Steigende Preise machen sich bei vielen Verbrauchern in der Geldbörse bemerkbar. Foto: IMAGO/Sven Simon/Frank Hoermann

Hohe Energiekosten heizen die Preise für gewerbliche Produkte in Deutschland an. Wegen der Energiepreissprünge erwarten Finanzexperten auch eine höhere Inflation im Euroraum als zunächst angenommen.

Jahrelang schien eine Inflation in Deutschland und im Euroraum gebannt zu sein. Währungsinstitutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) hatten vielmehr mit dem Problem zu geringer Preissteigerungen oder gar sinkender Preise zu kämpfen. Die EZB sieht eine jährliche Teuerungsrate von rund zwei Prozent als wirtschaftlich gesund an. Davon war die Inflationsrate allerdings lange Zeit weit entfernt.

Das hat sich nun geändert. Angeheizt von hohen Energiepreisen sind die Preise für gewerbliche Produkte in Deutschland im Juli im Rekordtempo gestiegen.

Wie stark steigen die Preise zurzeit?

Die Erzeugerpreise legten gegenüber dem Vorjahresmonat um 37,2 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Es war der stärkste Anstieg innerhalb eines Jahres seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. Im Juni hatte sich der Auftrieb noch etwas verlangsamt (plus 32,7 Prozent). Im Vormonatsvergleich erhöhten sich die Erzeugerpreise im Juli um 5,3 Prozent - ebenfalls ein Rekordanstieg.

Die Erzeugerpreise beschreiben die Preisentwicklung für die in Deutschland erzeugten und verkauften Produkte des Bergbaus, der Industrie sowie der Energie- und Wasserwirtschaft. Sie haben in einer späteren Stufe des Wirtschaftsprozesses auch Auswirkungen auf die Verbraucherpreise.

Getrieben wird die Entwicklung nach wie vor durch die Energiepreise, die im Jahresvergleich um 105,0 Prozent stiegen. Erdgas war rund 163,8 Prozent teurer als im Juli 2021. Kraftwerke zahlten für Erdgas sogar 234,7 Prozent mehr, Industrieabnehmer 194,7 Prozent.

Strom verteuerte sich innerhalb eines Jahres um 125,4 Prozent und Mineralölerzeugnisse um 41,8 Prozent.

Was erwarten Experten für die nahe Zukunft?

Finanzmarktexperten erwarten vor allem wegen der stark gestiegenen Energiepreise inzwischen in diesem Jahr im Mittel eine Inflationsrate von 7,5 Prozent im Euroraum. Im Mai 2022 lag die Prognose für das Gesamtjahr noch bei 6,3 Prozent, wie aus einer Sonderbefragung des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW hervorgeht.

„Zwar erwarten die Finanzmarktexpertinnen und Finanzmarktexperten weiterhin, dass sich die Inflation in den nächsten beiden Jahren verlangsamen wird“, sagte ZEW-Forscher Frank Brückbauer. Allerdings entfernten sich die Prognosen seit mehreren Quartalen immer weiter von der EZB-Zielmarke von mittelfristig 2,0 Prozent. In den kommenden beiden Jahren erwarten die Befragten im Mittel Inflationsraten von 4,5 Prozent beziehungsweise 3,0 Prozent im Euroraum.

Für einen Teil der 176 befragten Expertinnen und Experten (43 Prozent) trägt auch die aus ihrer Sicht zu lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu dem Inflationsanstieg bei. Die Notenbank hatte im Juli erstmals seit elf Jahren wieder die Leitzinsen im gemeinsamen Währungsraum erhöht. Kritiker werfen den Währungshütern vor, zu spät zu reagieren.

Welche Inflation kann in Deutschland möglich sein?

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel äußerte die Erwartung, dass nach dem Ende des Tankrabatts und des Neun-Euro-Tickets die Inflationsrate auf zehn Prozent ansteigen könnte. Nagel sagte der „Rheinischen Post“: „Der Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket laufen aus, das dürfte die Inflationsrate um gut einen Prozentpunkt erhöhen.“ Hinzu komme die Gasumlage, die allerdings durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas abgefedert werden solle. In der „Summe“ sei gleichwohl in den Herbstmonaten eine Inflationsrate von zehn Prozent möglich.

„Zweistellige Inflationsraten wurden in Deutschland das letzte Mal vor über siebzig Jahren gemessen“, machte Nagel die Dimension der Entwicklung deutlich. „Im vierten Quartal 1951 waren es nach den damaligen Berechnungen elf Prozent“, betonte er.

Im vergangenen Juli lag die Inflation in Deutschland bei 7,5 Prozent, nach 7,6 Prozent im Juni und 7,9 Prozent im Mai. „Für das gesamte Jahr 2022 sehen wir die Inflationsrate in der europäisch harmonisierten Berechnung in Deutschland bei über acht Prozent“, sagte Nagel.

Für das kommende Jahr war die Bundesbank in ihrer Juni-Projektion von einer Teuerung von 4,5 Prozent ausgegangen, allerdings sind seither die Preise für Erdgas und Elektrizität stärker gestiegen als damals erwartet. Nagel geht daher inzwischen von „einer Sechs vor dem Komma“ für 2023 aus.