Der Aufenthaltsstatus der Ukrainerinnen und Ukrainer ist nicht dauerhaft gesichert. Foto: dpa/Henning Kaiser

Die gesellschaftliche Teilhabe der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat sich verbessert, wie eine umfassende Befragung aufzeigt. Dennoch sehen Forscher akuten Handlungsbedarf für die Politik.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, zumeist Frauen mit Kindern. Obwohl noch nicht klar ist, ob und für wie lange das derzeit bis März 2024 befristete Aufenthaltsrecht verlängert wird, beabsichtigen 44 Prozent – also fast die Hälfte – der Geflüchteten zumindest einige Jahre oder sogar für immer in Deutschland zu bleiben.

Dies zeigt eine neue Studie von vier großen Forschungsinstituten. Dabei handelt es sich um eine zweite Befragung unter fast 7000 Betroffenen, nachdem schon im vorigen Spätsommer gut 11 000 Geflüchtete zwischen 18 und 70 Jahren befragt wurden – viele von diesen nun ein zweites Mal. Damals wollten 39 Prozent längerfristig bleiben. Von denen, die nicht hier sesshaft werden wollen, planen 38 Prozent, nach Kriegsende zurückzukehren, weitere 30 Prozent wollen den engen Kontakt nach Deutschland halten.

Drei von vier haben einen Deutschkurs besucht

79 Prozent der Geflüchteten leben in einer privaten Wohnung – nur noch acht Prozent in einer Gemeinschaftsunterkunft. Wichtiger für die Integration ist die Sprache – da sind Fortschritte festzustellen: 75 Prozent der Geflüchteten haben Anfang 2023 einen oder mehrere Deutschkurse besucht. „Sehr gute“ oder „gute“ Deutschkenntnisse bescheinigen sich acht Prozent, was recht gering sei, wie die Studienmacher meinen. Die Antwort „es geht“ komme mit 27 Prozent immerhin öfter als vor einem Jahr. Dass nicht bessere Teilnahmezahlen erzielt werden, wird auch mit unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten für Frauen mit kleinen Kindern erklärt, weil diese Benachteiligung das Erlernen der Sprache erschwert.

Die Beteiligung an Deutsch- und Integrationskursen verbessert Arbeitsmarktchancen – dennoch ist die Erwerbstätigkeitsquote im Vergleich zur ersten Befragung nur leicht gestiegen: 18 Prozent der 18- bis 64-Jährigen haben eine Beschäftigung. Über zwei Drittel der ukrainischen Geflüchteten, die Anfang 2023 noch nicht erwerbstätig waren, wollen es innerhalb dieses Jahres sein. Dies dürfte auch das Haushaltseinkommen erhöhen, das im Schnitt bei 850 Euro liegt.

Geringe Erwerbsquote von Müttern mit kleinen Kindern

Yuliya Kosyakova vom Arbeitsmarktforschungsinstitut IAB hält die geringe Zunahme der Erwerbstätigkeit für „nicht überraschend“. Zwei Drittel der Befragten hätten Anfang 2023 noch Deutschkurse besucht. „Sie stehen dem Arbeitsmarkt nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.“ Die Unterschiede sind groß: Frauen mit kleinen Kindern hätten mit drei Prozent eine sehr geringe Erwerbsquote – bei Vätern betrage die Quote 23 Prozent. Von den erwerbstätigen Geflüchteten arbeiten 39 Prozent in Vollzeit und 37 Prozent in Teilzeit, sieben Prozent seien in Ausbildung oder machen Praktika. Der Rest übe eine geringfügige Tätigkeit aus.

„Wir haben zentrale Bereiche identifiziert, wo es politische Handlungsnotwendigkeiten gibt“, sagt Markus M. Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). So seien adäquate Kinderbetreuungsplätze zentral für die Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen. Ferner müsse die Politik „rasch handeln, um den Menschen eine dauerhafte Bleibeperspektive zu geben“. Bisher sei der Aufenthaltsstatus nicht dauerhaft gesichert. „Sicherheit über die Bleibeperspektive hat einen wichtigen Effekt auf die Integration“, ergänzt Kosyakova. Wer sie nicht habe, investiere nicht in Sprache, Bildung und Anerkennung, weil dies keine Rendite habe. Dies wiederum wirke sich auf die Arbeitsmarktintegration aus.