Riesenjubel beim THW Kiel über die deutsche Meisterschaft. Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Der THW Kiel macht bei Frisch Auf Göppingen seine 23. deutsche Meisterschaft perfekt. Es ist der perfekte Abschied für zwei Weltklassespieler aus der Handball-Bundesliga.

Die Feierlichkeiten in Schwarz und Weiß begannen schon 90 Sekunden vor der Schlusssirene. Kiels Chefcoach Filip Jicha wechselte in der EWS-Arena praktisch als Abschiedsgeschenk Weltklasse-Keeper Niklas Landin (trotz leichter Schienbeinprobleme) für Tomas Mrkva ein, dann klatschte er freudestrahlend seinen Trainerstab ab, umarmte jeden einzelnen Spieler auf der Ersatzbank und herzte Geschäftsführer Viktor Szilagyi. Als die 60 Minuten vorüber waren, gab es endgültig kein Halten mehr, die Zebra-Herde hüpfte, tanzte und feierte mit ihren mitgereisten Fans – obwohl aufgrund des praktisch uneinholbaren Vorsprungs ohnehin keiner mehr am Titelgewinn gezweifelt hatte: Der Handball-Bundesligist THW Kiel hat durch das von der ersten Minute an sehr souveräne 34:27 (18:13) bei Frisch Auf Göppingen seine 23. deutsche Meisterschaft perfekt gemacht und sich damit die Schale wieder vom SC Magdeburg zurückerobert, dem das 35:30 am letzten Spieltag bei der HSG Wetzlar nur zur Vizemeisterschaft reichte.

„Unglaublich stolz“

„Ich bin so unglaublich stolz auf diese Mannschaft, welche Energie sie auf die Platte brachte, wie sie Rückschläge wegsteckte – das war einfach grandios“, jubelte THW-Coach Jicha, nachdem HBL-Präsident Uwe Schwenker im Konfettiregen die Schale an Kapitän Domagoj Duvnjak übergeben hatte.

Es war ein meisterlicher Auftritt der Kieler vor den 5200 Zuschauern. Sander Sagosen (7), Magnus Landin und Karl Erik Edvin Walllinius (je 4) erzielten die meisten Treffer für den THW. Das ersatzgeschwächte Frisch-Auf-Team von Coach Markus Baur, das die Saison auf Platz 14 beendet, hatte seine besten Werfer in Tobias Ellebaek, Kresimir Kozina und Jaka Malus (alle 4).

Trio verabschiedet sich

Es ist ein besonderer Titelgewinn für die Zebras. Denn Spieler, die nicht nur den THW Kiel geprägt haben, sondern die komplette Liga, verabschieden sich aus Deutschland. Den slowenischen Spielmacher Miha Zarabec (31/seit 2017 beim THW) zieht es zum polnischen Topclub Wisla Plock. Rückraum-Superstar Sander Sagosen (27) kehrt nach drei Jahren in Kiel in seine norwegische Heimat zurück, widmet sich dem Großprojekt Kolstad IL und plant mit dem Club aus Trondheim den Angriff auf die europäische Spitze.

Und dann wäre da noch Niklas Landin, der dänische Olympiasieger von 2016, Weltmeister von 2019, 2021 und 2023 sowie Welthandballer der Jahre 2019 und 2021. Dieser 34 Jahre alte Ausnahmekönner zwischen den Pfosten konnte seine Parade-Form Jahr für Jahr konservieren, zeigte seit 2015 im Zebra-Dress (davor spielte er drei Jahre für die Rhein-Neckar Löwen) regelmäßig, warum er nach wie vor als der weltbeste Keeper gilt. Künftig steht der stille 2,01-Meter-Riese mit den breiten Schultern in seinem Heimatland Dänemark für Aalborg Handbold im Tor. „Ich werde immer ein Herz für den THW haben. Es war eine große Ehre, hier zu spielen. Das war meine beste Handballzeit“, sagte Landin nach dem Gewinn seiner dritten deutschen Meisterschaft mit Kiel nach 2020 und 2021.

Natürlich hat Landin diesen ausgeprägten Sinn für große Spiele, was eigentlich fürs komplette THW-Team gilt. Dennoch ging den Kielern diese Meisterschaft in einem lange Zeit faszinierenden Fünfkampf mit dem SC Magdeburg, den Füchsen Berlin, der SG Flensburg-Handewitt und den Rhein-Neckar Löwen nicht locker-flockig von der Hand. Die 31:34-Heimniederlage Anfang März gegen den SC DHfK Leipzig hinterließ Mannschaft und Trainer Filip Jicha sogar ziemlich ratlos. „Nach diesem Spiel hätte ich nicht gedacht, dass wir heute hier mit der Schale stehen“, räumte Sagosen auf dem Spielfeld der EWS-Arena offen ein.

Aus in zwei Wettbewerben

Dieser schwache Auftritt gegen ein Team, das eigentlich bei Weitem nicht das Kieler Niveau besitzt, reihte sich ein in einige schwache Auswärtsspiele in der Champions League (das Aus kam dann im Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain) und die Niederlage im DHB-Pokal-Viertelfinale gegen den SC Magdeburg.

Für den deutschen Branchenprimus mit dem 13-Millionen-Euro-Etat war die deutsche Meisterschaft also die letzte Chance auf einen Titel.

Und die hat der THW am Ende souverän genutzt. Dem tschechischen Trainer Jicha ist es gelungen, sein Team nach dem Ausrutscher gegen Leipzig wieder in die Spur zu bringen. Er kitzelte danach mit seinem bekannten, extrem hohen Arbeitsethos aus jedem einzelnen Spieler das Optimale heraus. In jedem Spiel. Der Lohn war die Schale, die die Kieler in Göppingen relativ schnell in den Bus packten. Gegen 19 Uhr hob der Charterflieger von Stuttgart aus in den hohen Norden ab. Die große Meistersause in der Kieler Wunderino-Arena stand am Abend noch auf dem Programm.

Und nicht nur Jicha dürfte eine Träne verdrückt haben: „Dass uns diese Ausnahmespieler verlassen, macht mich schon etwas traurig. Aber so ist der Sport.“