Nach der Pro-Palästina-Demonstration in Essen prüfen die Ermittler das Geschehen auf strafrechtliche Relevanz. Foto: dpa/Christoph Reichwein

Nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel gibt es an vielen Orten in Deutschland propalästinensische Demos. In einigen Fällen laufen Ermittlungen.

Bei propalästinensischen Kundgebungen sind in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen. In Essen prüft die Polizei nach einer als Pro-Palästina-Demonstration angemeldeten Kundgebung am Freitagabend, ob Straftaten begangen wurden. Bei der Kundgebung waren Transparente unter anderem mit der Forderung nach der Errichtung eines islamistischen Kalifats gezeigt worden. Dazu ruft beispielsweise Hizb ut-Tahrir auf, für die seit 2003 ein Betätigungsverbot gilt. In Berlin zählte die Polizei am Samstagabend etwa 8500 Menschen bei einer Kundgebung. Die Beamten überprüften die Personalien Dutzender Teilnehmer und fertigten Dutzende Anzeigen.

Bei der Kundgebung in Essen habe sich herausgestellt, dass das Pro-Palästina-Thema der Kundgebung vorgeschoben gewesen sei, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Ziel sei gewesen, eine religiöse Veranstaltung auf den Straßen von Essen durchzuführen. Während der Kundgebung hatte die Polizei in Sprechchören, Symbolen und Fahnen keine strafbaren Verstöße festgestellt. Angemeldet worden war die Demonstration von einer Privatperson. „Wir werden das alles im Nachhinein akribisch durchleuchten“, sagte der Sprecher. Es werde gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft geprüft, ob es eine strafrechtliche Relevanz gebe.

Video- und Tonaufnahmen werden geprüft

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte im Rundfunksender WDR, der Staatsschutz habe am Freitag sehr sorgfältig beobachtet, und immer dann, wenn er konnte, eingegriffen. Die Video- und Tonaufnahmen würden weiter geprüft. „Und wenn wir einen Nachweis haben, wird zugegriffen. Aber wir müssen es beweisen“, sagte der CDU-Politiker. Bei einem Video prüfe die Staatsanwaltschaft und gehe wahrscheinlich davon aus, dem wegen Volksverhetzung nachzugehen.

In Berlin stellte die Polizei bei der Demonstration nach Angaben einer Sprecherin Plakate mit strafbarem Inhalt fest. Zum genauen Inhalt machte sie zunächst keine Angaben. Die Polizei nahm in mehreren Dutzend Fällen die Personalien von Teilnehmern auf. Es habe 64 sogenannte Anwendungsfälle gegeben, darunter auch Ordnungswidrigkeiten, sagte eine Sprecherin am Abend. Demnach wurden 30 Ermittlungsverfahren eingeleitet, 16 wegen Verdachts der Volksverhetzung. Zu den einzelnen Straftatbeständen nannte die Polizei zunächst keine Details.

Zu sehen waren Palästina-Flaggen und Plakate mit Aufschriften wie „Stoppt den Genozid in Gaza“ oder „From the river to the sea - we demand equality“. Übersetzt: Vom Fluss bis zum Meer fordern wir Gleichheit für alle. Gemeint sind der Fluss Jordan und das Mittelmeer. Eine Rednerin forderte ein Ende der „Apartheidskultur“ und den Stopp der Bombardierungen in Gaza.

Betätigungsverbot für Hamas und Samidoun

Zwei Demonstranten trugen einen Banner mit der Aufschrift „Hände weg von Samidoun! Nieder mit dem Verbot aller palästinensischen Organisationen!“. Samidoun hatte nach dem Blutbad in Israel am 7. Oktober für Entrüstung gesorgt, weil kurz danach Mitglieder des Netzwerks als Ausdruck der Freude Süßigkeiten auf der Sonnenallee im Berliner Bezirk Neukölln verteilten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Netzwerk am Donnerstag verboten und gleichzeitig ein Betätigungsverbot für die islamistische Palästinenserorganisation Hamas ausgesprochen.

Zu der Demo hatten mehrere propalästinensische Gruppierungen aufgerufen. Mobilisiert hätten zudem „viele aus dem linkspolitischen Spektrum, die auch in diesem Jahr bereits zur „revolutionären 1. Mai-Demo“ aufgerufen haben“, so die Polizei.

Die Demonstration fand unter strengen Auflagen statt. Einsatzleiter Stephan Katte betonte im Vorfeld, auch wer das Existenzrecht Israels verneine, begehe eine Straftat, die unmittelbar geahndet werde. „Eine wiederholte Begehung solcher Straftaten kann sehr früh zur Auflösung einer Versammlung führen“, sagte Katte der Deutschen Presse-Agentur.

Fast 17 000 Menschen bei Demo in Düsseldorf

Auch in Düsseldorf kündigte die Polizei bei einer Demonstration mit Tausenden Teilnehmern ein niedrigschwelliges und konsequentes Einschreiten bei Straftaten an. Vor Beginn stellte die Polizei mehrere Plakate sicher, auf denen der Holocaust relativiert wurde. Dagegen werde es Strafverfahren geben. Insgesamt gingen dort nach Polizeiangaben fast 17 000 Menschen auf die Straße. Die Beamten mussten nach eigenen Angaben vereinzelt einschreiten, sprachen aber von einem insgesamt friedlichen Verlauf.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland verurteilte antisemitische Vorfälle bei propalästinensischen Demonstrationen und rief zu Vorsicht bei der Teilnahme an Kundgebungen auf. Es gebe „ganz klare Verstöße, antisemitische Judenhass-Verstöße“, sagte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek am Samstag im Deutschlandfunk. „Sie müssen geahndet werden.“ An die Muslime appellierte er: „Passt auf, wo ihr mitlauft.“ Es gebe Gruppen, die solche Demonstrationen nutzten, um Parolen gegen Juden und Antisemitismus zu skandieren. „Das müssen wir nicht so haben.“

Am 7. Oktober hatten Islamisten der im Gazastreifen herrschenden Hamas und andere Terroristen in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Seither geht Israels Armee mit Luftangriffen und Bodentruppen gegen Ziele in dem abgeriegelten Küstengebiet vor.