vermittlungsversuchen in den Nahen Osten. Dort traf er sich auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Foto: AFP

Jens Stoltenberg wird den Posten 2024 räumen. Der niederländische Premier bringt sich nun als Nachfolger ins Spiel.

Das Rennen um den Posten des Nato-Generalsekretärs ist eröffnet. „Es ist ein sehr schöner Job“, räumte Mark Rutte am Wochenende in der Den Haager Radiosendung „Spuigasten“ fast beiläufig ein. Er fände es „sehr interessant“ an der Spitze des Verteidigungsbündnisses zu stehen, auch könne er dort „etwas beitragen“, sagte Rutte weiter.

Seit der überraschenden Rücktrittsankündigung im Juli wird über die Zukunft des niederländischen Noch-Premiers spekuliert. Dass sich der 56-Jährige auf das vorgezogene Altenteil zurückziehen würde, hatte niemand erwartet. Schnell war er deshalb als Nachfolger des scheidenden Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg im Gespräch. Dessen Amtszeit ist zwar bereits abgelaufen, war wegen des Krieges in der Ukraine aber verlängert worden. Der Stabwechsel könnte beim Jubiläumsgipfel in Washington im Juli 2024 stattfinden, auf dem das Bündnis seinen 75. Geburtstag feiert.

Nur noch kurze Zeit im Amt des Premiers

Mark Rutte selbst wird noch bis Ende November geschäftsführend Regierungschef bleiben, dann wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Seine Koalition war an einem monatelangen Streit über die Verschärfung der Asylgesetze zerbrochen. 13 Jahre war Rutte dann im Amt und er hat sein diplomatisches Geschick in vielen Koalitionen und während zahlreicher politischer Krisen bewiesen, was ihm den Spitznamen Teflon-Mark einbrachte.

Doch kaum hat sich der Noch-Premier in Stellung gebracht, melden sich die ersten Kritiker zu Wort. „Rutte ist keine Überraschung“, kommentiert Claudia Major, Leiterin Sicherheitspolitik der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik, auf der Nachrichtenplattform X (vormals Twitter). Sie zweifelt nicht an Ruttes Fähigkeiten, hielte seine Berufung aber für eine „unglückliche“ politische Botschaft und stellt zwei zentrale Fragen: Weshalb keine Frau? Weshalb niemand aus den „neuen“ Nato-Staaten?

Die berechtigte Frage nach einer Frau

Tatsächlich wünschen sich einige Bündnis-Mitglieder eine Frau als Generalsekretärin. Immer wieder fiel in der Vergangenheit der Name der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen, der allerdings dann wenig Chancen ausgerechnet wurden. Nach dem Dänen Anders Fogh Rasmussen und dem Norweger Stoltenberg sollte nicht wieder eine Skandinavierin an der Spitze der Allianz stehen. Auch die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova wird in den einschlägigen Zirkeln immer wieder genannt. Zuletzt wurden auch der deutschen Ursula von der Leyen Ambitionen nachgesagt, was die amtierenden EU-Kommissionspräsidentin auf Nachfragen allerdings immer unbeantwortet lässt.

Mark Rutte bringt sich bereits in Stellung

Mark Rutte selbst scheint sich für den neuen Posten bereits in Stellung zu bringen. So stattete er Israel nach dem Terrorangriff der radikalislamischen Hamas demonstrativ einen Solidaritätsbesuch ab, was auch in den USA wohlwollend registriert wurde. Gerüchten zufolge soll US-Präsident Joe Biden große Sympathien für den Niederländer hegen. Auch zählen die Niederlande zu den wichtigen Unterstützern der Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor. So hat Rutte schon sehr früh die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen angekündigt.

Die USA selbst beobachten die Bewerbungen um den leitenden Nato-Posten entspannt aus der Ferne. Für sie zählt in diesem Spiel der militärischen Mächte allein die im Grunde wichtigere Rolle des Saceur, des Kommandeurs der US-Streitkräfte in Europa und Nato-Oberbefehlshabers (Supreme Allied Commander Europe). Dieser Posten wurde jüngst mit dem US-General Christopher Cavoli besetzt.