Ein Bagger in einem ukrainischen Hafen verlädt Getreide auf ein Schiff. Wenn Russland den Seeweg tatsächlich blockiert, könnte damit bald Schluss sein. Foto: dpa/Andrew Kravchenko

Russland weigert sich, ein Abkommen zum Export über das Schwarze Meer zu verlängern. Offensichtlich bereitet Moskau die Blockade der Häfen vor.

Die Nato verurteilt die Entscheidung Russlands, sich aus dem Getreideabkommen zurückzuziehen. Das seien „bewusste Versuche, die Agrarexporte der Ukraine zu stoppen, von denen Hunderte Millionen Menschen weltweit abhängig sind“, heißt es in einer Erklärung am Mittwoch nach einem Treffen des Nato-Ukraine-Rates. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Brüssel: „Russland trägt die volle Verantwortung für sein gefährliches und eskalierendes Vorgehen in der Schwarzmeerregion.“ Der Kreml müsse „aufhören, den Hunger als Waffe einzusetzen und die am stärksten gefährdeten Menschen der Welt mit Nahrungsmittelinstabilität zu bedrohen“.

Der Nato-Ukraine-Rat war erst vor zwei Wochen beim Gipfel des Verteidigungsbündnisses in der litauischen Hauptstadt Vilnius aus der Taufe gehoben worden. Nun trafen sich die die Vertreter der 31 Nato-Staaten und der Ukraine zum ersten Mal auf Wunsch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, um über die Getreidetransporte zu sprechen. Der Kreml hat ein vor einem Jahr geschlossenes Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer nicht verlängert.

Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine

Die Vereinbarung hatte es der Ukraine seit Sommer vergangenen Jahres ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen. Selbst während des Krieges blieb Kiew damit im Jahr 2022 der größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms (WFP) und lieferte mehr als die Hälfte der weltweiten Weizenbeschaffung des WFP.

Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstrich in einer Videobotschaft die Bedeutung der Getreidelieferungen über die Häfen am Schwarzen Meer: „Die Welt weiß, dass die Sicherheit der Schwarzmeerhäfen der Schlüssel zu Frieden und Stabilität auf dem globalen Lebensmittelmarkt ist.“ Rückendeckung bekam der ukrainische Staatschef von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, aufs Schärfste.“ Die Verbündeten stünden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite. Was das im konkreten Fall bedeutet, erklärte Stoltenberg allerdings nicht. Allerdings schickte er erneut eine deutliche Warnung an den Kreml, den Krieg in der Ukraine zu eskalieren: „Wir bleiben bereit, jeden Zentimeter des alliierten Territoriums vor jeglicher Aggression zu verteidigen.“

Beruhigende Worte von Seiten der EU

Von Seiten der EU kamen in Sachen Getreidelieferungen allerdings beruhigende Wortmeldungen. EU-Kommissar Janusz Wojciechowski betonte am Mittwoch, dass nahezu das gesamte für den Export bestimmte ukrainische Getreide über eigens von der EU und der Ukraine ausgebaute Handelswege exportiert werden könne. „Wir sind bereit, über die Solidaritätsspuren fast alles zu exportieren, was die Ukraine braucht“, sagte der Agrarkommissar in Brüssel. Nach Angaben der EU-Kommission wurden im April, Mai und Juni pro Monat zwischen zwei und fast 3,5 Millionen Tonnen Getreide über diese Wege exportiert. Der bisherige Höchststand lag im November 2022 bei 4,2 Millionen Tonnen.

Am Mittwoch bot die Slowakei der Ukraine zusätzlich Hilfe an, ihr Getreide auf den Weltmarkt zu auszuführen. Dies dürfe aber nicht auf Kosten ihrer eigenen Landwirtschaft und ihres eigenen Lebensmittelmarkts gehen. Das sagte der slowakische Landwirtschaftsminister Jozef Bires der staatlichen Nachrichtenagentur TASR. Die Lösung sieht er in sogenannten Solidaritätskorridoren. Das sind wegen des Krieges ausgebaute Handelswege zwischen der EU und der Ukraine über Straßen, Schienen oder Flüsse. Ein Problem ist jedoch, dass der Export über diesen Weg verhältnismäßig teuer ist.

Russland bereitet Blockade der Häfen vor

Unterdessen bringt sich die russische Schwarzmeerflotte nach Angaben britischer Militärs für eine Blockade ukrainischer Häfen in Stellung. Das geht aus dem Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach patrouilliert die moderne russische Korvette „Sergej Kotow“ bereits auf der Route zwischen dem Bosporus und Odessa. Sie könnte Teil eines Marineverbandes werden, der Handelsschiffe auf dem Weg in die Ukraine abfangen soll. ENDE-ENDE