Der dänische Welthandballer Niklas Landin vom THW Kiel besticht mit seiner überragenden Technik. Foto: dpa/Frank Molter

Niklas Landin ist der aktuelle Welthandballer. Der Mann vom THW Kiel hat fast alle großen Titel gewonnen, die es zu gewinnen gibt. Am Samstag kommt es im Bundesligaspiel beim TVB Stuttgart zum Duell mit Jogi Bitter. Was zeichnet den Dänen aus?

Stuttgart - „Wer ein Buch über das perfekte Torwart-Spiel schreiben will, muss nur ein Spiel von Niklas Landin durchknipsen, mit einem Text versehen und veröffentlichen.“ Der Mann, der diese Hommage an den Welthandballer des Jahres 2019 formulierte, ist ausgerechnet einer seiner größten Rivalen: Der deutsche Nationaltorwart Andreas Wolff. Von 2016 bis 2019 spielten beide gemeinsam beim deutschen Rekordmeister THW Kiel. Danach verabschiedete sich Wolff vom eisenharten Konkurrenzkampf – und zog weiter zum polnischen Serienmeister KS Kielce.

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Landin aber blieb der Bundesliga als Attraktion erhalten und trifft an diesem Samstag (18.30 Uhr) in der Porsche-Arena mit dem Branchenprimus THW auf den TVB Stuttgart. Und damit auch auf die Nummer zwei im Tor der deutschen Nationalmannschaft, auf Johannes „Jogi“ Bitter. Was die beiden verbindet, ist ihre überragende Technik. Sie beobachten den Gegner, harren lange aus, reagieren dann blitzschnell. Emotionale Explosionen? Erlebt man eher von Bitter. Was sie noch unterscheidet ist ihr Alter: Bitter wird im kommenden Jahr 39 Jahre alt, Landin feiert an diesem Samstag seinen 32. Geburtstag. „Niklas ist deshalb noch schneller auf den Beinen, noch einen Tick beweglicher“, sagt Sascha Vorontsov, Torwart-Trainer-Ikone und Mentor von Jogi Bitter. Noch etwas hat der Däne seinem Kollegen vom TVB voraus: Er hat neben dem WM-Titel 2019, der deutschen Meisterschaft 2020, dem EHF-Pokal 2013 und 2019 und dem DHB-Pokal 2017 und 2019 auch den Olympiasieg 2016 und die Europameisterschaft 2012 errungen – zwei Titel, die in Bitters Trophäensammlung noch fehlen.

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Kein Torwart für die große Show

Großes Aufsehen würde Landin darum nie machen – genauso wie um seine Auszeichnung zum Welthandballer. Eine Ehre, die nach Henning Fritz 2004, Arpad Sterbik 2005 und Thierry Omeyer 2008, erst zum vierten Mal einem Torhüter, zu Teil wurde. Der 2,01-m-Mann mit den breiten Schultern ist ein stiller Riese. Ein ganz ruhiger Vertreter. Typ großer Bruder, bester Freund. Ausgeglichen, humorvoll, positiv. Genauso spielt er auch: „Ich mag es nicht so sehr, wenn ein Torwart für die Show spielt, in eine Ecke fliegt und dabei noch die Beine hochzieht, bloß damit es spektakulär aussieht“, sagt Landin selbst.

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In Interviews wendet er seinem Gesprächspartner gerne die rechte Gesichtshälfte zu. Der Ursprung liegt in seiner jüngsten Kindheit. Im Alter von neun Monaten wurde bei ihm Meningitis diagnostiziert. Bei kleinen Kindern kann die Hirnhautentzündung lebensbedrohlich sein. Landin kam mit einer nicht unüblichen Nebenwirkung davon: Sein linkes Ohr ist taub. „Das hat mich nie ernsthaft beeinträchtigt, weil ich es ja nicht anders gewohnt war“, sagt er. Es hatte sogar einen positiven Aspekt. Beim Memory spielen gehörte er immer zu den allerbesten. Weil er sich besser auf seine anderen Sinne konzentrieren konnte.

Mit Bruder Magnus im Team

Das Handball-Gen liegt dagegen in der Familie. Vater Karsten spielte früher am Kreis, genauso Mutter Annette, die auch eine Jugendmannschaft bei KFUM Kopenhagen trainierte. Der jüngere Bruder Magnus (25) ist seit 2018 als Linksaußen Mitglied der Zebra-Herde beim THW Kiel. Mit seiner Ehefrau Liv zieht er die beiden Kinder Pelle (4) und Silje (2) groß – ihr Talent ist noch nicht ganz so absehbar. Niklas Landin selbst zog mit 16 Jahren vom heimischen Soborg bei Kopenhagen ins Internat zu GOG Svendborg, um die Handball-Welt zu erobern.

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Nebenher absolviert er eine kaufmännische Ausbildung in einem Bekleidungsgeschäft, woher auch sein Faible für Mode rührt. Er zieht weiter zu Bjerringbro Silkeborg (2010), zu den Rhein-Neckar Löwen (2012) und schließlich nach Kiel. Er sammelt Titel und Medaillen am Fließband. Sein Erfolgshunger ist noch lange nicht gestillt.

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Wie er das alles macht? „Indem er keinen Schritt zu viel oder zu wenig macht und es schafft, genau da zu stehen, wo du als Torhüter stehen musst.“ Sagt einer, der es wissen muss. Sein lange Zeit größter Rivale, der deutsche Nationalkeeper Andreas Wolff.