Die Feuerwehr löscht einen Brand auf dem Deckel der B 14 Foto: 7aktuell//Andreas Werner

Flanieren in der Innenstadt wird zur schweißtreibenden Arbeit, Feuerwehrleute kommen in ihren Schutzanzügen gewaltig ins Schwitzen – aber der Stuttgarter Hitzerekord ist am Dienstag nicht geknackt worden.

Ja, es war heiß in der Stadt. Verdammt heiß sogar. Die Menschen hielten nach Schatten Ausschau. Aber die von manchen befürchtete Rekordhitze ist am Dienstag nicht im Stuttgarter Kessel gemessen worden. Bei rund 36 Grad hatte das Thermometer das Ende der Fahnenstange erreicht – und verfehlte damit, um es sportlich auszudrücken, die bisherigen Hitzerekordmarken. Der Spitzenwert für Juli liegt bei 37,9 Grad. Der Allzeitrekord bei 38,8 Grad.

Jungreben leiden unter Trockenheit

Die Blicke der Weingärtner haben nur eine Richtung: gen Himmel. Sie halten Ausschau nach Regenwolken. Die Trockenheit macht sich in vor allem in jungen Rebanlagen bemerkbar. Steingründige Böden sind bis in die Tiefe ausgetrocknet. „Die älteren Pflanzen erreichen mit ihren langen Wurzeln wasserführende Schichten, die jüngeren leiden“, sagt Konrad Zaiß aus Obertürkheim. Sein Sohn Christian hat einen Güllewagen mit 6000 Liter Wasser an den Weinberg unterhalb des Württembergs gestellt. Der frisch angelegte Wengert hat eine Tröpfchenbewässerung. So müssen die Stöcke nicht mehr einzeln per Hand bewässert werden, sondern erhalten Tröpfchen für Tröpfchen das benötigte Nass. „Neu angepflanzte Rebflächen legen wir auch mit Tröpfchenbewässerung aus“, sagt Markus Nanz aus Uhlbach. Täglich kontrolliert er den Zustand seiner Reben. „Wenn die Spitzen steif sind, stehen die Reben unter Trockenheitsstress. Wenn sie gelbe Blätter bekommen, ist es zu spät“, sagt der Collegiums-Wengerter. Deswegen müsse man rechtzeitig mit der Bewässerung beginnen. Die Wengerter müssen mit teuerem Trinkwasser gießen. Zehn Liter pro Stock pro Woche seien Pflicht. Bei 4000 Stöcken auf einem Hektar Fläche bedeutet dies 40 000 Liter Wasser pro Woche.

Investition in künftige Obsterträge

Für Markus Nanz, Wein- und Obstbauer aus Uhlbach, müssten die Tage ein paar Stunden mehr haben. Nicht nur seine Reben, sondern auch die Obstbäume lechzen nach Wasser. „Böden, die nicht so tiefgründig und der Sonne ausgesetzt sind, sind bis in die Tiefe ausgetrocknet.“ In Uhlbach stehen einige seiner Apfel- und Birnenplantagen auf solch „hitzigen“ Böden. Am frühen Vormittag nimmt er seinen Schlepper, füllt die Tanks auf dem Anhänger mit Wasser und schließt diese an die Tröpfchenbewässerung an. „Die Wurzelballen werden sukzessive mit Nässe versorgt. Allerdings macht das nur in Plantagen mit hohem Ertragspotenzial Sinn“, sagt Nanz. Dies treffe auf rund fünf Prozent seiner Grundstücke zu. „Die Wassergaben sind nicht nur eine Investition in die diesjährige Ernte, sondern auch in die Zukunft. Denn das Wachstum der jungen Bäume in den ersten Jahren ist entscheidend.“  

Feuerwehr kommt richtig ins Schwitzen

Man könnte meinen, dass es sich mittlerweile rumgesprochen hat. Doch trotz aller Warnhinweise kommt es immer noch vereinzelt vor, dass die Feuerwehr im Hochsommer gerufen wird, weil Kinder oder Tiere in überhitzten Autos zurückgelassen wurden. „Bei den aktuellen Außentemperaturen können sich Autos innerhalb weniger Minuten stark aufheizen und eine tödliche Gefahr darstellen“, sagt Daniel Anand, Sprecher der Branddirektion Stuttgart. Doch nicht nur für die Insassen in Fahrzeugen kann die Hitze eine Belastung darstellen, auch für die Feuerwehrleute selbst. „Insbesondere im Brandeinsatz, mit der schweren Brandschutzkleidung“, so Anand. „Unsere Einsatzleiter achten in diesen Tagen besonders auf einen frühzeitigen Austausch der Einsatzkräfte.“ Dies bedeutet, dass bei einem längeren Einsatz weiteres Personal angefordert wird. „Sobald die schwere Einsatzkleidung nicht mehr unbedingt erforderlich ist, wird sie abgelegt. So finden Aufräumarbeiten oder kleinere Nachlöscharbeiten im Freien oftmals ohne die schwere Brandschutzjacke statt.“ Darüber hinaus würden die Feuerwehrleute an den Einsatzstellen mit Trinkwasser versorgt.

