Aufgeheiztes Thema, überhitzter Markt: Wärmepumpen treiben derzeit die Politik und viele Hausbesitzer um. Foto: dpa/Silas Stein

Viele Immobilienbesitzer haben derzeit Sorge, dass teure Neuanschaffungen ins Haus stehen. Ist das berechtigt? Und was können sie tun, um Klarheit zu bekommen? Ein Energieberater aus Ludwigsburg hat Antworten.

Die Unsicherheiten rund um das Thema Energieversorgung sind riesig derzeit – und die Missverständnisse auch. Dementsprechend groß ist der Bedarf an Beratung. Joshua Lampe (33) ist Energieberater bei der Ludwigsburger Energieagentur (Lea) und hat auch ein eigenes Ingenieurbüro. Er kann ein Lied davon singen.

Im Grunde hätten sich viele Eigentümer schon während Corona – vermutlich aus Zeitgründen – näher mit ihrer Immobilie beschäftigt. Wegen des russischen Angriffskriegs und der Energiekrise infolgedessen nahm das Thema nochmals an Fahrt auf. Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das die Ampelkoalition auf eine harte Probe stellt, hat zudem eine dritte Welle an Erklärungsbedarf aufgetürmt.

1 Welche Fragen drängen besonders? Und wohin kann man sich wenden? Was das GEG anbelangt, treiben Häuslebesitzer vor allem drei Fragen um: Was bedeutet das Gesetz für mich? Und: Muss meine Heizung ausgetauscht werden? Wenn ja, kommt eine Wärmepumpe hier infrage? Dabei ist zu beachten: „Wichtige Einzelheiten des Gesetzes stehen ja noch nicht fest“, sagt Lampe, „deshalb ist es auch relativ schwer zu bewerten, was es für den einzelnen am Ende bedeutet“. Aber so viel könne er bereits sagen: Überlegungen, die man in der Sache vor fünf oder zehn Jahren angestellt habe, hätten heute keine Gültigkeit mehr: „Man muss sich neu informieren.“ Diesbezüglich könne sich jeder an die Verbraucherzentrale wenden, rät Lampe. Das ist kostenlos und telefonisch oder online möglich.

2 Sind die Sorgen der Eigenheim- und Wohnungsbesitzer begründet? Meistens nicht. „Viele, die eine Gas- oder Ölheizung haben, gehen davon aus, dass die bis in spätestens zwei Jahren raus muss“, sagt Lampe. Das sei ein Trugschluss und Folge des Framings einiger politischer Parteien. Bei einer fünf Jahre alten Gasheizung gebe es „keinen konkreten Handlungsbedarf“, so der 33-Jährige. Beim Heizungstausch – Öl oder Gas gegen Wärmepumpe – gehe es vor allem um Neuanschaffungen, die ohnehin anstehen.

3 Wann ist ein Tausch sinnvoll? Die durchschnittliche Lebensdauer einer Heizung beträgt laut Joshua Lampe 20 Jahre. Bei Modellen, die 30 Jahre oder älter sind, steige das Ausfallrisiko enorm. Oft gebe es auch keine Ersatzteile mehr. Wenn es schnell gehen muss, baut der Installateur im Zweifel einfach wieder eine Öl- oder Gasheizung ein. Schon jetzt muss laut dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG), das seit 2015 in Baden-Württemberg gilt, nach einem Anlagentausch 15  Prozent der Wärme aus Erneuerbaren stammen. Wer diese Marke nicht erreicht, kann das mit Ersatzmaßnahmen wie einer PV-Anlage oder Dämmung ausgleichen. „Möglicherweise müssen es bald 65 Prozent Erneuerbare sein“, sagt Lampe, „dann reichen die Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr.“ Auf der anderen Seite sieht der Bauingenieur durchaus, wie „überhitzt“ der Markt derzeit ist: „Wer keine Not hat, wartet vielleicht auch noch ein bisschen.“

4 Wie geht man optimalerweise vor? Dämmen geht vor. So kann der Energiebedarf deutlich gesenkt werden, außerdem würden „softe Faktoren“ eine Rolle spielen, so Lampe. Der Wohnkomfort steige dadurch, „und man schläft ja vielleicht ein bisschen besser, wenn man sich nicht mehr so viele Gedanken um die Energiekosten machen muss“. Fenster seien häufig schon erneuert worden. Übrigens: Dass Fassadendämmung Schimmelbildung begünstige, sei ein Mythos. „Das Gegenteil ist der Fall“, so Lampe. Bei Gebäuden, die vor 1977 gebaut wurden und bei denen nachträglich nichts saniert wurde, könne durch das Dämmen der Faktor sieben eingespart werden. Bei neueren Häusern sind die Einsparungen entsprechend abgestuft, „aber es lohnt sich bei vielen“, sagt Lampe. „Wenn man das Haus sowieso verputzen oder streichen muss, dann lässt sich das gut mit einer neuen Dämmung kombinieren“, empfiehlt der Experte. Mit einem gut gedämmten Haus hätten Eigentümer wiederum besser Möglichkeiten bei der Neuanschaffung einer Heizung, etwa bei der Größe oder der Anschlussleistung bei der Fernwärme. In einem sogenannten Sanierungsfahrplan, den ein Energieberater erstellt, werden die technische und wirtschaftliche Machbarkeit aufgezeigt und Kosten sowie Einsparpotenzial von Dämmmaßnahmen, Solarenergienutzung, Heizungstausch und Lüftungsanlage gegenübergestellt. Dank Förderung liegt der Eigenanteil bei gut 1000 Euro für Einfamilienhäusern und steigt mit der Gebäudegröße.

5 Pelletheizung, Fernwärme oder Wärmepumpe: Was empfiehlt der Experte? Haushalten, die die Möglichkeit haben, sich ans Fernwärmenetz anschließen zu lassen, rät Lampe dazu. Die Förderungen seien hoch, zudem sei der Aufwand bei Wartung und Betrieb geringer als bei anderen Technologien. Die größeren Städte im Kreis müssen bis Ende des Jahres eine Wärmeplanung vorlegen, dann dürfte klar sein, welche Gebiete angeschlossen werden. Denjenigen, die davon ausgenommen sind, empfiehlt Joshua Lampe eine Wärmepumpe. Pelletheizungen seien zwar auch eine Option, haben aus seiner Sicht aber Nachteile: in erster Linie die Preise, die weiter steigen dürften, weil der Bedarf in der Industrie wächst. Synthetische Gase haben laut dem Berater keine Zukunft, weil sie zu teuer in der Erzeugung sind.

6 Gibt es einen Unterschied zwischen Ein- und Mehrfamilienhäusern? Im Grunde nicht, sagt der Experte. Er rät vor allem zur Zentralisierung des Heizungssystems, weil so etwa ein Fernwärmeanschluss erst möglich wird. Bei Wohneigentümergemeinschaften müsse man sich einigen, dafür gebe es aber besonders günstige Kredite.

7 Was können Mieter beachten? Die Möglichkeiten von Mietern sind beim Heizungstausch begrenzt, letztlich entscheidet der Vermieter. Wie stark Maßnahmen wie die Heizung herunterzudrehen oder richtiges Lüften wirken, hänge letztlich vom Baustandard ab. Bei der CO2-Bepreisung, durch die Öl und Gas teurer werden, gilt jedoch ein Verteilerschlüssel. Je schlechter das Gebäude energetisch ertüchtigt ist, desto mehr zahlt der Vermieter. „Darauf können Mieter hinweisen“, sagt Lampe.