Aysen Ener vor ihrer Palette. Derzeit darf sie im Restaurant und Kunst-Café nur Gerichte zum Mitnehmen anbieten – kein lukratives Geschäft Foto: Steegmüller

Pächterin Aysen Ener vermisst Unterstützung der Behörden. November-Hilfe wurde ihr verweigert.

Bad Cannstatt - Egal ob Des Geyers schwarzer Haufen, Paul Walker und Karen Pfeiffer aus England oder die Schweiz-Amerikanerin Beth Wimmer – die Konzerte in der Palette waren regelmäßig Publikumsmagnete. Auch Chanson- und Flamenco-Abende mit Marc Delphy lockten zahlreiche Gäste in das kleine Restaurant und Kunst-Café in der Brunnenstraße 19. „Nicht zu vergessen sind unsere Lokalmatadore, die Honorable Men“, sagt die Betreiberin Aysen Ener. „Auch das Pub-Quiz erfreute sich ebenfalls schnell wachsender Beliebtheit.“

Zweiter Lockdown der Todesstoß

Seit dem vergangenen Frühjahr ist jedoch nichts, wie es einmal war. „Den ersten Lockdown habe ich dank der Soforthilfe für Selbstständige noch ganz gut überstanden.“ Auch der Sommer sei im Rahmen der Möglichkeiten und unter Befolgung der Corona-Maßnahmen noch okay gewesen. Richtig zu spüren habe die ehemalige Deutsch- und Englisch-Lehrerin, die unter anderem am Gottlieb-Daimler-Gymnasium Schülerinnen und Schüler unterrichtete, die Corona-Krise im Spätherbst bekommen. „Glücklicherweise konnte mir das Virus gesundheitlich nichts anhaben, für die Palette bedeuten die Corona-Beschränkungen und die erneute Zwangsschließung aber wohl den Todesstoß. Seit dem zweiten Lockdown geht es bergab.“

Job als Tutorin das Problem

Das Problem: Von den versprochenen November- und Dezember-Hilfen bekomme sie keinen Cent. „Ich hätte ja noch meine Unterrichtstätigkeit und sogar noch meine Rente, lautet die Begründung.“ Sie arbeitet als selbstständige Tutorin – unter anderem gibt sie Bosch-Mitarbeitern, die ins Ausland gehen oder nach Deutschland kommen, Sprachkurse. Dass diese aufgrund von Corona-Bestimmungen quasi nicht mehr stattfinden würden und sie so gut wie nichts einnehmen könne, sei den Behörden egal. „Mit meiner Mini-Rente kann ich, mit einem Kleinkredit und äußerster Sparsamkeit noch bestreiten, wofür man so Geld braucht. Wohn- und Energiekosten, Lebensmittel, Dinge des täglichen Bedarfs“, sagt Ener. „Für die Kosten der Palette wie Pacht, Vorauszahlungen an Energieanbieter, Buchführung und andere Ausgaben, die weiterlaufen, auch wenn das Restaurant geschlossen bleiben muss, bleibt nichts übrig.“

Keine große Nachfrage

Aysen Ener bietet zwar noch Essen zum Mitnehmen an. „Die Nachfrage ist aber nicht so groß. Wahrscheinlich wegen der insgesamt drückenden Atmosphäre, die Straßen sind ja auch nicht direkt belebt, oder?“ Das Problem sei, dass niemand wisse, wann es wieder weitergeht, wann wieder Normalität einkehre. „Lang halte ich definitiv nicht mehr durch. Einige Stammgäste versuchen, mich zu unterstützen, indem sie ab und zu vorbeikommen und einen Salat oder einen Kaffee mitnehmen, aber das reicht natürlich hinten und vorne nicht“, sagt Ener, die vor der Palette die Cannstatter Kunstgalerie Nimet betrieben hat. „Sie befand sich gegenüber der Palette, wo jetzt der griechische Lebensmittelladen ist – eine würdige Nachfolge, finde ich.“

Mietvertrag noch nicht gekündigt

Noch habe sie den Mietvertrag nicht gekündigt. Sollte kein Wunder geschehen, werde es die Palette aber bald nicht mehr geben. „Ich habe schon alles Mögliche versucht, aber die Behörde zeigt bislang wenig Verständnis. Dabei hätten mir 1500 Euro im Monat schon gereicht als Unterstützung, den Rest hätte ich noch irgendwie gestemmt“, sagt Ener, die zwar in Vaihingen wohnt, sich aber als Cannstatterin sieht. „Schließlich bin ich fast den ganzen Tag in der Brunnenstraße.“ Auch die meisten ihrer Stammgäste seien aus Bad Cannstatt. „Es war eine schöne Zeit. Mit politischen und lustigen Diskussionen, Kunstausstellungen, Logenplätzen bei Fasnetumzügen und der einen oder anderen Feier.“

Pächterin hat Galgenhumor

Es sei sehr traurig, dass sie die „von den Stammgästen geliebte“ Palette höchstwahrscheinlich zumachen müsse. Am meisten ärgere sie das Unverständnis der Behörden und die Hohlheit des Versprechens von „Unterstützung der Gastronomie“. Eigentlich „ist das eine schreiende Ungerechtigkeit. Ich bin froh, dass ich keine Mitarbeiter habe, dann brauche ich mir nicht auch noch um deren Zukunft Sorgen zu machen“, so Ener, die ihren (Galgen-)Humor nicht verloren hat. „Dank der Ausgangssperre komme ich früher heim. Nach 20 Uhr geht ja nichts mehr.“