Antibiotika sind zentral beim Kampf gegen viele Krankheiten. Doch immer häufiger gibt es Resistenzen. Die EU will dagegen nun angehen.
Der Arzt Volkhard Kempf schlägt Alarm. Der Grund: jedes Jahr sterben in Europa rund 35 000 Menschen, weil die verabreichten Antibiotika ihre Wirkung verloren haben und die Behandlung von Krankheiten dadurch wesentlich schwieriger wird. „Es handelt sich hier keineswegs um eine stille Pandemie“, betont der Professor von der Universitätsklinik Frankfurt. Unverständlich ist für den Mediziner, dass die Gefahr seit vielen Jahren bekannt ist, und in seinen Augen zu wenig dagegen getan wird. Forscher warnen, dass sich die Entwicklung beschleunigen wird, da die sogenannten antimikrobiellen Resistenzen zunehmen. „Diese Erreger sind nicht wählerisch“, bringt es Volkhard Kempf auf den Punkt und er warnt, dass zunehmend auch junge Menschen sterben werden. Die Weltgesundheitsorganisation stuft die Antibiotikaresistenz als eine der zehn größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit der Menschheit ein.
Einsatz von Antibiotika wird strenger reguliert
Nun will aber die Europäische Union gegensteuern. Die EU-Kommission und das Parlament setzen sich dafür ein, dass Antibiotika umsichtiger eingesetzt werden und der Verbrauch zudem besser überwacht und drastisch reduziert wird. Bis 2030 sollen in Europa mindestens 20 Prozent weniger Medikamente verabreicht werden. Am Mittwoch stimmte das Parlament über das sogenannt Pharmapaket ab, zu dem auch der Kampf gegen Resistenzen gehört.
Ziel ist es unter anderem, den Einsatz von Antibiotika in Zukunft wesentlich strenger zu regulieren, beschreibt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese das Konzept. Das heißt, dass der leichtfertige Umgang mit den Medikamenten drastisch eingeschränkt werden soll. Sie sollen nur verabreicht werden, wenn zuvor ein Arzt die entsprechende Diagnose gestellt hat, erklärt der Gesundheitsexperte, sodass sie etwa auf keinen Fall bei einer Virus-Infektion verabreicht werden. Inzwischen gebe es Schnellteste, die zumindest einen groben Hinweis über den Ursprung der Erkrankung geben könnten, sagt Peter Liese. „Diese Tests müssen stärker eingesetzt werden und vom Gesundheitssystem der Mitgliedstaaten auch finanziert werden.“
Hoffen auf die Einsicht der Patienten
Die EU setzt auch auf die Einsicht der Patienten. Wie der CDU-Politiker mitteilt, soll ein ausdrücklicher Hinweis in der Medikamentenpackung die Nutzer ermahnen, dass sie die Antibiotika nur einnehmen dürfen, wenn sie ihnen persönlich verschrieben wurden und dass sie auch die vorgeschlagene Dauer der Therapie unbedingt einhalten müssen, um Resistenzbildung zu vermeiden. Zudem soll europaweit festgeschrieben werden, dass Antibiotika in jedem Land verschreibungspflichtig sind. Dies war bisher nicht flächendeckend der Fall.
Allerdings setzt die EU auch auf die Unterstützung der Forschung bei ihrer Suche nach neuen Medikamenten. „Im Moment rechnet sich die Entwicklung neuer Antibiotika für die Industrie nicht, weil sie sehr teuer ist“, sagt Peter Liese, und die Kosten durch den Verkauf nicht refinanziert werden könnten. Er befürwortet, dass Unternehmen in diesem Bereich mit einem Anreizsystem gelockt werden.
Gutschein-System für die Pharmabranche
Das Parlament unterstütze deshalb einen Vorschlag der Europäischen Kommission, der ein sogenanntes Gutschein-System vorsieht. Geplant ist, dass Unternehmen, die ein neues Antibiotikum auf den Markt bringen, einen Gutschein erhalten, den sie auch an andere Firmen verkaufen können. Das heißt, das Antibiotikum wird zwar nur in kleiner Stückzahl verkauft, aber andere Medikamente, die in größerer Stückzahl verkauft werden können, erhalten dann ein Jahr länger Marktexklusivität. „Das heißt, Generika kommen entsprechend später auf den Markt“, erklärte Liese.
Der Vorschlag der Kommission sei auf zum Teil scharfe Kritik gestoßen, sagt der CDU-Politiker, dennoch habe im Parlament der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit ihm mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Kritiker hätten schlicht kein überzeugendes Alternativkonzept im Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen vorlegen können. Bis die EU-Pläne umgesetzt werden, wird es aber noch einige Zeit dauern. Erst nach der Europawahl im Juni wird das Papier in die letzte Verhandlungsrunde zwischen Kommission, Parlament und den Mitgliedsländern gehen.