Haben bald wieder direkten Einfluss auf die Porsche AG: Hans Michel Piëch (li.) und Wolfgang Porsche. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

VW und die Porsche-Holding wollen nun über einen Börsengang des Sportwagenherstellers entscheiden. Die Familien Porsche und Piëch planen damit zugleich, den verlorenen Zugriff auf die Porsche AG zurückerobern.

In der Region Stuttgart kommt es wahrscheinlich bald zum größten Börsengang, den Europa in den vergangenen Jahren erlebt hat. Auf 60 bis 85 Milliarden Euro wird der Wert des Stuttgarter Sportwagenherstellers Porsche AG geschätzt, den sich der Volkswagen-Konzern seinerzeit einverleibt hatte, nachdem es Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nicht gelungen war, seinerseits Volkswagen zu übernehmen. An diesem Montag wollen die Aufsichtsräte und Vorstände der Volkswagen AG und von deren Großaktionär Porsche Automobil Holding SE darüber entscheiden, 12,5 Prozent der Porsche-AG-Aktien wieder an die Börse zu bringen.

Einfluss durch Blockademöglichkeit

Nicht weniger bedeutsam ist eine andere Entscheidung, die gleichzeitig bei den beteiligten Unternehmen ansteht. Die Porsche SE plant, von der Volkswagen AG, die bisher alle Stamm- und Vorzugsaktien des Stuttgarter Sportwagenherstellers hält, 25 Prozent der Stammaktien plus eine weitere Stammaktie der Porsche AG zu erwerben. Das würde aus Sicht der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch eine schmerzhafte Folge der einst gescheiterten Übernahme lindern. Denn im Zuge der Einverleibung des Sportwagenherstellers in den Volkswagen-Konzern verloren sie den direkten Zugriff auf die Porsche AG. Nun wollen sie den geplanten Börsengang nutzen, um sich diesen Zugriff wieder zu verschaffen. Kommt alles wie geplant, werden sie mit einem Anteil von etwas über 25 Prozent der Stammaktien eine Sperrminorität besitzen. Mit dieser könnten sie wichtige strategische Weichenstellungen bei der Porsche AG blockieren. Schon diese theoretische Möglichkeit hierzu verschafft ihnen einen weitreichenden Einfluss, den sie bisher allenfalls indirekt über die Volkswagen AG ausüben konnten.

Fein austarierte Eigentumsverhältnisse

Die Eigentumsverhältnisse in dem Volkswagen-Porsche-Konstrukt sind kompliziert und fein austariert: Ganz oben thront die Porsche SE, die knapp 32 Prozent der Volkswagen-Aktien hält. Unter diesen Aktien sind aber überdurchschnittlich viele Stammaktien, die den Eigentümern – im Gegensatz zu den Vorzugsaktien – Stimmrechte verschaffen. Betrachtet man lediglich die Stammaktien, kommt die Porsche SE bei Volkswagen auf einen wesentlich höheren Anteil von 53,3 Prozent. Sie hat somit bei dem deutschen Industrieriesen eine Mehrheit der Stimmrechte.

Das alleinige Sagen hat die Porsche SE trotzdem nicht – schon allein deshalb, weil auch das Land Niedersachsen über maßgeblichen Einfluss verfügt. Es hält zwar nur 20 Prozent der Stimmrechte, profitiert aber von einer für dieses Land maßgeschneiderten Regelung im VW-Gesetz, nach dem bei Volkswagen bereits 20 Prozent statt 25 Prozent plus eine Aktie für eine Sperrminorität ausreichen.

Bei der Porsche SE selbst sind die Machtverhältnisse einfach: Ihre Stammaktien liegen allein in den Händen der Familien Porsche und Piëch. Sie besitzen bei Volkswagen somit die Mehrheit der Stimmrechte, können aber schon wegen des VW-Gesetzes nicht durchregieren – schon gar nicht bei der VW-Porsche AG, die somit eine Enkeltochter der Holdinggesellschaft ist.

Während sich die Familien Porsche und Piëch durch einen Aktienkauf direkten Zugriff auf strategische Entscheidungen bei dem Sportwagenhersteller verschaffen, werden die künftigen Aktionäre der Porsche AG vergleichsweise wenig zu melden haben. Sie werden lediglich über Vorzugsaktien verfügen, die kein Stimmrecht verbriefen.

VW kann das Geld gut gebrauchen

An den Verhältnissen in dem künftigen Gebilde gibt es schon jetzt deutliche Kritik. Der Kapitalmarkt habe nur die Rolle des Geldgebers ohne Mitspracherecht, kritisierte Ingo Speich, Nachhaltigkeitschef der Fondsgesellschaft Deka.

Auch die Rolle von Porsche-Chef Oliver Blume, der seit Kurzem auch an der Spitze des VW-Konzerns steht, stößt am Kapitalmarkt auf reichlich Kritik. Denn einerseits hat Porsche unter Blume stärker als alle anderen Konzerngesellschaften auf seine Unabhängigkeit gepocht; andererseits wird es zu Blumes Rolle als VW-Chef gehören, die Konzerngesellschaften so zusammenzuführen, dass aus Sicht von VW möglichst hohe Einsparungen realisiert werden.

VW versucht, solche Interessenkonflikte durch rechtliche Regelungen zu vermeiden. „Was meine persönliche Rolle betrifft, bin ich beim geplanten Börsengang aufseiten der Porsche AG“, erklärte Blume. Hendrik Schmidt vom Vermögensverwalter DWS ist dagegen der Meinung, Interessenkonflikte sollten von vornherein vermieden werden. „Der Konzern wäre dringend beraten, solche Konstellationen durch eine nachhaltige Personalpolitik ebenso grundsätzlich zu vermeiden wie teure Anwaltshonorare für externe juristische Begleitung“, sagte Schmidt vor Kurzem unserer Zeitung. Diese Honorare würden „am Ende auch von den Minderheitseigentümern bezahlt“.

VW selbst kann die Einnahmen aus dem Börsengang gut gebrauchen – man will damit die Finanzierung neuer E-Modelle, von Batteriefabriken und der Entwicklung einer konzernweiten Software stärken, bei der man in tiefen Problemen steckt. Zugleich soll die Abspaltung den Börsenkurs von Volkswagen steigern.

49 Prozent der Gesamterlöse aus dem Börsengang sollen das Unternehmen allerdings sogleich verlassen und den VW-Aktionären als Sonderdividende zufließen. Weil zu diesen Aktionären auch die Porsche SE und somit auch die Familien Porsche und Piëch zählen, finanziert sich für diese Familien der Kauf der Aktien des Stuttgarter Sportwagenherstellers teilweise von selbst.