Die Polizei sperrte den Friedhof großräumig ab. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Ein 23-Jähriger soll auf einem Friedhof in Altbach eine Handgranate auf Trauergäste geworfen haben. Ihm wird wohl bald der Prozess gemacht, damit ist er jedoch nicht alleine.

Nach dem Angriff auf dem Altbacher Friedhof in der Nähe von Esslingen hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen einen iranischen 23-jährigen Staatsangehörigen wegen des Verdachts des versuchten Mordes, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, der gefährlichen Körperverletzung und des unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe Anklage zum Landgericht Stuttgart erhoben.

Dem 23 Jahre alten Angeschuldigten wird zur Last gelegt, am Freitag, 9. Juni, im Rahmen einer Trauerfeier auf dem Friedhof in Altbach absichtlich eine Handgranate in Richtung des auf dem Vorplatz der Aussegnungshalle versammelten und ihm großenteils den Rücken zukehrenden Teils der Trauergemeinde geworfen zu haben. Der junge Mann soll einer „multiethnischen“ Gruppe aus den Räumen Stuttgart-Zuffenhausen und Göppingen nahestehen, auf dem Friedhof hielten sich Mitglieder und Sympathisanten einer rivalisierenden Gruppierung auf, deren Schwerpunkte in Ludwigsburg, Esslingen und Plochingen liegen. Eigentlich sollte die Handgranate in der Mitte der Trauergemeinde explodieren. „Durch glückliche Umstände wurde der Sprengkörper abgelenkt und landete etwa 30 Meter von dem Vorplatz entfernt“, so die Staatsanwaltschaft. Die dabei freigesetzten Stahlkugeln hätten mindestens 15 Personen teils schwer verletzt.

Auf Bewusstlosen eingetreten

Der 23 Jahre alte Mann befindet sich in Untersuchungshaft. Das Landgericht Stuttgart hat nun über die Eröffnung der Hauptverfahren und die Anberaumung der Verhandlungstermine zu entscheiden. Doch nicht nur er muss sich für sein Verhalten auf der Beerdigung verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt gegen fünf weitere Trauergäste Anklage erhoben. Die 19 bis 21 Jahre alten Männer, die mutmaßlich der Esslinger Gruppe angehören sollen, sollen den Tatverdächtigen nach dem Wurf der Handgranate eingeholt haben, ehe er mit einem Taxi flüchten konnte. Ihnen wird vorgeworfen, den 23-Jährigen noch im Fahrzeug attackiert zu haben. Anschließend sollen die Männer ihn aus dem Wagen gezerrt und ihm weitere Faustschläge und Fußtritte – auch gegen den Kopf – verpasst haben, obwohl er bereits das Bewusstsein verloren hatte. Herbeigerufenen Rettungssanitätern sollen sie zudem mit dem Tode gedroht und diese so von Rettungsmaßnahmen abgehalten und ihre Angriffe auf den 23-Jährigen fortgesetzt haben, bis mehrere Polizeibeamte eintrafen. Der Mann wurde lebensgefährlich verletzt, war zunächst nicht vernehmungsfähig.

Die Staatsanwaltschaft hat daher gegen die fünf Angeschuldigten – zwei haben eine deutsche, zwei eine türkische und einer eine georgische Staatsangehörigkeit – unter anderem Anklage wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen versuchten Totschlags und der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung zum Landgericht Stuttgart erhoben. Auch sie sitzen in Untersuchungshaft.

Der Handgranatenwurf auf dem Altbacher Friedhof war der vorläufige Höhepunkt in einer beispiellosen Serie von Attacken, die im Juli 2022 begann. Die Täter feuerten gezielt auf Personen im öffentlichen Raum – vor Gaststätten, auf Plätzen, teilweise mitten am Tag. Stuttgart, Göppingen, Esslingen, Plochingen, Reichenbach, Ludwigsburg – die Tatorte waren über die ganze Region verstreut. Es gab mehrere Schwerverletzte. Am 8. April 2023 wurde ein 18-Jähriger in Asperg im Kreis Ludwigsburg dann auf einem Schotterparkplatz erschossen.

Die Ermittler führen mehrere Hundert Namen, die den beiden schießwütigen Gruppierungen zugerechnet werden. Immer wieder kommt es zu gezielten Festnahmen. Am Mittwoch erst waren vier junge Männer zu Haftstrafen verurteilt worden wegen einer Schießerei in Mettingen.