In der Kita sind die Kinder von Babys zu Schulkindern gereift. Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Nach neun Jahren ist die Kita-Zeit für die Familie unserer Kolumnistin vorbei. Sie selbst ist darüber am wehmütigsten.

Neulich beim Sommerfest in der Kita: Auf den Tischen im Turnraum türmten sich Nudelsalate, Käse-Spieße, Blätterteigschnecken und Muffins, die Kinder sangen mit hellen Stimmchen das Lied „Der Hühnerhof“ in gebastelten Tierkostümen. Es gab Schubkarrenrennen und Entenangeln und die Eltern erzählten sich von ihren Sommerurlaubsplänen. Dazwischen saß eine Mutter, von Melancholie umwölkt. Als der Hahn im Lied zum letzten Mal „Ko ki du del du di du del di du del di du del di du!“ krakelte, wurden ihr, die nicht für emotionale Ausbrüche bekannt ist, die Augen feucht. Diese Mutter war ich.

Nach neun Jahren war dies das letzte Sommerfest für unsere Familie, die Kita-Zeit vorbei. Vor allem für die Tochter natürlich, die nun wie ihr Bruder drei Jahre zuvor in die Schule kommt. Aber damit auch für uns Eltern. Kitas, die Menschen, die dort arbeiten – so heißt es häufig in politischen Debatten –, haben heute eine immer größer werdende Bedeutung, wenn es darum geht, Kinder gut ins Leben zu begleiten.

Ein zweites Zuhause

Man könnte auch sagen: Eine Kita kann so etwas wie ein zweites Zuhause für Kinder sein. Mindestens aber ein Ort, ohne den Familienleben – wenigstens, wie wir es uns vorgestellt haben – gar nicht möglich wäre. Dass die Politik viel zu spät erkannt hat, dass die Einrichtungen mehr Wertschätzung, Geld und Personal brauchen, um zu funktionieren, und die Misere jetzt so groß ist, ist deshalb umso wütendmachender. Aber das ist ein eigenes Thema.

Ich erinnere mich noch gut an unser Vorstellungsgespräch im Büro der Leiterin. Der Mann und ich rutschten nervös auf den Stühlen herum, der Sohn krabbelte durch den Raum und spielte mit dem Papierkorb entfesseltes Baby. Wir bekamen tatsächlich den Platz, was nach 15 Absagen in anderen Stuttgarter Einrichtungen per se schon ein kleines Wunder war.

Ab seinem ersten Geburtstag ging das Kind in die Krippengruppe, später in den Kindergarten. So war es dann auch bei seiner jüngeren Schwester. Die beiden verbrachten in diesen bunten Räumen wohl mehr wache Zeit als mit uns. Vieles, was wir vergeblich versucht oder gar nicht daran gedacht haben, ihnen beizubringen, lernten sie dort. Unter anderem, wie man einen Stift hält und richtig in ein Taschentuch schnäuzt. Wie man Marmelade kocht und die Eltern mit Schimpfwörtern verblüfft. Ach ja: aufgeklärt wurde die Tochter auch von einem Kitafreund.

Rentierköpfe aus Kaffeefiltern

Die Kinder haben gelernt, sich in eine Gruppe einzufinden, zu glänzen und zurückzustecken. Und wie wunderbar es ist, Freunde zu haben. Sie sind dort von Babys, die mich nicht gehen lassen wollten, zu eigenständigen Schulkindern gereift, die mir beim Abholen entgegen riefen „Warum holst du mich schon ab!?!?!?!“.

Wir Eltern konnten arbeiten, etwas, das wir beide zum Leben, aber auch zum Glücklichsein brauchen. Und manchmal hatten wir eben auch Zeit für uns – weil wir wussten, dass die Kinder wohl gerade sehr zufrieden in der Matschecke wühlten oder aus Kaffeefiltern Rentierköpfe bastelten.

Jetzt geht diese Zeit zu Ende. Für mich die Zeit als Mutter kleiner Kinder. Für die Kinder die Zeit, in der die drängendsten Probleme waren, welches Bügelperlenbild sie als nächstes stecken wollen. Oder ob in der Veschperbox schon wieder ein langweiliges Käsebrot mit Rohkost-Schnitzen steckte oder doch mal ein Marmeladenweckle. Es ist der Abschied von jener Zeit, in der das Leben wirklich ein einziges großes Spiel ist.

Die Kinder gucken nur nach vorn

Gegen die Melancholie hilft der Mutter vielleicht, sich abzugucken, wie die Kinder das mit dem Abschied nehmen machen: Sie gucken nach vorn. Irgendwann haben die beiden, erst der Sohn, nun auch die Tochter, entschieden, dass sie zu groß sind für die Kita, dass sie jetzt Schulkinder sind, wie aufregend! Und dann haben sie sich darüber gefreut. Es ist Zeit, sich mitzufreuen.