Grillplätze sind noch nicht gesperrt

Wie schnell es brennen kann, wenn die Natur ausgetrocknet ist, hat man am Dienstag inmitten der Zivilisation gesehen: Am Charlottenplatz brannte eine Grünfläche. Um den kleinen, aber rauchintensiven Flächenbrand auszulösen, soll ein Funken von einer Baustelle in der Nähe ausgereicht haben. Es gilt aktuell die höchste Warnstufe für Waldbrände im Land.

Die Stadt Stuttgart hat dennoch darauf verzichtet, zusätzlich zu dieser allgemeinen Warnung Maßnahmen zu verhängen oder bestimmte Orte wie Grillstellen zu sperren. Man hofft im Garten-, Friedhofs- und Forstamt, dass die Wettervorhersage stimmt und es am Mittwoch regnen wird. Dann wäre die Waldbrandgefahr wieder etwas gemindert.

Sollte der Regen jedoch ausbleiben, die Hitze und Trockenheit hingegen anhalten, werde man die Lage beobachten und eventuell am Wochenende Grillstellen im Stadtgebiet sperren müssen, teilt Pressesprecherin Jana Steinbeck mit. Mitte Juni war das schon einmal der Fall gewesen. Da durfte man eine Woche lang in Stuttgart nicht in den öffentlichen Grünanlagen und Wäldern grillen. Es wird auch darum gebeten, keine Glasflaschen im Wald liegen zu lassen – was ohnehin ein Müllproblem wäre. Denn die Flaschen können wie ein Brennglas wirken und ein Feuer auslösen. Auch der Funkenflug einer Zigarette kann bei Trockenheit im wahrsten Wortsinne brandgefährlich sein.

148 Millionen Liter Wasser an einem Tag

118 000 Kubikmeter Trinkwasser werden in der Landeshauptstadt am Tag durchschnittlich verbraucht. Sobald die Temperaturen steigen, erhöht sich auch die Nachfrage nach dem kühlen Nass. Am Montag kletterte der Verbrauch auf bis zu 148 000 Kubikmeter, also rund 148 Millionen Liter Wasser. „Im Moment sind wir von den Höchstwerten noch um einiges entfernt. Aber da wird sich in den nächsten Tagen noch etwas tun“, sagt Hans-Jörg Groscurth, Sprecher der Netze BW GmbH. Der Rekord im Zeitraum von 2013 bis heute wurde im Sommer 2015 erreicht – am Freitag, 3. Juli, mit 182 460 Kubikmetern. „Auf dem Schnarrenberg wurden 35,2 Grad gemessen “, sagt Andreas Pfaffenzeller, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. „Es war damals schon die ganze Woche über sehr warm, bis zum Sonntag kletterte das Thermometer auf bis zu 37,9 Grad.“ Dass an solchen heißen Tagen die Trinkwasservorräte an ihre Grenzen stoßen, verneint Groscurth. „Der Inhalt eines Speichers wird mehrfach am Tag umgesetzt. Das heißt, an Spitzentagen erhöht sich lediglich die Zahl der Befüll- und Entleerzyklen. Unsere Bezugsrechte bei der Bodensee- und der Landeswasserversorgung sind so gut ausgelegt, dass wir kein Wasser bevorraten müssen. Probleme bei der Trinkwasserversorgung sehen wir Stand heute keine auf uns zukommen.“

Kein Neckarwasser schlucken

 Auch Walter Braun, der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts (WSA) Neckar, studiert die Wettervorhersagen. Sie lassen nichts Gutes ahnen. Die Pegelstände der Flüsse lassen die Alarmglocken der Binnenschiffer schrillen. Der Neckar bildet eine Ausnahme. Er kann dank seiner Staustufen eine Fahrrinnentiefe von 2,80 Metern garantieren. Entscheidend sind die Wasserhöhen des Rheins bei Karlsruhe-Maxau und in Kaub. Gestern lag der Pegel in Kaub bei 70 Zentimetern. „Damit steht eine Fahrrinne von etwa 1,83 Meter Tiefe zur Verfügung. Schiffen, die auf dem Neckar eine Fahrrinne von 2,80 Metern nutzen, fehlt also ein Meter Tiefe“, sagt Braun. Das bedeutet: Schiffe können nicht voll beladen werden. „Binnenschiffer, die in Rotterdam oder Antwerpen starten oder umgekehrt Ware von Stuttgart rheinaufwärts transportieren, müssen gut kalkulieren“, sagt Johannes Zeller von der Hafen Stuttgart Gesellschaft. Sorgen bereitet Braun zudem der geringe Zufluss vom Oberlauf des Neckars. „Er liegt in Plochingen unter zehn Kubikmetern pro Sekunde. Deswegen stehen wir mit der Stadt Esslingen in Kontakt, ob sie die Zufuhr zu den Kanälen schließt“, sagt Braun. Mit viel Feingefühl müssen die WSA-Mitarbeiter den Neckarabfluss über die Wehre managen. Die Stromerzeugung an den Wehren ist eingestellt. „Wir werden auch nicht mehr wegen eines Sportboots die Schleusen öffnen“, sagt Braun. Wassersportlern rät er zudem, bei der Ausübung ihres Sports nicht zu viel Neckarwasser zu schlucken. „Die Durchmischung mit Frischwasser ist zurzeit gering. 60 Prozent des Neckarwassers stammt aus Klär- oder anderen Anlagen.“